Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat bei seiner ersten Zusammenkunft im neuen Jahr insgesamt 6 Medikamente zur Zulassung empfohlen, darunter ein weiterer Antikörper zur Migräne-Prophylaxe [1]. Der Ausschuss hat bei seinem Meeting Ende Januar außerdem erstmals eine orale Therapieoption für Patienten mit Typ-1-Diabetes zur Zulassung empfohlen, die zusätzlich zur Insulintherapie gegeben wird.
Ajovy® (Fremanezumab, TEVA GmbH) ist nach Aimovig® (Erenumab, Novartis) und Emgality® (Galcanezumab, Eli Lilly) der dritte Antikörper zur Vorbeugung von Migräneattacken, der in der EU auf den Markt kommt. Des Weiteren empfiehlt der CHMP folgende Arzneimittel zur Zulassung:
Vizimpro® (Dacomitinib, Pfizer Europe MA EEIG) zur Behandlung des lokal fortgeschrittenen oder metastasierten nicht kleinzelligen Lungenkarzinoms mit EGFR-aktivierenden Mutationen
Idacio® (Adalimumab, Fresenius Kabi Deutschland GmbH) und Kromeya® (Adalimumab, Fresenius Kabi Deutschland GmbH), 2 Humira-Biosimilars zur Behandlung bestimmter inflammatorischer und Autoimmunerkrankungen
Atazanavir Krka® (Atazanavir, KRKA, d.d., Novo mesto), ein Generikum zur Behandlung der HIV-1-Infektion bei Erwachsenen und Kindern ab 6 Jahren
Febuxostat Krka® (Febuxostat, KRKA, d.d., Novo mesto), ein Generikum zur Vorbeugung und Behandlung der Hyperurikämie
Ein Zulassungsantrag wurde abgelehnt: Der Ausschuss entschied sich gegen eine Zulassungsempfehlung für Doxolipad® (Doxorubicin, TLC Biopharmaceuticals B.V.), welches zur Behandlung von Brust- und Eierstockkrebs eingesetzt werden sollte.
Therapeutische Indikationserweiterungen gab es in großer Zahl, nämlich für Hemlibra® (Emicizumab, Roche Registration GmbH), Keytruda® (Pembrolizumab, Merck Sharp & Dohme B.V.), Mabthera® (Rituximab, Roche Registration GmbH), Maviret® (Glecaprevir/Pibrentasvir, AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG), Orencia® (Abatacept, Bristol-Myers Squibb Pharma EEIG), Praluent® (Alirocumab, Sanofi-Aventis Groupe), Tecentriq® (Atezolizumab, Roche Registration GmbH) sowie Forxiga® (Dapagliflozin, AstraZeneca AB) und seinen Doppelgänger Edistrid® (Dapagliflozin, AstraZeneca AB).
Typ-1-Diabetes: Die Tablette zum Insulin
Mit den beiden Dapagliflozin-Präparaten wird künftig erstmals eine adjuvante Behandlung in Tablettenform zusätzlich zur Insulintherapie bei bestimmten Patienten mit Typ-1-Diabetes möglich sein.
Der SGLT2-Inhibitor Dapagliflozin ist bereits zur Behandlung von Patienten mit Typ-2-Diabetes zugelassen. Basierend auf den Daten neuer klinischer Studien empfiehlt der CHMP nun die Indikation auf Patienten mit Typ-1-Diabetes auszuweiten, die trotz optimaler Insulintherapie keine ausreichende Blutzuckereinstellung erreichen. Um für die Behandlung mit Dapagliflozin in Frage zu kommen, müssen die Patienten bestimmte Kriterien erfüllen und sollten keinen BMI unter 27 kg/m2 haben.
In 2 Phase-3-Studien mit insgesamt 548 Patienten mit Typ-1-Diabetes hatte die Behandlung mit Dapagliflozin günstige Effekte auf die Blutzuckereinstellung, das Körpergewicht, den Blutdruck und die Glukosevariabilität. Doch da, wie die Studiendaten zeigen, unter der Behandlung auch das Risiko für diabetische Ketoazidosen ansteigt, gelten folgende Vorsichtsmaßnahmen:
Nur übergewichtige bzw. adipöse Patienten sollen mit Dapagliflozin behandelt werden.
Die Insulintherapie sollte fortwährend optimiert werden, eine Dosisreduktion sollte nur zur Vermeidung von Hypoglykämien erfolgen.
Bei Patienten mit geringem Insulinbedarf ist Dapagliflozin nicht empfehlenswert.
Die Behandlung sollte nur durch Fachärzte eingeleitet und überwacht werden.
Die Patienten müssen in der Lage und bereit sein, ihre Ketonlevel zu messen.
Die Patienten müssen über die Anzeichen und Symptome einer diabetischen Ketoazidose aufgeklärt werden.
Sartan-Skandal: Verunreinigungen künftig ausschließen
Der CHMP hat die Überprüfung von Medikamenten abgeschlossen, die möglicherweise verunreinigtes Sartan enthielten. Ab sofort müssen Unternehmen, die Blutdrucksenker mit einem Wirkstoff aus der Klasse der Sartane (Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker) produzieren, ihre Herstellungsprozesse dahingehend überprüfen und modifizieren, dass die Entstehung von Verunreinigungen mit Nitrosaminen ausgeschlossen ist.
Als nächstes nimmt der CHMP direkte orale Antikoagulantien (DOAKs) und ein Krebsmedikament unter die Lupe. In einer Beobachtungsstudie wurde das Risiko für schwere Blutungen untersucht, wenn die DOAKs Eliquis® (Apixaban, Bristol-Myers Squibb&Pfizer), Pradaxa® (Dabigatranetexilat, Boehringer Ingelheim) und Xarelto® (Rivaroxaban, Bayer Vital) zur Prävention von Thromben bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern eingesetzt werden – im Vergleich zu anderen oralen Antikoagulantien. Von der Bewertung der Studienergebnisse wird abhängen, ob sich daraus Implikationen für den Einsatz dieser Medikamente ergeben.
Hinweise auf kein längeres Überleben
Das Krebsmedikament Lartruvo® (Olaratumab, Lilly) steht auf dem Prüfstand, da vorläufige Ergebnisse der ANNOUNCE-Studie darauf hindeuten, dass Olaratumab zusätzlich zu Doxorubicin keinen stärkeren Effekt auf die Lebensdauer von Patienten mit Weichteilsarkomen hat als die alleinige Therapie mit Doxorubicin. Die Kombinationstherapie hat weder das Überleben der Gesamtpopulation (Hazard Ratio: 1,05; 20,4 vs. 19,7 Monate für Lartruvo plus Doxorubicin vs. Doxorubicin) noch der Subpopulation mit Leiomyosarkom (HR: 0,95; 21,6 vs. 21,9 Monate) verlängert. Auch auf das progressionsfreie Überleben in der Gesamtpopulation hat die Kombination offenbar keinen Einfluss.
Bis die vollständigen Ergebnisse der Studie vorliegen, empfiehlt der Ausschuss, keine neuen Patienten mehr auf Olaratumob einzustellen. Patienten, die das Medikament bereits erhalten, können es weiter nehmen, falls der Arzt den Eindruck hat, dass sie von der Therapie profitieren. Unterschiede hinsichtlich der Nebenwirkungen gibt es offenbar zwischen Kombinations- und Monotherapie nicht.
Neuer Blick auf Omega-3
Darüber hinaus wird sich der CHMP noch einmal mit Omega-3-Fettsäuren auseinandersetzen. Nach einer negativen Empfehlung im Dezember haben die Hersteller eine erneute Beurteilung beantragt.
Einige Zulassungsanträge wurden zurückgezogen, darunter die für Cavoley® (Pegfilgrastim, STADA Arzneimittel AG) und Efgratin® (Pegfilgrastim, Gedeon Richter Plc.), beide für Patienten mit Neutropenie gedacht, sowie für Vynpenta® (Avacopan, ChemoCentryx Ltd.). Letzteres sollte zur Behandlung von Patienten mit Granulomatose mit Polyangiitis und mikroskopischer Polyangiitis eingesetzt werden.
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Diesen Artikel so zitieren: EMA: SGLT2-Hemmer für Typ-1-Diabetiker, neuer Migräne-Antikörper und ein Fazit zu den Sartanen - Medscape - 1. Feb 2019.
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