Metaanalyse bestätigt: Kein Platz für ASS in der kardiovaskulären Primärprävention

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

31. Januar 2019

Die Metaanalyse randomisiert-kontrollierter Studien ist die höchste Evidenzklasse, die die evidenzbasierte Medizin zu bieten hat. Überraschungen bergen die Ergebnisse dieser Arbeiten selten. Das gilt auch für die große Frage nach dem Einsatz von Acetylsalicylsäure (ASS) zur Primärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen: „Die Anwendung von ASS bei Menschen ohne Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist mit einem verringerten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und einem erhöhten Risiko für schwere Blutungen verbunden“, berichten die Autoren einer mittlerweile 13 randomisiert-kontrollierte Studien umfassenden Metaanalyse zur Primärprävention mit ASS.

Prof. Dr. Ulrich Laufs

„Diese Metaanalyse liefert eine Bestätigung und dokumentiert die Konsistenz der vorliegenden Daten“, sagt Prof. Dr. Ulrich Laufs, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kardiologie am Universitätsklinikum Leipzig, auf Nachfrage von Medscape.

Inklusive ASCEND, ASPREE und ARRIVE

Die neue Metaanalyse umfasst auch die 3 im Jahr 2018 publizierten Studien, in denen die Primärprävention mit ASS bei Patientengruppen untersucht worden war, die in früheren Studien unterrepräsentiert gewesen waren: Patienten mit Diabetes in der ASCEND-Studie, ältere Patienten in der ASPREE-Studie und Patienten mit höherem kardiovaskulärem Risiko in der ARRIVE-Studie.

Erstautor Dr. Sean L. Zheng von der Faculty of Medicine am Imperial College London, Großbritannien, und seine Kollegen kombinierten die Daten dieser 3 neuen Studien mit den Daten von 10 älteren Primärpräventionsstudien. Im Ergebnis kommen sie somit auf mehr als 164.000 Studienteilnehmer und mehr als eine Million Personenjahre Nachbeobachtungszeit.

 
Diese Metaanalyse liefert eine Bestätigung und dokumentiert die Konsistenz der vorliegenden Daten. Prof. Dr. Ulrich Laufs
 

Im Vergleich zu gepoolten Analysen der älteren Studien änderte die Hinzunahme der neuen Studiendaten kaum etwas an den Ergebnissen. Die Primärprävention mit ASS war im Vergleich zu keiner ASS-Einnahme mit einer signifikanten Reduktion des kombinierten Endpunktes aus kardiovaskulärer Mortalität, nicht-tödlichem Herzinfarkt und nicht-tödlichem Schlaganfall assoziiert.

Während in der ASS-Gruppe 57,1 Endpunkt-Ereignisse pro 10.000 Personenjahren auftraten, waren es in der Gruppe ohne ASS 61,4 pro 10.000 Personenjahre. Das absolute Risiko war mit ASS-Einnahme damit um 0,38% geringer.

Die andere Seite der Medaille: ASS war auch mit einem erhöhten Risiko für schwere Blutungen assoziiert. In der ASS-Gruppe traten 23,1 Blutungsereignisse pro 10.000 Personenjahre auf, in der Gruppe ohne ASS waren es 16,4 Blutungsereignisse pro 10.000 Personenjahre. ASS erhöhte damit das Blutungsrisiko um absolut 0,47%.

 
Bei niedrigem kardiovaskulären Erkrankungsrisiko kann keine Empfehlung zur Einnahme von ASS gegeben werden. Prof. Dr. Ulrich Laufs
 

Wenig Ereignisse im Niedrigrisikobereich

„Im Niedrigrisikobereich bzw. in der Primärprävention treten nur selten kardiovaskuläre Ereignisse auf“, sagt Laufs, „und wenn nur wenige Ereignisse auftreten, können auch nur wenige Ereignisse verhindert werden.“ Andererseits sei ASS auch sehr sicher, 23 bzw. 16 Blutungsereignisse pro 10.000 Personenjahre seien nicht viel, aber prozentual eben mehr als die verhinderten kardiovaskulären Ereignisse.

Deshalb bleibt es dem Leipziger Kardiologen zufolge bei der Quintessenz der bisherigen Studien zur Primärprävention mit ASS: „Bei niedrigem kardiovaskulären Erkrankungsrisiko kann keine Empfehlung zur Einnahme von ASS gegeben werden“, resümiert Laufs.

In einem Editorial schreibt auch Prof. Dr. J. Michael Gaziano von der Division of Aging am Brigham and Women’s Hospital in Boston, USA: „Die Metaanalyse zeigt eine generelle Konsistenz der neueren Studien mit den früheren Studien zur Primärprävention kardiovaskulärer Ereignisse mit ASS.“

ASS bleibe eine wichtige Medikation in der Akuttherapie vaskulärer Ereignisse, nach bestimmten operativen Eingriffen und zur Sekundärprävention, ergänzt Gaziano. In der Primärprävention müsse der Kliniker dagegen andere Interventionen in Betracht ziehen, um das kardiovaskuläre Risiko zu reduzieren, etwa den Verzicht auf Zigaretten und die Einstellung von Blutdruck- und Lipidwerten.

 

Kommentar

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