Eine große Fall-Kontroll-Studie aus Großbritannien bekräftigt einen Vorteil der transdermalen Applikation der Hormonersatztherapie (HRT): Im Gegensatz zur Darreichung in Tablettenform erhöhen Pflaster, Gels oder Cremes das Thromboembolie-Risiko der behandelten Frauen nicht [1].

Prof. Dr. Olaf Ortmann
Prof. Dr. Olaf Ortmann, Koordinator der aktuellen S3-Leitlinie „Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen“ der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), erklärt im Gespräch mit Medscape, dass bereits frühere, aber im Vergleich kleinere Untersuchungen zu ähnlichen Ergebnissen gekommen seien.
Frühere Studien bestätigt
Er sagt: „Um den akuten Risikofaktor einer Thromboembolie in der initialen Phase der Hormonersatztherapie zu minimieren, sollen Tabletten möglichst vermieden werden.“ So stehe es bereits in der aktuellen Leitlinie und dies werde laut Ortmann, Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Universität Regensburg, in Deutschland auch schon breitflächig von den Ärzten berücksichtigt.
Der Evidenzgrad der Empfehlung sei allerdings noch eingeschränkt (2A). Denn nach wie vor – auch dies erwähne die Leitlinie und daran ändere auch die aktuelle retrospektive Studie nichts – lägen keine ausreichend großen randomisierten Studien zur transdermalen Applikation vor, die ein Beurteilung auf vaskuläre Endpunkte zuließen.
Neben dem bereits bekannten und nun noch einmal bestätigten Vorteil der transdermalen Applikation gegenüber der oralen Hormoneinnahme kann die Studie aber auch noch mit ein paar neuen Details aufwarten: So ermöglicht der bis dato umfangreichste Datensatz zum Thema einen differenzierteren Blick auf die orale HRT.
„Die Studie liefert die bislang zuverlässigsten Daten zum Thromboembolie-Risiko bei verschiedenen oralen Östrogen- und Gestagen-Präparaten“, erklärt Ortmann. So war etwa das Embolie-Risiko bei kombinierten Präparaten grundsätzlich höher als bei reinen Östrogen-Tabletten. Wenn die Hormone oral eingenommen werden (sollen), seien das wichtige Informationen, so Ortmann.
Kein erhöhtes Embolie-Risiko bei transdermaler Applikation
Die Autoren um Dr. Yana Vinogradova von der University of Nottingham, Großbritannien, analysierten für ihre Fall-Kontroll-Studie die Daten von Frauen zwischen 40 und 79 Jahren aus 2 britischen Hausarztregistern.
Bei 80.396 Frauen wurde demnach zwischen 1998 und 2017 eine venöse Thromboembolie diagnostiziert („Fälle“). 5.795 (7,2%) dieser Frauen hatten innerhalb von 90 Tagen vor der Embolie eine Hormonersatz-Therapie erhalten. In der Kontrollgruppe (391.494 Frauen ohne diagnostizierte Thromboembolie, „Kontrollen“) hatten 21.670 (5,5%) Frauen Hormone eingenommen.
4.915 Frauen mit Thromboembolie (85%) bzw. 16.938 Frauen aus der Kontrollgruppe (78%) hatten die Hormone dabei in Tablettenform eingenommen; 880 (14%, Fälle) bzw. 4.731 (19%, Kontrolle) Frauen verwendeten eine transdermale Applikation.
Rechnerisch ergab sich so letztlich ein um 58% erhöhtes Risiko für die akute Gefäßerkrankung nach oraler HRT (im Vergleich zur Kontrolle). Transdermale Applikationen waren dagegen nicht mit einem erhöhten Risiko für Thromboembolien assoziiert.
Kombinierte Präparate erhöhen das Risiko zusätzlich
Grundsätzlich erhöhte sich das Risiko für die akute Venenerkrankung bei jeder oralen Formulierung gegenüber der Kontrolle: bei reinen Östrogenpräparaten um 40%, bei kombinierten Präparaten sogar um 73%.
Östradiol wies dabei ein geringeres Risiko als konjugierte equine Östrogene auf (Odd Ratio: 0,83). Bei den kombinierten Präparaten errechneten die Autoren das höchste Thromboembolie-Risiko bei konjugiertem equinen Östrogen mit Medroxyprogesteronacetat (OR: 2,10) und das geringste bei Östradiol mit Dydrogesteron (OR: 1,18).
„Die Ausgangssituation der Frauen muss berücksichtigt werden“
In einer Pressemitteilung der University of Nottingham wird Vinogradova wie folgt zitiert: „Unsere Studie hat gezeigt, dass – abhängig von den aktiven Komponenten – bei oraler Behandlung unterschiedliche Tabletten mit einem unterschiedlichen Risiko für Blutgerinnsel assoziiert sind.“
Sie ergänzt: „Unsere Ergebnisse sind besonders wichtige Informationen für Frauen, die eine HRT-Behandlung benötigen und bereits ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Blutgerinnseln aufweisen.“
Ein Fazit, dem auch Ortmann beipflichten kann. „Bei der individuellen Beratung und Indikationsstellung muss immer die Ausgangssituation der Frauen berücksichtigt werden“, sagt er. Gesunde Frauen um die 50 hätten bei der Ersteinstellung beispielsweise ein niedrigeres Ausgangsrisiko für Thromboembolien als 70-jährige Frauen mit verschiedenen Komorbiditäten.
Das Embolierisiko sei dabei nur ein Punkt, der – z.B. neben einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle, Brustkrebs (bei langjähriger Einnahme) und Gallenwegserkrankungen – bedacht werden müsse.
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Diesen Artikel so zitieren: Wenn Hormonersatz, dann transdermal: Höheres Embolie-Risiko bei oralen und konjugierten Präparaten - Medscape - 25. Jan 2019.
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