Hausarzt Dr. Volker Eissing aus dem Emsländischen Papenburg arbeitet in einer der größten Hausarztpraxen Niedersachsens. Mit 2 Kollegen führt er ein medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) mit 75 medizinischen Fachangestellten (MFA), darunter 8 nicht-ärztliche Praxisassistentinnen (NäPa), 4 angestellten Fachärztinnen und mit rund 15.000 Fällen im Quartal. Anders wäre die Versorgung in der Region gar nicht zu schaffen, sagt Eissing. Jetzt will er die medizinische Versorgung der Patienten auf noch mehr Schultern verteilen.
Die Zeit drängt, wie der Hausarzt berichtet. Denn viele der Kolleginnen und Kollegen in der Region arbeiten bereits weit über das Ruhestandsalter hinaus weiter. Sie sind 65, 70 Jahre alt und älter, so Eissing. Andere treten aus Altersgründen kürzer und machen nur noch Vormittagssprechstunden.
Auch Dieter Krott, Geschäftsführer der Bezirksstelle Aurich der KV Niedersachsen, sieht den Engpass kommen. „Derzeit sind nur 5 Hausarzt-Sitze frei. Aber viele Ärzte in der Region sind 60 plus.“
Eissing und seine Mitstreiter haben sich deshalb vorgenommen, dem Ärztemangel mit einer besonderen Initiative entgegenzutreten: Erstmals sollen Physician Assistants (PAs) auch Haus- und Fachärzte in ihren Praxen unterstützen – und Eissing hat sich auch schon Gedanken über deren Ausbildung gemacht. PAs sollen im Rahmen der Delegation Arzt-unterstützend Routine-Aufgaben ausüben. Bisher arbeiten PAs ausschließlich in Krankenhäusern.
Der Hausarzt wird selbst initiativ
Um rasch an entsprechendes Personal zu kommen, will man im Nordwesten die Ausbildung zum PA gleich selbst organisieren. Hausarzt Eissing ist Mitinitiator des Projektes. Zusammen mit der Berliner Steinbeis Hochschule und dem Meppener Ludmillenstift könnten in diesem Jahr die ersten Kurse für die 3 Jahre dauernde Bachelor-Ausbildung starten. Es wäre der erste Ausbildungsgang zum PA in Niedersachsen. Offen ist noch, ob und wie die Fachhochschule Emden eingebunden werden kann. Bisher gebe es dort nur Vorüberlegungen, sagt ein Sprecher der Fachhochschule.
Wer sich bewerben will, braucht:
das Abitur oder die Fachhochschulreife plus 3 Jahre Ausbildung in einem medizinischen Fachberuf oder
die mittlere Reife plus 3 Jahre Ausbildung und 3 Jahre Berufserfahrung in einem medizinischen Ausbildungsberuf.
Gemeint sind also zum Beispiel MFA, Rettungsassistenten, Schwestern und Pfleger. An Bewerbern besteht im Emsland offenbar kein Mangel. Aus Eissings MVZ haben sich bereits 8 Interessenten gemeldet, wie der Hausarzt berichtet. Angepeilt sind 25 Studierende pro Kurs.
„Die Ausbildungsinhalte sind mit der Bundesärztekammer abgestimmt“, betont Prof. Dr. Thomas Karbe von der Steinbeis-Hochschule. In der Schrift „Physician Assistant – Ein neuer Beruf im deutschen Gesundheitswesen“ umreißen Bundesärztekammer (BÄK) und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) das Curriculum. Die Kompetenzen sind in Anlehnung an den Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKL 2015) formuliert.
Festgelegt ist hier auch, dass PAs ausschließlich im Rahmen der Delegation arbeiten dürfen. Der 120. Deutsche Ärztetag in Freiburg jedenfalls hat sich für das Delegationsprinzip ausgesprochen und „die Substitution ärztlicher Leistungen durch nicht-ärztliche Gesundheitsberufe klar abgelehnt“, so die BÄK. Ärzte müssten die Hoheit über Diagnose, die Indikationsstellung und Therapie behalten, was den Arztvorbehalt sichere sowie die Gesamtverantwortung für den Behandlungsprozess, betonten die Delegierten des Ärztetages.
Besser als die Landarztquote
Für Eissing ist der PA die funktionierende Alternative zum Landarztquote. „Denn wer sich für den PA interessiert, hat viele Lebensentscheidungen schon getroffen, lebt mit Partner und Kindern oft schon seit Jahren in der Region“, sagt Eissing. „Die wandern nicht ab und behalten ihren Lebensmittelpunkt hier bei uns.“ Bei jungen Ärzten, die sich zu Studienbeginn für Jahre auf dem Lande verpflichtet haben, dürfte das bekanntlich anders sein.
Die Infrastruktur für den Bachelor-Studiengang PA sei jedenfalls im Emsland bereits vorhanden, hieß es. „Wir haben ein Schulungszentrum für die Krankenpflege und die Physiotherapie-Ausbildung im Haus, das wir nutzen können“, sagt der Verwaltungsdirektor des Ludmillenstifts, Wilhelm Wolken. Die Dozenten kommen direkt von der Hochschule und aus dem Meppener 400-Betten-Haus.
Sogar bei der Finanzierung der Ausbildung und der Abrechnung der PA-Leistungen in den Praxen sind bereits einige Pflöcke eingeschlagen, wie Eissing berichtet. Die Studiengebühren für den Steinbeis-Studiengang betragen 500 Euro pro Monat und Student – eine Unmöglichkeit für MFA oder Schwestern, meint er. Bei den Studiengebühren werden nach seinen Angaben möglicherweise der Landkreis Emsland und die Kommunen Meppen, Papenburg und Lingen einspringen.
Unbeantwortet ist derzeit die Frage, wie die Leistungen der PAs in den Praxen abgerechnet werden können. Für Eissing wäre es die beste Lösung, wenn jeder Niedergelassene, der einen PA einstellt, etwa 500 Patienten mehr im Quartal behandeln darf. „Bei 5 PAs hätten wir 2.500 Patienten im Quartal mehr in der Versorgung“, sagt Eissing. „Das kostet das System nicht mehr Geld, weil diese Patienten ja sowieso versorgt werden müssten.“
Bleibt die Frage, ob die Ärzte die PAs in ihren Praxen akzeptieren würden. Bisher hat sich die Ärzteschaft zurückhaltend gezeigt, dies weiß auch Eissing. „Wer unter Druck steht, wird die PAs eher unterstützen“, so Eissing. „Ich glaube, die Mehrheit findet PAs gut.“
Medscape Nachrichten © 2019
Diesen Artikel so zitieren: Physician Assistants bald auch für die Hausarzt-Praxis? Im Nordwesten engagiert sich ein Kollege für deren Ausbildung - Medscape - 24. Jan 2019.
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