Schnitzel nur alle 5 Tage! Eine Kommission internationaler Forscher fordert radikalen Wechsel in der Ernährung

Heike Dierbach

Interessenkonflikte

22. Januar 2019

Dass die richtige Ernährung wichtig für die eigene Gesundheit ist, ist mittlerweile Allgemeinwissen. Doch wir beeinflussen damit auch die „Gesundheit“ des Planeten Erde – darauf weist ein Report der Lancet-Kommission EAT hin [1].

Die Experten fordern den Wechsel zu einer „planetary health diet“, unter anderem mit weniger Fleisch und tierischen Produkten und mehr Obst, Gemüse und Nüssen: „Wenn wir im Jahr 2050 10 Milliarden Menschen auf der Welt ernähren wollen, dann wird das nicht gelingen, wenn wir nicht unsere Ernährungsgewohnheiten ändern, die Lebensmittelproduktion verbessern und Lebensmittelverschwendung reduzieren.“

Bitte nur 43 Gramm Fleisch täglich

In der Kommission haben 37 Experten aus 16 Ländern und aus verschiedenen Disziplinen 2 Jahre lang den aktuellen Forschungsstand zur Welternährung zusammengetragen und daraus Forderungen abgeleitet. Ein Wechsel sei dringend notwendig, schreiben die Autoren: 3 Milliarden Menschen weltweit seien fehlernährt. Dazu zählen sie sowohl Unter- als auch Überernährung.

 
Wenn wir im Jahr 2050 10 Milliarden Menschen auf der Welt ernähren wollen, dann wird das nicht gelingen, wenn wir nicht unsere Ernährungsgewohnheiten ändern. Lancet-Kommission EAT
 

Die derzeitige Form der Landwirtschaft überschreite die natürlichen Ressourcengrenzen, unter anderem wegen des massiven Gebrauchs von Dünger. Zudem heize sie den Klimawandel an. Die Bevölkerung esse zu viele Fertigprodukte und zu viel Zucker: „Diese Ernährungsform ist ein Risiko für den Menschen und für den Planeten.“

Wie stattdessen eine gesunde und nachhaltige Ernährung aussehen könnte, haben die Autoren genau berechnet. Auf der Basis von 2.500 Kilokalorien täglich empfehlen sie folgende Zusammensetzung: 232 g Vollkorn-Produkte, 300 g Gemüse, 200 g Obst, 250 g Milchprodukte, 43 g Fleisch, 28 g Fisch, 125 g Hülsenfrüchte und Nüsse, 40 g ungesättigte Fettsäuren, 31 g Zucker und andere Süßungsmittel.

Die Einteilung ist aber flexibel: Für jede Gruppe wird eine relativ große Spanne angegeben, innerhalb derer sich die Aufnahme bewegen sollte. Bei Milchprodukten reicht sie beispielsweise von 0 bis 500 g, bei Obst von 100 bis 300 g. Nur bei Fleisch sind die Autoren streng.

Die Werte sind auch nicht so gemeint, dass man jeden Tag genau diese Menge essen soll, aber eben ein 200-Gramm-Schnitzel nur alle 5 Tage. Mit dieser Ernährung ließen sich jährlich 10,9 bis 11,6 Millionen Todesfälle weltweit vermeiden, schreiben die Autoren – das sind 19 bis 23,6% aller Sterbefälle von Erwachsenen.

EAT-Ernährung auch in Deutschland

Prof. Dr. Susanne Klaus, Leiterin der Abteilung Energiestoffwechsel am Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DifE) in Potsdam, hält diese Zusammensetzung für durchaus plausibel: „Sie weicht nicht so weit ab von dem, was etwa die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt.“ Die Realität in Deutschland sehe allerdings anders aus: „Wir essen im Durchschnitt deutlich mehr Fleisch, Zucker und gesättigte Fettsäuren und weniger Gemüse und Hülsenfrüchte.“

Wo könnte man also ansetzen, um die Deutschen zumindest in die Richtung der EAT-Ernährung zu bewegen? Appelle helfen wenig, weiß die Expertin: „Es bräuchte eine bessere Kennzeichnung, zum Beispiel in Ampelfarben.“

 
Wir essen im Durchschnitt deutlich mehr Fleisch, Zucker und gesättigte Fettsäuren und weniger Gemüse und Hülsenfrüchte. Prof. Dr. Susanne Klaus
 

Auch eine Steuer für besonders ungesunde Produkte habe sich in anderen Ländern als wirksam erwiesen: „Da wäre etwas Druck von staatlicher Seite nicht verkehrt.“ Doch die Lebensmittelindustrie wehre sich dagegen „mit Händen und Füßen“. Die Lancet-Autoren fordern unter anderem Werbebeschränkungen für ungesunde Produkte.

Eine globale Revolution in der Landwirtschaft

Die Gesundheit ist aber nur der eine Aspekt – Lebensmittel müssten auch nachhaltiger produziert werden, mahnt der Lancet-Report. Derzeit verursache die Landwirtschaft 30% des Treibhauseffekts. Allein durch die Umstellung auf eine hauptsächlich pflanzliche Ernährung ließen sich bis 2050 rund 80% dieser Emissionen einsparen, heißt es im Report.

Ein weiteres Problem ist der Verbrauch an Land und Wasser: 70% des genutzten Süßwassers weltweit wird für die Bewässerung in der Landwirtschaft verwendet. In Afrika sind es sogar 82%. Durch neue Formen der Bewässerung könnte der Ertrag pro Fläche gesteigert werden.

Kleine und mittelgroße Betriebe müssten stärker gefördert werden, empfiehlt der Report, der Verbrauch an Phosphat-Dünger müsse auf rund ein Drittel der heutigen Menge sinken. Die Autoren fordern nicht direkt, die gesamte Produktion auf „bio“ umzustellen. Sie räumen aber ein, dass bei einer umweltfreundlicheren Produktion die Lebensmittelpreise steigen könnten.

 
Es ist eine Herausforderung: Nicht weniger als eine globale Revolution in der Landwirtschaft. Prof. Dr. Johan Rockström
 

„Es ist eine Herausforderung: Nicht weniger als eine globale Revolution in der Landwirtschaft“ sagt Prof. Dr. Johan Rockström, Leiter des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und einer der Leitautoren des Lancet-Reports: „Die gute Nachricht ist, dass wir zunehmend Belege dafür haben, dass das Ziel erreichbar ist.“ 

Gesundheit und Nachhaltigkeit zusammenzubringen „liegt in der Luft,“, sagt auch Klaus. Das DIfE hat zu dem Thema unter anderem eine Kooperation mit dem PIK gestartet.

Auf der Basis des Reports hat sich auch eine Organisation EAT gegründet, die den Wandel in der globalen Ernährung vorantreiben will. Initiatoren sind die schwedische Stordalen Foundation, das Stockholm Resilience Center und der Wellcome-Trust. EAT kooperiert auch mit Unternehmen, unter anderem mit Nestlé, Coop, Deloitte und Novo Nordisk.

 

Kommentar

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