Genf – Durvalumab allein oder in Kombination mit Tremelimumab ist in der Erstlinientherapie bei Patienten mit metastasiertem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (mNSCLC) nicht besser als die Chemotherapie. Weder auf das Gesamtüberleben noch die progressionsfreie Zeit zeigte sich eine Überlegenheit – auch nicht, wenn nur Teilnehmer ausgewertet wurden, deren Tumorzellen eine PD-L1-Expression von mindestens 25% aufwiesen.
Dieses enttäuschende Ergebnis der randomisierten offenen Phase-3-Studie MYSTIC hat Prof. Dr. Naiyer Rizvi, Leiter der Thoraxonkologie am Columbia University Medical Center, New York, beim ESMO Immuno-Oncology Congress in Genf vorgestellt [1]. Jedoch: „Auch wenn keine statistische Signifikanz erreicht wurde, verlängerte die Monotherapie mit Durvalumab das Gesamtüberleben im Median von 12,9 Monaten unter Chemotherapie auf 16,3 Monate, was klinisch von Bedeutung ist“, so Rizvi.
Exploratische Analysen deuteten außerdem darauf hin, dass insbesondere Patienten mit einer hohen Tumor-Mutationslast (TMB) von der Immuntherapie profitieren könnten, meinte er. „Die Ergebnisse der exploratorischen Analyse müssen in künftigen Studien untersucht werden. Die TMB kann mit einer einfachen Blutuntersuchung festgestellt werden, und dies könnte eine einfache Möglichkeit sein, Patienten für die Behandlung zu selektieren“, so der New Yorker Onkologe.
Patienten-Selektion wichtig
„Die Daten der MYSTIC-Studie demonstrieren eindrucksvoll, dass eine erfolgreiche Immuntherapie vor allem von der Selektion der zu behandelnden Patienten abhängig ist“, so Prof. Dr. Hans-Georg Kopp, Chefarzt der Abteilungen Molekulare Onkologie und Pneumologische Onkologie sowie Klinische Leitung Robert Bosch Centrum für Tumorerkrankungen, Stuttgart, auf Anfrage von Medscape.
Mit der PDL1-Expression stehe ein – immer wieder kritisierter – Biomarker zur Verfügung, der längst zulassungs- und damit praxisrelevant geworden sei. „Die TMB hat dasselbe Hauptproblem: Es handelt sich um einen kontinuierlichen Marker. Dementsprechend wird die Erfolgsrate der Therapie davon abhängen, wo die Schwellenwerte zwischen ‚hoch‘ und ‚niedrig‘ gesetzt werden“, erläutert Kopp weiter.
Es werde immer wieder auch Patienten geben, die trotz niedriger TMB auf eine Immuncheckpoint-Blockade ansprechen. Die TMB ignoriere die unterschiedliche Immunogenität verschiedener Mutationen, und sie lasse die Immunkompetenz des Patienten außer Acht. „Aus meiner Sicht handelt es sich um einen Übergangsmarker – solange bis wir spezifischere Bestimmungen der Tumor-Immunogenität durchführen können. Die Hoffnung bleibt, dass uns die Kombination von Markern exaktere Vorhersagen erlaubt. Dies wäre nicht nur medizinisch, sondern auch pharmako-ökonomisch äußerst wünschenswert.“
Immuntherapeutika in der Erstlinientherapie beim NSCLC
Eine Monotherapie mit PD-1- oder PD-L1-Inhibitoren hatte sich bei therapie-naiven und vorbehandelten Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC in verschiedenen klinischen Studien als klinisch aktiv erwiesen. Bei erhöhter PD-L1-Expression des Tumors wirkten diese Therapien besser.
Der PD-L1-Inhibitor Durvalumab ist für die Behandlung von Patienten mit nicht resezierbarem NSCLC im Stadium III zugelassen und hat sich in Phase-2- und Phase-3-Studien als klinisch aktiv bei stark vorbehandelten Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC erwiesen.
Auch die Kombination aus Durvalumab und dem CTLA-4-Inhibitor Tremelimumab war in einer Phase-1/2-Studie bei Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC wirksam, deren Tumor nach einer Platin-basierten Therapie progredient war.
Rizvi und seine Kollegen verglichen deshalb in der von AstraZeneca finanzierten, offenen, randomisierten multizentrischen MYSTIC-Studie Wirksamkeit und Verträglichkeit von Durvalumab (n=374) sowie der Kombination aus Durvalumab plus Tremelimumab (n=372) mit einer Platin-basierten Chemotherapie (n=372).
In die Studie wurden Patienten mit NSCLC im Stadium IV unabhängig von der PD-L1-Expression aufgenommen, die keine EGFR- oder ALK-Mutationen aufwiesen und bisher nicht mit Immun- oder Chemotherapie behandelt worden waren. Sie wurden nach der PD-L1-Expression (<25% vs ≥ 25%) und der Histologie stratifiziert.
Primäre Endpunkte nicht erreicht
Primäre Endpunkte waren in der Patientengruppe mit hoher PD-L1-Expression das progressionsfreie Überleben (PFS) unter der Immunkombination versus Chemotherapie sowie das Gesamtüberleben (OS) unter Durvalumab versus Chemotherapie und unter Immunkombination versus Chemotherapie.
Von den Patienten mit einer PD-L1-Expression ≥ 25% waren je 163 mit Durvalumab bzw. Durvalumab plus Tremelimumab und 162 mit Chemotherapie behandelt worden. Sie waren im Median 64 bis 65 Jahre, rund 70% davon waren Männer.
Das progressionsfreie Überleben betrug bei den Patienten der Immunkombinations-Gruppe 3,9 Monate, bei den Patienten der Chemotherapie-Gruppe 5,4 Monate, damit wurde dieser primäre Endpunkt mit einer Hazard-Ratio von 1,05 und einem p-Wert von 0,705 deutlich nicht erreicht.
Das Gesamtüberleben betrug unter Durvalumab-Monotherapie 16,3 Monate, unter Chemotherapie 12,9 Monate, der Unterschied war mit einer HR von 0,76 und einem p-Wert von 0,036 ebenfalls nicht signifikant (das vordefinierte Signifikanzniveau lag bei 0,03). Unter Durvalumab plus Tremelimumab betrug das OS im Median 11,9 Monate, unter Chemotherapie 12,9 Monate, die HR lag bei 0,85, der p-Wert bei 0,202.
Patienten mit hoher Tumormutationslast sprachen gut auf Immuntherapie an
In einer exploratischen Analyse überprüften Rizvi und seine Kollegen den Effekt der Tumormutationslast (TMB) auf die Wirkung der verschiedenen Therapieansätze. Als hohe TMB wurden mindestens 16 Mutationen pro Megabase definiert. Die TMB war bei 72,4% der Patienten bestimmt worden, von denen etwa 40% eine hohe TMB aufwiesen.
Wie aus anderen Studien bekannt, sprachen auch in der MYSTIC-Studie Patienten mit hoher TMB auf die Immuntherapie besonders gut an. Das OS betrug mit Durvalumab plus Tremelimumab 16,5 Monate im Vergleich zu 10,5 Monaten unter Chemotherapie (HR 0,62), mit Durvalumab alleine 11,0 Monate (HR 0,8). Bei niedriger TMB betrug das OS unter Durvalumab plus Tremelimumab 8,5 Monate, unter Durvalumab 12,2 Monate und unter Chemotherapie 11,6 Monate.
Die unerwünschten Wirkungen entsprachen dem, was aus bisherigen Studien bekannt war. Therapiebedingte Nebenwirkungen vom Grad 3/4 traten bei 14,6% der Patienten unter Durvalumab-Monotherapie, bei 22,1% unter Durvalumab plus Tremelimumab und bei 33,8% unter Chemotherapie auf. Sie führten bei 5,4%, 13,2 % bzw. 9,4% zum Absetzen der Behandlung.
Medscape Nachrichten © 2019
Diesen Artikel so zitieren: Nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom: Durvalumab und Tremelimumab enttäuschen in der Erstlinientherapie - Medscape - 17. Jan 2019.
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