Rivaroxaban in der Onkologie: Der DOAK senkt bei ambulant behandelten Krebspatienten das Thromboserisiko

Dr. Jürgen Sartorius

Interessenkonflikte

11. Januar 2019

Patienten mit Krebs haben bekanntlich ein – abhängig von der Art des Tumors – erhöhtes Risiko einer thrombotischen Komplikation. Zur Prävention bei besonders gefährdeten Patienten werden bislang hauptsächlich niedermolekulare Heparine eingesetzt. Eine großangelegte Studie hat jetzt die Thrombose-Prävention mit dem direkten oralen Antikoagulans (DOAK) Rivaroxaban bei Krebspatienten mit Placebo verglichen. Tatsächlich traten in der Verum-Gruppe signifikant weniger Beinvenenthrombosen auf, allerdings nur während die Behandlung andauerte.

Prof. Dr. Alok A. Khorana, Onkologe am Lerner College der Universität Cleveland, USA, stellte auf dem diesjährigen Kongress der American Society of Hematology (ASH) in San Diego die Multicenterstudie vor, die die primärprophylaktische Wirkung von Rivaroxaban bei ambulant therapierten Krebspatienten mit einem hohen Thromboserisiko über 6 Monate und länger untersuchte [1]. Das Studienprotokoll war mit der FDA abgestimmt.

 
Die in der Therapie der Thrombose wirksamen und sehr sicheren DOAKs haben bisher nur in der Primärprophylaxe nach elektivem Knie- und Hüftersatz eine Indikation. Prof. Dr. Hanno Riess
 

„Während die gültigen Leitlinien für Krebspatienten im stationären Krankenhausumfeld eine medikamentöse VTE-Prophylaxe empfehlen, sind die Aussagen bei ambulanten Tumorpatienten sehr vage. Im individuellen Einzelfall werden bisher niedermolekulare Heparine verordnet. Die vorliegende Studie ist daher hochrelevant“, urteilt Prof. Dr. Hanno Riess, Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie an der Charité Berlin. 

„Die in der Therapie der Thrombose wirksamen und sehr sicheren DOAKs haben bisher nur in der Primärprophylaxe nach elektivem Knie- und Hüftersatz eine Indikation“, erklärt Riess. „Nur für Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom liegen bislang Evidenzen zur wirksamen und klinisch relevanten Thromboseprävention bei ambulanten Krebspatienten vor.“

Signifikant wirksam nur solange die Behandlung andauert

In der Verum-Gruppe traten während der Behandlung bei 11 von 420 (2,62%) und in der Placebo-Gruppe bei 27 von 421 (6,41%) Patienten vorab definierte thromboembolische Ereignisse auf (jede symptomatische oder symptomlose tiefe Venenthrombose, Lungenembolie oder dadurch verursachter Tod). Hier ergab die orale Prophylaxe ein signifikant geringeres Risiko (Hazard Ratio: 0,4 und p: 0,007) gegenüber Placebo.

Bezog die Statistik allerdings die Beobachtungen an Patienten bis 180 Tage nach Ende der Therapie mit ein, fielen die Ergebnisse zwischen den Studienarmen weniger deutlich aus und die Signifikanz ging verloren. So war auch der Unterschied in der Mortalität zwischen der Rivaroxaban- (23,1%) und der Placebo-Gruppe (29,5%) mit einer HR von 0,75 (p: 0,03) insgesamt geringer. Insgesamt wurden über ein Drittel der thromboembolischen Ereignisse (38,7%) nach Beendigung der Rivaroxaban-Therapie dokumentiert.

 
Nur für Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom liegen bislang Evidenzen zur wirksamen und klinisch relevanten Thromboseprävention bei ambulanten Krebspatienten vor. Prof. Dr. Hanno Riess
 

 „Diese Unterscheidung in die Zeiträume während und nach der DOAK-Gabe zeigt die Wirksamkeit der Thrombose-Prophylaxe umso deutlicher“, bemerkt Riess. „Das Design der Studie wurde dazu durchaus sinnvoll gewählt.“

Nebenwirkung Blutungen nicht häufiger als erwartet

Allerdings kam es parallel dazu unter Rivaroxaban zu 8 (1,98%) und unter Placebo zu 4 Fällen (0,99%) von schweren Blutungen (HR: 1,96; p: 0,265). Die Unterschiede bei leichten Blutungen und anderen Nebenwirkungen fielen zwischen beiden Gruppen geringer aus. Das Auftreten von 2% schwerer Blutungsereignisse wäre in einer solchen Patientenpopulation allerdings auch mit klassischen Antikoagulantien zu erwarten, legten die Autoren dar.

„Tumorpatienten tragen unter einer medikamentösen Behandlung primär ein erhöhtes Risiko für Blutungskomplikationen“, bestätigt Riess. „Betrachtet man die Raten schwerer unerwünschter Ereignisse (SAE: 43,3% vs 41,5%) bzw. der zum Tod führenden SAE (26,2% vs 21,9%) mit günstigeren Werten für den Rivaroxaban-Arm, so relativiert sich die Rate lebensbedrohlicher Blutungskomplikationen.“

Studienprotokoll von bisheriger klinischer Praxis abweichend

Eingeschlossen in die Studie wurden Patienten mit einem nach dem Studienautor Khorana benannten Thromboserisiko-Score von mindestens 2. Dieser Score kategorisiert das VTE-Risiko je nach Tumorentität sowie allgemein verfügbaren Routinelaborparametern und dem Body-Mass-Index zwischen 0 und 6. Die Einschätzung des Thromboserisikos mittels des Scores erleichtere es, besonders gefährdeten Krebspatienten eine Prophylaxe zu gewähren, schreiben die Autoren in der Diskussion.

841 Patienten, die zu Studienbeginn keine tiefe Beinvenenthrombose (DVT) aufwiesen, erhielten täglich entweder 10 mg Rivaroxaban oder Placebo. Die Behandlung wurde bis zu 180 Tagen durchgeführt und die Teilnehmer bis zu 180 Tage nach Therapieende weiterbeobachtet. Dazu wurden sie über den Studienverlauf alle 8 Wochen mittels Ultraschall untersucht, um auch asymptomatische Thrombosen zu detektieren.

 „Das verwendete Studienprotokoll entspricht allerdings nicht der bisherigen klinischen Praxis. Durch die Ultraschalluntersuchung der Beinvenen vor Studieneinschluss wurden etwa 5% der Tumorpatienten mit asymptomatischer VTE identifiziert, dann therapeutisch antikoaguliert und damit von der Studienteilnahme ausgeschlossen“, wendet Riess ein. „Diese Patienten hätten – ohne therapeutische Antikoagulation – vermutlich ein besonders hohes Risiko, während der Studie eine symptomatische Thrombose zu entwickeln.“

Dennoch sprechen die Daten eindeutig für die Wirksamkeit (Number Needed to Treat (NNT): 26) und Sicherheit (Number Needed to Harm (NNH): 101) der primären VTE-Prophylaxe mit Rivaroxaban. Diese prinzipiellen Ergebnisse wurden in einer kleineren Studie mit dem DOAK Apixaban und anderem Studiendesign bestätigt (wir berichteten) [2].

 

Kommentar

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