Mit einer Gewichtsabnahme sinkt bekanntlich auch der Grundumsatz und damit der Kalorienverbrauch. Wird die Energiezufuhr nicht entsprechend angepasst, ist die Gewichtszunahme oft programmiert. In wie weit sich dieser physiologische Prozess durch die Zusammensetzung der Nahrung beeinflussen lässt, hat eine im British Medical Journal (BMJ) publizierte Studie anhand von 3 Erhaltungsdiäten untersucht, bei denen das Verhältnis von Kohlenhydraten zu Fett gezielt variiert worden ist [1].
„Jede 10% weniger Kohlenhydrate in der Nahrung steigern den täglichen Gesamt-Energieumsatz im Mittel um 52 Kilokalorien“, stellten Dr. Cara Ebbeling vom Boston Children’s Hospital in Boston, USA, und ihre Mitautoren fest. Für sie steht dieser verheißungsvolle Trend im Einklang mit dem Kohlenhydrat-Insulin-Modell, mit dem Co-Autor Prof. Dr. David Ludwig das komplexe Stoffwechselgefüge von Gewichtsabnahme und Gewichtserhalt zu erklären versucht.
Lieber Fette als Kohlenhydrate verbrennen
Ludwig sieht den primären Angriffspunkt für eine nachhaltige Gewichtskontrolle in erster Linie auf hormonaler Ebene, wobei dem Insulin eine Schlüsselrolle zufällt: Je mehr schnell verwertbare Kohlenhydrate zirkulieren, umso höher der Insulin-Spiegel; je höher der Insulin-Spiegel, umso mehr überschüssige Energie wird in den Fettzellen gespeichert. Nimmt der Körper stattdessen mehr Fett anstelle von Kohlenhydraten auf, vermag er seinen Energiebedarf vor allem über den Fettstoffwechsel zu decken, so bliebt der Insulin-Spiegel niedrig und der Hunger wird in Schach gehalten.

Prof. Dr. Hans Hauner
Allerdings: „Das Kohlenhydrat-Insulin-Modell bleibt umstritten“, äußert Prof. Dr. Hans Hauner, Ärztlicher Direktor des Else-Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin der Technischen Universität München am Klinikum rechts der Isar, gegenüber Medscape. Insulin werde zweifellos benötigt, um aus überschüssigen Kohlenhydraten Fette zu bilden, aber die Fettsynthese aus Kohlenhydraten sei beim Menschen unter üblichen Ernährungsbedingungen recht niedrig.
„Erst ab einer Kohlenhydratzufuhr von mehr als 400 g pro Tag steigt sie deutlich an, wohl um überschüssige Energie einzulagern“, so Hauner weiter. Ein teilweise stark übergewichtiges Teilnehmer-Kollektiv mit recht unterschiedlicher Insulinresistenz, die kompensatorisch zu einer erhöhten Insulinsekretion führe, mache es auch bei der gegenwärtigen Studie schwer abschätzbar, inwieweit die hier gemessenen hohen Insulinspiegel mit einer gesteigerten Fetteinlagerung zusammenhingen.
3 Testdiäten mit unterschiedlichem Kohlenhydratgehalt
In die randomisierte Studie hatten die US-amerikanischen Wissenschaftler 164 übergewichtige Erwachsene im Alter von 18 bis 65 Jahren mit einem Body-Mass-Index (BMI) von mindestens 25 kg/m² aufgenommen. Diese hatten zuvor im Verlauf einer 10-wöchigen Reduktionsdiät ihr Körpergewicht im Schnitt um 9,6 kg (10,5%) senken können. Danach wurden die Probanden zufällig einer von 3 Testdiäten mit unterschiedlichem Kohlenhydrat-Anteil an der Gesamtenergie-Aufnahme zugeführt: 60% (High Carb), 40% (Moderate) und 20% (Low Carb). Dies mit dem Ziel das reduzierte Gewicht zu halten.
„Um die Gesamtzufuhr an Energie konstant zu halten, erhöhten wir den Fettgehalt entsprechend von 20% auf 40% bzw. 60% bei einem gleichbleibenden Protein-Anteil von 20%“, schreiben die Autoren. Auf diese Weise nahmen die Studienteilnehmer 20 Wochen lang täglich 2.000 Kilokalorien an zugeteilter Nahrung zu sich, deren Zusammensetzung an Makronährstoffen festgeschrieben war.
Erfasst wurden das Körpergewicht sowie der Gesamt-Energieumsatz unter Anwendung der Doubly-Labeled-Water-Methode, mit der sich der Gesamt-Energieverbrauch eines Probanden im Alltag präzise messen lässt.
Mit Low Carb werden die meisten Kalorien verbraucht
Wie Ebbeling und ihre Mitautoren feststellten, erwies sich die Low-Carb-Diät als besonders effektiv. Im Vergleich zu High-Carb-Diät verbrannten die Probanden mit der Diät mit moderatem Kohlenhydrat-Anteil 91 kcal/Tag mehr (intention-to-treat: 95%-Konfidenzintervall: −29 bis +210) und jene mit der Low Carb-Diät sogar 209 kcal/Tag mehr (95%-KI: +91 bis +326). Die Per-Protokoll-Analyse erbrachte mit 131 kcal/Tag bzw. 278 kcal/Tag ein ebenso deutliches Ergebnis (p < 0,001).
Um die Rolle des Insulins dabei zu analysieren, hatten die Wissenschaftler vor Studienbeginn anhand eines oralen Glukose-Toleranz-Tests (OGGT) die Insulin-Konzentration bestimmt und die Probanden in 3 Konzentrationsklassen eingeteilt.
„Unter den Probanden mit einer Insulin-Sekretion im obersten Drittel war der Unterschied zwischen Low Carb und High Carb mit 308 kcal/Tag (Intention-to-Treat) bzw. 478 kcal/Tag (Per-Protokoll-Analyse) am stärksten ausgeprägt“, schreiben die Autoren. Falls dieser Trend anhielte und die Kalorienzufuhr nicht ansteige, könnte sich das Gewicht unter idealen Bedingungen innerhalb von 3 Jahren so um weitere 10 kg reduzieren, lautet ihre Schlussfolgerung.
Low Carb wirkt auf weitere Hormone günstig
Die Wissenschaftler überprüften auch die Auswirkung der Diäten auf 2 Hormone, die an der Regulation des Hunger- und Sättigungsgefühls beteiligt sind. „Ein völlig neuer Befund ist, dass der Spiegel des Gastrointestinal-Hormons Ghrelin bei den Low-Carb-Probanden signifikant deutlicher sinkt als bei den High-Carb-Probanden“, schreiben die Autoren. Der Leptin-Spiegel steige dagegen an, bleibe aber am Ende bei der Low-Carb-Diät ebenfalls deutlich unter den Werten für die beiden Vergleichsdiäten.
Ebbeling und Co-Autoren werten diese Ergebnisse als Hinweis, dass die Low-Carb-Diät bezüglich des Energiestoffwechsels für ein günstiges hormonales Umfeld sorgen könnte. Von Leptin ist bekannt, dass es volle Energiespeicher signalisiert, während Ghrelin den Appetit steigert, die Fettablagerung fördert und den Gesamtenergieumsatz erniedrigt.
Entscheidend ist, wie lange Diätkonzept eingehalten wird
Mit allen 3 Diät-Varianten gelang es den Probanden, ihr reduziertes Gewicht stabil zu halten. Innerhalb der 20 Wochen brachte, so gesehen, die Low-Carb-Diät trotz des höheren täglichen Kalorienverbrauchs keinen Vorteil. „In wie weit diese Diät-Varianten auf lange Sicht auch zu unterschiedlichen Gewichtsverläufen führen können, bleibt offen“, stellt Hauner fest. Bisherige vergleichende Studien zu Low-Fat- versus Low-Carb-Diäten hätten allerdings keine wesentlichen Gewichtsunterschiede erbracht.
Aus Sicht des Münchner Ernährungsmediziners kann es deshalb dem Patienten überlassen bleiben, welche Kostform er vorzieht. „Während Frauen eher pflanzlich betonte Diäten zur Gewichtsreduktion wählen, ist für Männer oft wichtig, dass sie weiterhin reichlich Fleisch essen können“, berichtet er.
Entscheidend sei letztlich, welches Konzept die besten Chancen verspricht, dass es auch auf längere Sicht eingehalten wird. Vor allem aber gilt: Ohne, dass ein Kaloriendefizit erreicht wird, gibt es keinen Erfolg und dieser hängt laut Hauner auch nicht von Genotypen ab, bei denen Kohlenhydrat- bzw. Fettkonsum dominieren, wie Untersuchungen am Münchner Zentrum für Ernährungsmedizin ergeben haben.
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Diesen Artikel so zitieren: Erleichtert Low Carb das Gewichthalten? Erhaltungsdiät mit wenig Kohlenhydraten steigert in Studie den Energieverbrauch - Medscape - 28. Dez 2018.
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