CAR-T-Zellen gegen Lymphome: Langzeitdaten belegen anhaltende Wirkung bei ALL und DLBCL – „manchmal Aussicht auf Heilung“

Zosia Chustecka

Interessenkonflikte

14. Dezember 2018

San Diego – Neue Langzeitergebnisse mit CAR-T-Zellen (chimäre Antigenrezeptor-T-Zellen) belegen ihre dauerhafte Wirkung. Bei vielen Patienten ist diese sogar recht ausgeprägt und hält mehrere Jahre an. Das war das Fazit eines Presse-Briefings zur CAR-T-Zelltherapie beim Jahreskongress der American Society of Hematology (ASH) 2018.

„Wir finden hier bestätigt, dass diese Behandlungsansätze nicht nur vorübergehend von Erfolg gekrönt sind … Geht man von einer anhaltenden Wirksamkeit dieser Therapien aus, gibt es Patienten, für die wirklich die Aussicht auf Heilung besteht“. So kommentierte Dr. Joseph Alvarnas von der City of Hope im kalifornischen Duarte, der auch das Briefing moderierte, die Ergebnisse.

Während das Datensammeln voranschreitet und nun beinahe die 3-Jahres-Marke erreicht sei, „wächst in uns die Überzeugung, dass dieses Verfahren das Wesen der Krankheit für einige Patienten tatsächlich verändert“, sagte er gegenüber Medscape.

„Bei anderen Therapieansätzen konnten wir auch Ersterfolge beobachten, doch ließ die Wirkung mit der Zeit nach und die Patienten erlitten Rezidive. Aber jetzt ist zu sehen, dass diese CAR-T-Zellen im Körper aktiv bleiben“, erklärte er.

Patienten, die auf die Behandlung ansprechen, entwickeln als Nebenwirkung eine B-Zell-Aplasie. Das sei eine Bestätigung dafür, dass die CAR-T-Zellen im Körper verbleiben, kommentierte er. „Es handelt sich um eine „living drug“, und es zeige, dass die Zellen weiterleben und weiter aktiv seien.

Aber das gelte nicht für jeden. „Es gibt eine Subgruppe von Patienten, bei denen die Wirkung nicht dauerhaft ist und die großen Fragen sind jetzt, wie man diese Personen identifiziert und was man ihnen dann anbieten kann“, sagte Alvarnas.

Auf dem ASH-Kongress gab es zu beiden Fragen Hinweise und Antworten.

 
Geht man von einer anhaltenden Wirksamkeit dieser Therapien aus, gibt es Patienten, für die wirklich die Aussicht auf Heilung besteht. Dr. Joseph Alvarnas
 

Durch eine Immunglobulin-Sequenzierung der nächsten Generation (NGS; next generation sequencing) können Rezidive deutlich früher erkannt werden, da der Test empfindlicher ist als bisherige Verfahren. Er wird daher zur Beurteilung einer minimalen residuellen Resterkrankung (MRD) eingesetzt. Dies bietet auch die Möglichkeit, die Patienten mit dem deutlichsten Ansprechen, die wahrscheinlich keine weitere Therapie benötigen, herauszufiltern und diejenigen Patienten zu identifizieren, für die eine andere Intervention sinnvoller wäre.

Was mit den Patienten als nächstes geschehen soll, ist noch unklar. Es wird intensiv diskutiert, ob sie von einer allogenen Transplantation hämatopoetischer Stammzellen (HSCT) profitieren würden oder nicht. Das scheint davon abzuhängen, ob sie bereits zuvor eine solche erhalten hatten.

Eine weitere Option, die untersucht wird, ist die Ergänzung mit weiteren Therapien: Eine kleine Studie deutet darauf hin, dass der Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren wie Pembrolizumab und Nivolumab, die die „Bremse“ am Immunsystem lösen, das Ansprechen wieder verbessert, wenn die Aktivität nachgelassen hat.

Längerfristige Daten bei Leukämie

Das längste Follow-up einer CAR-T-Zelltherapie gibt es bei Kindern und Jugendlichen mit rezidivierender/refraktärer akuter lymphatischer Leukämie (ALL). Die erste Patientin, Emily Whitehead, ist noch am Leben und das mehr als 8 Jahre nach der Zellinfusion.

Der Arzt, der sie und viele weitere Patienten behandelt hat, ist Dr. Stephan Grupp vom Children's Hospital of Philadelphia in Pennsylvania. Auf dem ASH-Meeting präsentierte er eine 24-monatige Follow-up-Analyse der maßgeblichen ELIANA-Studie.

„Dieses war die erste weltweite Studie zur CAR-T-Zell-Therapie mit globaler Unterstützung“, sagte er. „Die 2-Jahres-Analyse ist ein Meilenstein auf diesem Gebiet, da es sich um die bisher längsten Follow-up-Daten einer Multicenter-CAR-T-Zellstudie bei Patienten handelt, die auf andere Therapieverfahren nicht angesprochen haben“, fügte er hinzu.

Die 79 beurteilbaren Patienten wurden mindestens 3 Monate oder bis zu einem früheren Abbruch beobachtet. 82% erreichten innerhalb von 3 Monaten nach der Therapie eine komplette Remission oder eine komplette Remission mit unvollständiger Blutbild-Erholung. Von den Patienten, die auf die Therapie angesprochen hatten, zeigten 98% eine negative MRD.

Die rezidivfreie Überlebensrate nach 24 Monaten betrug 62%. Die mittlere Remissionsdauer und das mittlere Gesamtüberleben wurden noch nicht erreicht. Die Wahrscheinlichkeit für ein Gesamtüberleben nach 12 Monaten betrug 76% und nach 24 Monaten 66%.

Diese Daten bestätigten, dass viele Patienten ein nachhaltiges und dauerhaftes Ansprechen zeigten, sagte er. „Die Tatsache, dass sich die Mehrheit der ELIANA-Patienten mit Response nach einer einmaligen Infusion noch so lange in Remission befindet, lässt KYMRIAH® (Tisagenlecleucel) weiterhin als eine wirklich transformative Behandlungsoption erscheinen“, führte er in seiner Erklärung aus.

Grupp wies darauf hin, dass bei einigen Patienten die einmalige Infusion von CAR-T-Zellen ausreichend zu sein scheint. Er stellte fest, dass Patienten, bei denen am 28. Tag nach der Infusion anhand des NGS-Tests keine MRD im Knochenmark festgestellt werden konnte, möglicherweise keine weitere Therapie (wie z.B. eine Stammzell-Transplantation) brauchen.

Die Analyse zeigte keine neuen Sicherheitssignale. Und das Nebenwirkungsprofil stimmte mit dem überein, was zuvor berichtet worden war. Bei 49% der Patienten kam es zum Cytokin-Release-Syndrom (CRS) vom Grad 3/4, wie es durch die strenge Penn Grading Scale definiert ist (eine auf CAR-T-Zell-Behandlungen zugeschnittenes System, ähnlich den Common Toxicity Criteria [CTC]). Innerhalb von 8 Wochen nach der Infusion erlebten 13% der Patienten neurologische Grad-3-Ereignisse, jedoch keine Grad-4-Ereignisse und keine Hirnödeme.

Längerfristige Daten beim Lymphom

Die andere Indikation, bei der eine Zulassung für die CAR-T-Zellen besteht, ist die Behandlung von Erwachsenen mit rezidivierendem/refraktärem, diffusem, großzelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL).

Längerfristige Daten zu Tisagenlecleucel stammen aus der JULIET-Studie, die Dr. Richard Thomas Maziarz vom Oregon Health & Science Knight Cancer Institute in Portland auf dem Kongress vorgestellt hat und die gleichzeitig online im New England Journal of Medicine veröffentlicht worden sind.

Dabei handelte es sich um eine 19-monatige Analyse an 99 Patienten, die mindestens 3 Monate lang beobachtet worden waren. Die Gesamtansprechrate nach einem Follow-up von durchschnittlich 19 Monaten betrug 54% (mit einer kompletten Remissionsrate von 40% und einer partiellen von 13%).

„Wir sehen eine Veränderung in normalen Ablauf der Krankheit“, fügte Maziarz während des Briefings hinzu. Bislang habe man bei Patienten mit einem rezidivierendem/refraktärem Verlauf, die mehrere Chemotherapien und Stammzell-Transplantationen hinter sich hatten, nur selten eine komplette Remission beobachtet, und zwar bei unter 10% der Patienten.

Bemerkenswert sei, dass 54% der Patienten, die zunächst eine partielle Remission erfahren hatten, am Ende eine komplette Remission erreichten, was darauf hindeute, dass das Zellprodukt in vivo auch langfristig aktiv bleiben könne.

Die mittlere Remissionsdauer wurde bis zum Analysezeitpunkt nicht erreicht. Das bedeutet, dass die meisten Befragten zu diesem Zeitpunkt noch auf die Therapie ansprachen. Die Wahrscheinlichkeit der Rezidiv-Freiheit lag nach 6 Monaten bei 66% und blieb zwischen der 12- und der 18-Monatsanalyse konstant bei 64%.

Das mittlere Gesamtüberleben für alle behandelten Patienten betrug 11,1 Monate und wurde für Patienten mit kompletter Remission bisher noch nicht erreicht. Die Überlebenswahrscheinlichkeit betrug 48% nach 12 Monaten und 43% nach 18 Monaten (maximales Follow-up 29 Monate).

„Wir sehen, dass das Ansprechen nachhaltig ist“, kommentierte Maziarz weiter. „Es gibt viele Patienten, die krankheitsfrei bleiben.“

Das während des 19-monatigen Follow-up beobachtete Sicherheitsprofil entsprach dem, was zuvor berichtet worden war. Behandlungsbedingte Todesfälle kamen nicht vor. Ein Cytokin-Release-Syndrom (CRS, Zytokin-Freisetzungssyndrom) Grad 3/4 auf der Penn Grading Scale wurde bei 23% der Patienten festgestellt und mit Tocilizumab (bei 16%) und Steroiden (bei 11%) behandelt. Neurologische Nebenwirkungen des Grades 3/4 sah man bei 11% der Patienten. Sie wurden entsprechend behandelt.

„Die CAR-T-Zellentherapie ist eine potenziell lebensrettende Alternative für diese Patienten. Ihnen steht jetzt eine Therapie zur Verfügung, mit der sie auch nach dem Scheitern anderer Therapien, einschließlich der Stammzell-Transplantationen, dauerhafte Remissionen erreichen können“, kommentierte Dr. Stephen J. Schuster, Direktor des Lymphom-Programms am Abramson Cancer Center der University of Pennsylvania in Philadelphia, und Erstautor der Arbeit.

Eine weitere CAR-T-Zelle gegen Lymphome

Längerfristige Daten von Patienten mit rezidivierendem/refraktärem, diffusem, großzelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL) wurden auf dem Kongress auch für das andere CAR-T-Zell-Therapeutikum vorgestellt, das für diese Indikation zugelassen ist: Axicabtagen ciloleucel (Axi-cel, vermarktet als YESCARTA®, Kite/Gilead).

Die 2-Jahres-Follow-up-Daten aus der ZUMA-1-Studie wurden von Prof. Dr. Sattva Neelapu, Experte für Lymphome und Myelome am MD Anderson Cancer Center der University of Texas in Houston, vorgestellt und gleichzeitig in The Lancet Oncology online publiziert.

 
Bei einer Subgruppe von Patienten ist die Wirkung nicht dauerhaft ist und die großen Fragen sind jetzt, wie man diese Personen identifiziert und was man ihnen dann anbieten kann. Dr. Joseph Alvarnas
 

„Diese zweijährige Studie zeigt, dass ein erheblicher Teil der Patienten unter Axi-cel dauerhafte Remissionen bei einem akzeptablen langfristigen Sicherheitsprofil erfahren kann“, sagte Neelapu. „Es gibt auch bei den meisten Patienten mit refraktärem DLBCL, für die ansonsten nur begrenzte Therapiemöglichkeiten zur Verfügung stehen, Hinweise auf eine allmähliche B-Zell-Erholung.“

Die neue Analyse mit einem mittleren Follow-up von 27,1 Monaten bei 101 Patienten ergab bei 83% ein objektives Ansprechen. 58% hatten eine komplette Remission und 39% zeigten ein anhaltendes Ansprechen.

Das mittlere Gesamtüberleben wurde nicht erreicht, das mittlere progressionsfreie Überleben betrug 5,9 Monate, berichtete das Team.

Etwa die Hälfte der bewerteten Patienten (52 von 108 = 48%) hatte schwere Nebenwirkungen des Grades 3 oder mehr. Dazu gehörten das CRS bei 12 Patienten (11%) und neurologische Ereignisse bei 35 Patienten (32%), berichteten sie weiter.

Auf die Frage, wie diese Daten zu YESCARTA® im Vergleich zu denen über KYMRIAH® bei Patienten mit rezidivierendem/refraktärem DLBCL zu bewerten seien, antwortete Maziarz, dass die Ergebnisse zur Wirksamkeit im Großen und Ganzen ähnlich seien, dass aber die Nebenwirkungen und Kosten bei beiden Produkten unterschiedlich seien.

Die Kosten und ihre Erstattung bleiben ein Problem

Die enormen Kosten für die CAR-T-Zelle-Therapie plus die Kosten für die medizinische Versorgung, die bei der Behandlung von Patienten nach diesem neuen Verfahren anfallen, haben große Probleme bei der Frage der Kostenerstattung aufgeworfen, wie Medscape bereits berichtet hat.

Grupp sagte jedoch bei der Pressekonferenz, dass es bisher in der spezifischen Patientenpopulation, d.h. bei Kindern und jungen Erwachsenen unter 21 Jahre mit rezidivierender/refraktärer ALL, „in keiner Weise wegen Kostenfragen seitens der Versicherungsträger zu Beeinträchtigungen in der Versorgung dieser Patienten gekommen ist“.

Grupp hat seit der Zulassung durch die FDA im August 2017 insgesamt 30 Betroffene mit KYMRIAH® behandelt. Er sagte, er habe keine Probleme damit gehabt, dass kommerzielle Versicherer die Kosten für die Behandlung übernommen hätten. Einige Patienten hätten diese Therapie auch über Medicaid erhalten, und „auch wenn dies von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich gehandhabt wird und wir immer wieder das Rad neu erfinden müssen, wurden die Kosten für diese Patienten letztlich auch übernommen“, sagte er.

„Hinsichtlich der Kostenerstattungsfrage für das Produkt laufen die Dinge gut und was die Erstattung der Krankenhauskosten betrifft, scheint dies in den meisten Fällen auch kein Problem zu sein“, sagte Grupp, betonte aber, dass dies ein „pädiatrie-typisches“ Gebaren sei.

Für Erwachsene mit rezidivierendem/refraktärem, diffusem, großzelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL) sähe die Sache ganz anders aus, fuhr Maziarz fort. Viele der älteren Patienten seien bei Medicare, und es hätte große Probleme bei der Erstattung durch diesen Versicherer gegeben. Vor allem betreffe das die Kosten für die stationäre Versorgung, wenn diese neuen „living drugs“ in diesem Bereich eingesetzt würden. „Die Therapien entwickeln sich schneller, als unsere Gesundheitssysteme dies bewältigen können“, sagte er.

Es gäbe Pläne, die Verfahren in den ambulanten Bereich zu verlegen, aber dann würden Probleme auftreten, wenn es zu Komplikationen käme und der Patient in die stationäre Pflege überführt werden müsste, erklärte er.

Derzeit bedeuteten die Erstattungsprobleme, dass einige Kliniken pro Patient Verluste einfahren, und das könne kein Dauerzustand werden, fügte Alvarnas hinzu. Er war an Gesprächen zwischen der ASH und den Centers for Medicare & Medicaid Services (CMS) beteiligt, und man mache Fortschritte dabei, „neue Ansätze für die Erstattungsfragen zu finden“, sagte er.

Die mit einer CAR-T-Zelltherapie verbundenen Kosten etwa bei einer aufkommenden CRS oder neurologischen Nebenwirkungen seien so zuvor noch nicht gesehen worden, sodass neue Abrechnungswege geschaffen werden müssten.

Auch andere Länder haben mit Erstattungsfragen für CAR-T-Zellen zu kämpfen.

So hat beispielsweise das National Institute for Clinical Excellence (NICE) in Großbritannien kürzlich den Einsatz von KYMRIAH® für pädiatrische Patienten mit rezidivierender/refraktärer ALL als kosteneffizient zugelassen, was bedeutet, dass dieses Produkt beim National Health Service in England und Wales erhältlich ist.

Das NICE lehnte jedoch seine Verwendung zur Behandlung von Erwachsenen mit rezidivierendem/refraktärem DLBCL als nicht kosteneffektiv ab, entschied allerdings, dass die andere CAR-T-Zelle, YESCARTA®, bei dieser Indikation kosteneffektiv sei.

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

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