Acetylsalicylsäure (ASS) und die Omega-3-Fettsäure Eicosapentaensäure (EPA) haben offenbar einen gewissen Effekt in der Prävention von Rezidiven nach der Entfernung von kolorektalen Adenomen, wie eine Studie aus Großbritannien zeigt. „Wir haben zwar keinen Beweis dafür gefunden, dass ASS oder EPA die Zahl der Patienten mit erneuten Adenomen nach einem Jahr beeinflussen“, berichten Prof. Dr. Mark A. Hull vom Institute of Biomedical and Clinical Sciences am St James’s University Hospital, Leeds, und seine Koautoren im Lancet. Aber die beiden Substanzen reduzierten die Gesamtzahl an neuen Adenomen sowie das Auftreten bestimmter Adenom-Typen [1].
Wissenschaftlich seien diese Ergebnisse durchaus interessant, sagt PD Dr. Christian Pox, Chefarzt der Medizinischen Klinik am St. Joseph-Stift Bremen, auf Nachfrage von Medscape. Aber „ein Ersatz für die endoskopische Nachsorge nach Polypektomie oder auch nur ein Grund für die Verlängerung der Intervalle zwischen den Kontroll-Koloskopien ist die Einnahme von ASS und EPA nicht“, stellt der Darmkrebs-Experte, der unter anderem die S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom mitkoordiniert hat, klar.
Beim Screening entdeckt
Hull und seine Kollegen analysierten die Chemoprävention mit ASS und EPA bei 55- bis 73-jährigen Patienten, die an einem qualitätsgesicherten, nationalen Darmkrebs-Screening-Programm teilgenommen hatten. Bei Koloskopien waren bei ihnen entweder mindestens 3 Adenome (mindestens 1 ≥ 10 mm) oder mindestens 5 Adenome (< 10 mm) entdeckt und entfernt worden.
Insgesamt wurden 709 Patienten randomisiert. Im Verhältnis 1:1:1:1 erhielten sie entweder 2 g EPA, 300 mg ASS, eine Kombination aus 300 mg ASS und 2 g EPA oder ein Placebo zur täglichen Einnahme und dies über 1 Jahr. Weder die Patienten noch das Studienpersonal kannten die jeweilige Zuteilung.
Hohe Rezidivrate
Als primären Endpunkt wählten die Wissenschaftler den Anteil an Patienten, bei dem bei der Kontrollkoloskopie nach einem Jahr mindestens ein neues Adenom entdeckt wurde. Und das Ergebnis fiel negativ aus: Nach einem Jahr fanden Hull und sein Team in der EPA-Gruppe bei 63%, in der ASS-Gruppe bei 61%, in der ASS+EPA-Gruppe bei 61% und in der Placebogruppe bei 61% erneut mindestens ein Adenom.
Immerhin wurden EPA und ASS gut vertragen. Nur die Zahl der gastrointestinalen Komplikationen war in der EPA-Gruppe höher als in den anderen Gruppen – auch als in der ASS+EPA-Gruppe. Und ASS war nicht mit mehr gastrointestinalen Blutungen verbunden als die anderen Interventionen.
Positive sekundäre Endpunkte
Die gute Verträglichkeit war allerdings nicht der einzige Pluspunkt der Supplementation mit ASS und EPA. Ein Blick auf die sekundären Endpunkte der Studie zeigte: „ASS und EPA reduzierten zwar nicht die Zahl der Patienten mit kolorektalen Adenomen, doch beide verringerten Rezidive bestimmter Subtypen von Adenomen“, berichten die Autoren um Hull. So hatte EPA einen Effekt auf die Prävention links lokalisierter und konventioneller Adenome, nicht aber auf rechts lokalisierte und serratierte Adenome. Und die ASS-Behandlung war mit einer statistisch signifikanten Abnahme an konventionellen kolorektalen Adenomen assoziiert, aber auch einer Abnahme rechts lokalisierter und serratierter Läsionen.
Außerdem verringerten ASS und die Kombination aus ASS und EPA sowohl die durchschnittliche Zahl an Adenomen pro Teilnehmer als auch die Gesamtzahl an Adenomen, die pro Gruppe gefunden wurde.
Hall und seine Kollegen erklären, dass sie die Adenom-Nachweisrate als primären Endpunkt gewählt hätten, da dies auch in früheren Präventionsstudien so gehandhabt worden sei. Doch möglicherweise sei das nicht der beste Endpunkt für randomisiert-kontrollierte Studien zur Prävention von Darmpolypen, räumen sie ein.
„Ambitionierter Endpunkt“
Und auch Pox betont: „Der primäre Endpunkt, den die Autoren hier gewählt haben, war sehr ambitioniert, da es sich bei den Patienten um ein Hochrisikokollektiv handelte. Die Wahrscheinlichkeit, dass solche Patienten nach einem Jahr erneut ein Adenom haben, ist hoch – wie sich anhand der Rezidivrate von 61 bis 63% bestätigte.“
Insbesondere aufgrund der immer besseren Koloskopiequalität gewinne die durchschnittliche Zahl an Adenomen pro Teilnehmer zunehmend an Glaubwürdigkeit als Endpunkt-Parameter in Studien zur Prävention von Polypen, so Hull und seine Kollegen.
„Zusammen mit der Evidenz aus Beobachtungsstudien, dass ASS langfristig das Darmkrebsrisiko reduziert, kombiniert mit einer Reduktion der Zahl kolorektaler Adenome in früheren Polyppräventionsstudien gehen Hull und sein Team davon aus, dass sich die „in unserem Artikel berichteten Effektgrößten langfristig in eine klinisch bedeutsame Verringerung des Darmkrebsrisikos übersetzen werden“.
Einfluss auf die Praxis begrenzt
Auch Pox stimmt zu, dass die sekundären Endpunkte in dieser Studie von Relevanz sind, von einer Bedeutung für die Praxis ist er aber alles andere als überzeugt: „Für die Praxis interessant wäre ein Medikament oder eine Supplementation, die es erlauben würde, die Kontrollintervalle zu verlängern.“ Die Nachsorgeintervalle nach Polypektomie variieren abhängig von Anzahl, Größe und Histologie der Polypen. Häufig sind es 3 Jahre, es können aber auch 1 oder 5 Jahre sein. „Solange wir in diesen regelmäßigen Abständen koloskopieren (müssen), werden wir auch alle Rezidive früh genug entdecken und entfernen können, unabhängig davon, ob der Patient nun ASS und EPA eingenommen hat oder nicht“, so Pox.
Diese Auffassung teilen auch die Gastroenterologin Dr. Evelien Dekker vom Amsterdam University Medical Centre in den Niederlanden und der Onkologe Dr. Michal F. Kaminski vom Oncology Center des Maria Sklodowska-Curie Institute im polnischen Warschau. In einem begleitenden Editorial schreiben sie, dass „der Weg zu einem Paradigmenwechsel, sprich der Einnahme chemopräventiver Medikamente, anstatt Kontrollkoloskopien durchführen zu lassen, ist noch lang“. Sie gehen davon aus, dass es künftig eher „eine personalisierte Risikostratifizierung und genauere, nicht-invasive Screeningmethoden“ sein werden, die die Zahl an Kontrollkoloskopien senken werden.
Medscape Nachrichten © 2018 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Darmpolypen entfernt und dann? ASS und EPA wirken zwar präventiv, um die Nachsorge zu lockern, reicht es aber (noch) nicht - Medscape - 10. Dez 2018.
Kommentar