Nurses‘ Health Study: Nachtarbeit plus ungesunder Lebensstil boostert das Risiko für Typ-2-Diabetes

Kurt-Martin Mayer

Interessenkonflikte

7. Dezember 2018

Bei nächtlicher Schichtarbeit plus ungesundem Lebensstil steigt das Risiko eines Typ-2-Diabetes überproportional an – das ergibt eine neuerliche Auswertung zweier Arme der legendären Nurses‘ Health Study durch ein Autorenteam um Dr. Zhilei Shan von der Harvard T. H. Chan School of Public Health in Boston, USA, und der Huazhong Universität in Wuhan, China. Während der Beitrag jeder dieser Faktoren schon länger bekannt sei, zeige ihre Arbeit erstmals die Auswirkung einer Kombination beider, erklären die Autoren im British Medical Journal  [1].

In einer Stellungnahme gegenüber Medscape bemängelt Prof. Dr. Horst-Werner Korf, Institut für Anatomie Universitätsklinik Düsseldorf und langjähriger Leiter des Dr. Senckenbergischen Chronomedizinischen Instituts in Frankfurt am Main, genau diese Beweisführung. „Schichtarbeiter haben noch viel mehr Risikofaktoren“, so Korf.

Shan und seine Kollegen konnten Daten von insgesamt 143.410 Frauen ohne anfängliche Diabetes-Diagnose auswerten. Einen Teil der Probandinnen verfolgten die Forscher über den Zeitraum 1988 bis 2012, einen anderen Teil von 1991 bis 2013.

Rotierende nächtliche Schichtarbeit war definiert als mindestens 3 Nachtschichten pro Monat zusätzlich zu Tages- und Abenddiensten in diesem Monat. Zu einem ungesunden Lebensstil zählten die Autoren: Rauchen, körperliche Aktivität mittlerer bis hoher Intensität von weniger als 30 Minuten pro Tag, eine Ernährungsweise mit wenig Obst, Gemüse, Nüssen und Vollkornprodukten – aber mit viel verarbeitetem Fleisch, Transfettsäuren, zucker- und salzreicher Kost – sowie ein Body-Mass-Index (BMI) von mehr als 25.

 
Schichtarbeiter haben noch viel mehr Risikofaktoren. Prof. Dr. Horst-Werner Korf
 

Nach einem Follow-up von 22 bis 24 Jahren hatten 10.913 der Krankenschwestern eine Typ-2- Diabetes-Diagnose erhalten. Für jede 5-Jahre-Einheit an schichtweiser Nachtarbeit stieg das Erkrankungsrisiko um 31%. Jeder hinzukommende negative Einflussfaktor – Rauchen, Übergewicht, schlechte Ernährung, Bewegungsmangel – erhöhte die Hazard Ratio (den Risikoquotienten) um den Wert 2,83.

Die Studienergebnisse deuteten darauf hin, dass „die meisten Fälle von Typ-2-Diabetes durch Befolgen eines gesunden Lebensstils verhindert werden könnten und dieser Nutzen bei Nachtschichtarbeitern noch größer ausfallen könnte“, schreiben die Autoren.

Schichtarbeit ist nicht gleich Schichtarbeit

Die Stärke der Studie liege in der Größe des Kollektivs und ihrem prospektiven Charakter, räumt Korf ein. Zu ihren Schwächen zähle, dass ihre Daten auf Fragebogen-Erhebungen beruhten.

Eine von Korf selbst verantwortete Auswertung bei 1.800 Betriebsangehörigen der Universitätsklinik Frankfurt am Main hat keine Unterschiede zwischen Schichtarbeitern und Tagesarbeitern hinsichtlich des BMI ergeben.

Auch der wiederholt berichtete Zusammenhang zwischen Schichtarbeit und dem Erkrankungsrisiko an einem Mammakarzinom habe sich bei näherer Analyse als „auf schwachen Füßen stehend“ erwiesen, so Korf.

Möglicherweise wirke es protektiv, dass Menschen, die ihrem Chronotyp zufolge eher später ihr Leistungshoch erreichten, sich auch eher zur nächtlichen Schichtarbeit meldeten.

Weitere Untersuchungen ergaben laut Korf, dass kurz vorwärts rotierende Schichtsysteme – etwa 2 Früh-, 2 Spät- und 2 Nachtschichten aufeinanderfolgend – gesundheitliche Vorteile gegenüber lang rotierenden Systemen hätten – also einem wochenweisen Wechsel der Schichtart.

Der Arbeitsstress blieb unberücksichtigt

Der Einfluss von Änderungen im Arbeitsrhythmus auf die Gesundheit scheint über hormonelle Einflüsse wie Leptin, Ghrelin, Thyrotropin, Melatonin und Insulin vermittelt zu sein.

In ihrem Studiendesign schlossen Shan und seine Kollegen folgende Faktoren aus: Alter, Familienstand, ökonomischer Status, menopausaler Status und Hormonersatztherapie, die Einnahme von Acetylsalicylsäure (ASS), Multivitamin-Tabletten, Blutdrucksenkern sowie Arzneimitteln gegen Hyperlipidämie sowie das Vorhandensein dieser beiden Störungen Auch der Alkoholkonsum wurde erhoben.

Zu den unberücksichtigt gebliebenen Faktoren zählte allerdings das Stresserleben während der Arbeitszeit.

 

Kommentar

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