Manche Schicht auf der inneren Station im Asklepios-Krankenhaus (AK) Hamburg St. Georg dürfte in den vergangenen Wochen einem Husarenritt geglichen haben, glaubt man einer Veröffentlichung des SPIEGEL . Anonym haben sich in dem Blatt mehrere Klinikärzte über ernste Personalprobleme im Asklepios-Krankenhaus Hamburg St. Georg beschwert.
Laut SPIEGEL liegen entsprechende Dokumente vor. Die Ärzte berichteten dem Magazin unter anderem von mehreren dringenden Gefährdungsanzeigen, die von den Ärzten der internistischen Station in St. Georg gestellt wurden.
Bei ihrem Dienstschluss, so eine Ärztin, sei bei 20 Patienten noch kein Arzt zur Visite gewesen und auf der Station hielten schließlich nur noch eine kaum eingearbeitete Honorarärztin und 2 PJ´ler die Stellung.
Der Grund für die Misere: Eine Ärztin hatte sich krankgemeldet und ein Oberarzt hatte Urlaub. Zwar schickte die Hausleitung Ersatz – dies aber nicht ausreichend. Das genügte offenbar, um die Station an den Rand des Zusammenbruchs zu bringen. Jedenfalls könne man nicht mehr die Verantwortung für die Patientensicherheit übernehmen, hieß es.
Notaufnahme musste gesperrt werden
„Das Hauptproblem ist, dass die Ärzte der inneren Station und der Kardiologie auch für die Versorgung der Notaufnahme zuständig sind“, sagt Pedram Emami, Vorsitzender des Marburger Bundes (MB) Hamburg. Wenn dann noch eine Kollegin krank werde, sei das Problem da. So musste auch der internistische Teil der Notaufnahme für eine Schicht gesperrt werden. In einem Schreiben haben sich die Ärzte an den MB Hamburg gewandt.
Die Sache ist kein Einzelfall: In einer weiteren Gefährdungsanzeige heißt es laut SPIEGEL: „Wir haben aktuell keinen verantwortlichen Facharzt, Oberarzt oder Chefarzt für unsere Patienten." Im Sommer beschwerte sich zudem bereits ein Arzt darüber, dass frei gewordene Arztstellen nicht wiederbesetzt wurden.
Und nicht nur in Hamburg arbeiten Stationen an der Belastungsgrenze. So gab es zum Beispiel auch auf der Kinderintensivstation der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) in diesem Jahr Probleme. Sie musste 2018 bereits 298 kleine Patienten abweisen, weil Schwestern und Pfleger für die Patienten in den 18 Intensivbetten der Station fehlten. Im vergangenen Jahr waren es sogar 417 Kinder.
„Das ist natürlich eine Katastrophe", sagt der leitende Oberarzt der Klinik, Dr. Michael Sasse. Derzeit arbeiteten Pfleger der Station auf 46 Vollzeitstellen. Aber 54 besetzte Vollzeitstellen müssten es sein, um für alle Patienten den Standard von einer Pflegekraft für 3 Patienten aufrecht zu erhalten, sagt Sasse. Bereits seit einem Jahr bleiben daher 2 Zimmer der Station ungenutzt. Phasenweise konnten sogar 30% der Betten nicht belegt werden.
Auch das Mutterhaus der Borromäerinnen Trier sah sich genötigt, zu versichern, dass an Krebs erkrankte Kinder weiter behandelt werden. Wegen Personalmangels könne man jedoch „die neu an Krebs erkrankten Kinder in der Phase der intensiven stationären Chemotherapie nicht betreuen“, teilt das Haus mit.
Die Hausleitung könne nicht garantieren, dass „die notwendigen Fachkräfte aus Pflege und Medizin kurzfristig nachbesetzt werden können.“ Der Grund: „Der bundesweit besorgniserregende Fachkräftemangel, der viele Kliniken – besonders in den hochspezialisierten Bereichen betrifft und zunehmend betreffen wird.“
Die Spitze des Eisberges
Die bekannt gewordenen Fälle könnten nur die Spitze eines Eisbergs sein. Auch in anderen Krankenhäusern wird es offenbar eng für Patienten und Ärzte. Es beschwert sich nur niemand, sagt Emami: „Ich weiß von mindestens zwei weiteren Häusern in Hamburg, wo die Situation ähnlich ist wie in St. Georg.“
Der Marburger Bund Bundesverband macht unter anderem die Ökonomisierung der Gesundheitsversorgung für die Personalengpässe verantwortlich. „Die Ursachen für die Probleme sind komplex, deshalb muss man genau schauen, wo es Engpässe gibt, welche Abteilungen besonders betroffen sind und was die Krankenhäuser im Einzelnen tun, um Gefahren für die Patienten abzuwehren“, so MB-Bundesverbands-Sprecher Hans-Jörg Freese auf Anfrage von Medscape.
„Neben dem Kosten-Wettbewerb, der durch die DRGs massiv verschärft worden ist, ist vor allem die völlig unzureichende Investitionstätigkeit der Länder ursächlich für die Unterfinanzierung vieler Häuser.“
Im AK St. Georg indessen scheine die Situation besonders schwierig zu sein, so Freese. „Es gab ja bereits 2016 einen Brandbrief mehrerer Ärzte, die auf die Personalprobleme aufmerksam gemacht haben.“ An den Problemen scheint sich wenig geändert zu haben.
Die Hausleitung reagierte auf den Ärztemangel mit umstrittenen Dienstplänen. „In die Pläne war zum Teil anstelle von Ärzten ‚NN‘ eingetragen“, berichtet Emami. Die Mitarbeitervertretung des Hauses habe mehrere Dienstpläne nicht genehmigt, sagt Dr. Christine Löber vom Betriebsrat des Hauses. „Unter anderem deshalb, weil er für einzelne Ärzte Nacht- und Spätdienste in unablässiger Folge vorsah. Das ist aber arbeitsrechtlich verboten.“
Statt die Missstände zu beheben, habe das Haus lieber das Bußgeld bezahlt, zu dem das Hamburger Arbeitsgericht Asklepios verurteilt hat, sagt Emami, Bußgeld in Höhe von 10.000 Euro pro nicht genehmigtem Dienstplan. „Allein in diesem Jahr sind bereits 50.000 Euro Bußgeld wegen nicht genehmigter Dienstpläne der kardiologischen Intensivstation gezahlt worden“, so Löber.
Asklepios: Das Problem ist „im Prinzip gelöst“
Das Klinikum räumt Engpässe ein, betont aber auch, schnell reagiert zu haben. „Dass im Sommer nicht alles rund gelaufen ist, das wissen wir selber“, sagt Unternehmenssprecher Mathias Eberenz zu Medscape. Man habe aber auf die Gefährdungsanzeigen „unverzüglich und verantwortungsvoll reagiert“, so das Klinikum in einer schriftlichen Stellungnahme, so seien Kollegen anderer Abteilungen oder ehemalige Ärzte des Hauses, Ärzte im Ruhestand, freiberuflich tätige und niedergelassene Ärzte eingesetzt worden.
Unterdessen sei die Stellenanzeige längst draußen. „Und es ist nicht immer leicht, Stellen zu besetzen“, so Eberenz. Nach langen Monaten sei es jedoch gelungen, die Leitung der Notaufnahme zum 1. November neu zu besetzen. Ein weiterer Oberarzt beginne zum 1. Januar 2019, „und der Abschluss eines Arbeitsvertrages mit einem leitenden Oberarzt steht kurz bevor“, hieß es. „Aus unserer Sicht hat sich das Problem im Prinzip gelöst“, so Eberenz.
In Trier sucht man unterdessen weiter Hände ringend nach Personal. In Hannover verhandelt die MHH mit dem Land um mehr Geld für Personal. Oberarzt Sasse berichtet von „sehr konstruktiven Gesprächen".
In Hamburg aber will der MB andere Seiten aufziehen. Denn für den Betriebsrat ist das Problem keinesfalls gelöst. „Wir prüfen jetzt eine Strafanzeige gegen Asklepios wegen kontinuierlicher Missachtung des Betriebsrates“, sagt Löber.
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Diesen Artikel so zitieren: Mit dem Rücken zur Wand: Drastischer Personalmangel in Kliniken bringt Ärzte auf die Barrikaden – wer ist schuld? - Medscape - 5. Dez 2018.
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