Deeskalations-Therapie funktioniert beim HPV-positiven Oropharynxkarzinom nicht: Cisplatin doch wirksamer als Cetuximab

Alexander M. Castellino

Interessenkonflikte

3. Dezember 2018

München – Erneut hat eine Studie gezeigt, dass die Deeskalations-Therapie bei Patienten mit guter Prognose mit HPV-positiven (humanes Papillomvirus) oropharyngealen Plattenepithelkarzinomen oder Pharynxkarzinomen nicht funktioniert: Die Ergebnisse der De-ESCALaTE-HPV-Studie zeigen, dass die Therapie mit Cetuximab plus Strahlentherapie die Nebenwirkungen nicht abmildert und – was noch wichtiger ist – beim Überleben im Vergleich zur Standardtherapie aus Chemotherapie mit Cisplatin und Strahlentherapie schlechter abschneidet.

Der Befund wiederholt die Ergebnisse der Studie der Radiation Therapy Oncology Group (RTOG) 1016 des US National Cancer Institute, die Anfang des Jahres veröffentlicht und deren Details auf dem Treffen der American Society of Radiation Oncology (ASTRO) 2018 in San Antonio, Texas, vorgestellt worden sind.

 
Bleiben Sie bei Ihrer klinischen Praxis und verwenden Sie weiterhin bei diesen Patienten Cisplatin plus Strahlentherapie. Prof. Dr. Hisham Mehanna
 

Prof.  Dr. Hisham Mehanna

„Bleiben Sie bei Ihrer klinischen Praxis und verwenden Sie weiterhin bei diesen Patienten Cisplatin plus Strahlentherapie“, sagte Prof.  Dr. Hisham Mehanna, Chef der Kopf- und Halschirurgie der britischen Universität Birmingham und leitender Prüfarzt der De-ESCALaTe-Studie. Er präsentierte die Ergebnisse während einer Präsidentschaftssitzung auf dem Kongress der European Society for Medical Oncology (ESMO) 2018 in München [1].

„Cetuximab führte zu keiner geringeren Toxizität bei einer schlechteren Gesamtüberlebensrate und häufigeren Krebsrezidiven als Cisplatin. Das war überraschend, da wir angenommen hatten, dass es die gleichen Überlebensraten bei verminderter Toxizität erreichen würde. HPV-positive Patienten mit Kehlkopfkrebs sollten also nach Möglichkeit Cisplatin und nicht Cetuximab erhalten“, sagte Mehanna.

Hoffnung auf weniger Nebenwirkungen

Cetuximab ist in der Kombination mit Strahlentherapie bereits von der FDA – und auch von der EMA – zum Einsatz bei Kopf- und Halskrebs, einschließlich Oropharynx-Karzinom, zugelassen und ein anerkannter Versorgungsstandard, insbesondere für Patienten, die Cisplatin nicht vertragen.

Dr. Jean-Pascal Machiels

Die Hoffnung hinter der Deeskalations-Therapie war, dass dieses Schema eine ähnliche Wirksamkeit bei geringeren Nebenwirkungen im Vergleich zum Standard-Schema aus Cisplatin plus Strahlentherapie bieten würde. „Die Nebenwirkungen der Therapie für Patienten mit Kopf- und Halskarzinom sind verheerend. Sie erleiden einen Sprachverlust, Geschmacksverlust und Schluckbeschwerden“, erklärte ESMO-Experte Dr. Jean-Pascal Machiels, Leiter der Abteilung für medizinische Onkologie an den Cliniques Universitaires Saint-Luc in Brüssel.

„Mit der rasanten Zunahme der HP-Viren in der westlichen Welt treten HPV-positive Kopf- und Halskarzinome typischerweise bei jüngeren Patienten auf, die gut auf die Behandlung ansprechen und noch 3 bis 4 Jahrzehnte leben. Diese Patienten möchten ohne die mit der Behandlung verbundenen toxischen Nebenwirkungen leben“, fügte Machiels hinzu.

„Basierend auf einer großen Studie im Jahr 2006 haben viele Patienten Cetuximab in Kombination mit einer Strahlentherapie unter der Annahme erhalten, dass es genauso wirksam sei wie eine Chemotherapie mit Strahlentherapie bei zugleich weniger Nebenwirkungen“, kommentierte Mehanna. Diese Studie aus 2006 hatte gezeigt, dass sich bei Patienten mit Plattenepithelkarzinomen des Kopfes oder Halses unter der Therapie mit Cetuximab und Hochdosis-Strahlentherapie die lokoregionäre Kontrolle verbessert und die Sterblichkeit reduziert. Gleichzeitig waren die Nebenwirkungen nicht schlimmer.

Bisher gab es jedoch keine direkten Vergleiche zwischen den beiden Behandlungsformen. Jetzt liegen 2 Untersuchungen vor, die beide die gleichen Ergebnisse zeigen: Cetuximab hat eine geringere Wirksamkeit.

Details der De-ESCALaTE-Studie

Die De-ESCALaTE-Studie wies 334 Patienten mit HPV-positivem oropharyngealen Plattenepithelkarzinom und niedrigem Risiko zufällig einer Strahlentherapie (70 Gy in 35 Fraktionen) mit entweder Cisplatin (3 Dosen à 100 mg/m2) oder mit Cetuximab zu (400 mg/m2 initial gefolgt von wöchentlich 250 mg/m2).

 
Cetuximab führte zu keiner geringeren Toxizität bei einer schlechteren Gesamtüberlebensrate und häufigeren Krebsrezidiven als Cisplatin. Prof. Dr. Hisham Mehanna
 

Von den randomisierten Patienten waren 80% Männer und 84% dem Stadium I/II eingestuft worden, während 16% auf der Grundlage der neuen TNM-Klassifikation als Stadium III eingestuft worden waren.

Hinsichtlich der Toxizität fanden sich keine Unterschiede zwischen der Cisplatin- und der Cetuximab-Gruppe bezogen auf die folgenden Messgrößen:

  • berichtete durchschnittliche Anzahl der Gesamtereignisse (5,37 bzw. 5,45 Ereignisse pro Patient),

  • alle toxischen Effekte (29% bzw. 30%) oder

  • CTC-Grad 3 bis 5 (Common Toxicity Criteria; schwerwiegend bis tödlich; 4,8% für jede Gruppe).

Es gab jedoch signifikant mehr schwere Nebenwirkungen in der Cisplatin-Gruppe gegenüber der Cetuximab-Gruppe (162 vs. 95). Cetuximab war nicht mit einer geringeren Toxizität verbunden, sagte Mehanna. „Die Lebensqualität war die gleiche, und auch die Probleme beim Schlucken waren die gleichen“, fügte Mehanna hinzu.

Darüber hinaus war das Gesamtüberleben für Patienten, die Cetuximab erhielten, im Vergleich zu denen unter Cisplatin signifikant schlechter (Hazard Ratio[HR]: 4,99; p = 0,001). Die Gesamtüberlebensrate betrug 89,4% für die Patienten unter Cetuximab und Strahlentherapie, verglichen mit 97,5% für die Patienten unter Cisplatin und Strahlentherapie.

Es gab 20 Todesfälle in der Cetuximab-Gruppe und 6 in der Cisplatin-Gruppe.

Die Werte für lokale Rezidive und Fernmetastasen waren ebenfalls schlechter: Es gab 29 Rezidive unter Cetuximab und 10 unter Cisplatin. Die Häufigkeit eines lokoregionalen Rezidivs betrug 12% für Cetuximab plus Strahlentherapie und 3% für Cisplatin plus Strahlentherapie. Für Fernmetastasen lagen die entsprechenden Raten bei 9% und 3%.

Auch die Rezidivquote nach 2 Jahren war für Cetuximab signifikant höher als für Cisplatin (16,1% vs. 6,0%; HR: 3,39; p = 0,0007).

Nach einer Sensitivitätsanalyse, für welche die Untersucher Patienten mit einer Erkrankung im Stadium III aus der Kohorte herausnahmen, waren die Ergebnisse immer noch gleich.

„Cisplatin bleibt der Standard der Versorgung bei HPV-positivem Plattenepithelkarzinom mit niedrigem Risiko“, schloss Mehanna.

Welche Patienten doch profitieren könnten

Dr. Branislav Bystricky, Leiter der Strahlentherapie an der Universitätsklinik Trencin, Slowakei, kommentierte die Studie für die ESMO: „Man nahm an, dass Cetuximab weniger Nebenwirkungen habe und daher eine gute Option für Patienten mit HPV-positiven Pharynxkarzinomen sei, die jung sind und voraussichtlich mehrere Jahrzehnte überleben werden, sowie für Patienten, die eine Chemotherapie weniger gut vertragen.“ Aber: „Wir haben jetzt 2 Studien, die zeigen, dass diesen Patienten (mit Pharynxkarzinom und geringem Risiko) kein Cetuximab verabreicht werden sollte.“

„Zukünftige Untersuchungen sollten jedoch prüfen, ob die Genotypisierung für die KRAS-Variante eine Gruppe von Patienten identifizieren könnte, die möglicherweise von einer Cetuximab-Behandlung plus Strahlentherapie profitiert“, fügte er hinzu.

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

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