In einer Phase-2-Studie konnte das neuartige orale Antibiotikum Zoliflodacin, das die DNA-Synthese hemmt, die meisten unkomplizierten urogenitalen und rektalen Gonorrhö-Infektionen erfolgreich bekämpfen. Weniger wirksam scheint Zoliflodacin gegen die meist schwerer behandelbaren Gonorrhö-Erreger im Rachen zu sein.
„Berichte über multiresistente Neisseria gonorrhoeae und potenziell unbehandelbare Gonorrhö machen die Entwicklung neuer antimikrobieller Therapien dringend erforderlich“, schreiben US-Forscher unter der Leitung von Dr. Stephanie N. Taylor, Louisiana State University Health Science Center in New Orleans, USA, im New England Journal of Medicine [1].
„Superbug“ N. gonorrhoeae: Immer mehr Resistenzen
Weltweit infizieren sich laut WHO jährlich rund 78 Millionen Menschen mit Gonokokken, die die Genitalien, den Enddarm und den Rachen befallen können. Zahlen der Welt-Gesundheitsorganisation (WHO) verdeutlichen, dass immer mehr Tripper-Bakterien gegen auf dem Markt befindliche Antibiotika resistent sind. Der Erreger hat inzwischen Resistenzen gegen alle auf dem Markt befindlichen Antibiotika-Klassen entwickelt.
2017 wurden resistente Stämme gegen Ciprofloxacin in 97% der Länder nachgewiesen; gegen Azithromycin in 81% und gegen Cefixim oder Ceftriaxon in 66%, meldet die WHO. In den USA und Europa wird daher eine Kombinationstherapie mit Kurzinfusion von Ceftriaxon plus Azithromycin-Tablette empfohlen.
In Deutschland seien die Resistenzen zeitgleich mit der Empfehlung der dualen Therapie in der Leitlinie zur Gonorrhoe bei Erwachsenen und Adoleszenten von 2014 stark zurückgegangen, sagt Prof. Dr. Norbert Brockmeyer, Abteilungsleiter der Immunologischen Ambulanz im Walk In Ruhr (WIR) – Zentrum für Sexuelle Gesundheit und Medizin, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Ruhr-Universität Bochum und Vorstandsvorsitzender der Deutschen STI-Gesellschaft zur Förderung der Sexuellen Gesundheit.
„Die beängstigende Situation von 2012/2013 mit sehr hohen Resistenzraten haben wir hier in Deutschland nicht mehr“, sagte der Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten und Co-Autor der Leitlinie im Gespräch mit Medscape.
In den USA dagegen steigen die Fallzahlen seit 2009 immer weiter an, schreiben Dr. Susan Blank, New York City Department of Health and Mental Hygiene, USA, und ihr Kollege Dr. Demetre C. Daskalakis in einem Editorial zur Zoliflodacin-Studie [2]. Ceftriaxon sei mittlerweile „das einzige verlässliche und effektive Antibiotikum“.
Selbst für die duale Therapie mit Azithromycin seien bereits Resistenzen gemeldet worden, berichten die US-Autoren. „Das Fortschreiten der Resistenzen von N. gonorrhoeae ist beunruhigend, und die multiresistente, beinahe unbehandelbare Gonorrhö stellt eine reale Gefahr dar“, schreiben Blank und Daskalakis.
Derzeit werden daher 3 neue Antibiotika im Kampf gegen die sexuell übertragbare Krankheit getestet; neben Zoliflodacin auch Solithromycin und Gepotidacin.
Erfolgreich gegen rektale und urogenitale Infektionen
In der aktuellen, von Zolifloacin-Entwickler Entasis Therapeutics und den National Institutes of Health (NIH) finanzierten Multicenter-Phase-2-Studie wurden 179 Patienten mit unkomplizierter Gonorrhö, vorwiegend Männer, in 3 Gruppen randomisiert:
Einzeldosis Zoliflodacin 2 g
bzw. 3 g Zoliflodacin
oder Einzelinfusion Ceftriaxon (500 mg; doppelt so hoch dosiert wie von den Centers of Disease Control, CDC, in den USA empfohlen).
Nach 6 Tagen konnte bei urogenitaler Infektion eine mikrobiologische Heilung bei 55 von 57 Patienten (96%) unter 2 g Zoliflodacin, bei 54 von 56 (96%) unter 3 g Zoliflodacin und bei allen (100%) unter Ceftriaxon nachgewiesen werden. Alle rektalen Infektionen wurden erfolgreich behandelt.
Bei Infektionen des Rachens lagen die Heilungsraten bei 50% unter 2 g, 82% unter 3 g Zoliflodacin und wieder bei allen Patienten unter Ceftriaxon.
Die guten Ansprechraten mit Zoliflodacin zumindest hinsichtlich der Bekämpfung rektaler und urogenitaler Erreger seien „sehr interessant“, sagt Brockmeyer. „Es handelt sich augenscheinlich um ein Antibiotikum, das bei den rektalen und urogenitalen Infektionen gut wirksam ist. Das ist hervorragend, wenn sich die Erreger dort befinden.“
Angesichts der gemeldeten Resistenzen gegen die bisherigen Antibiotika sei die weitere Entwicklung von Zoliflodacin notwendig. „Die Einzeldosis-Therapie erscheint vielversprechend“, kommentieret Blank. „Zoliflodacin hat das Potenzial für ein effektives Antibiotikum zur Behandlung der Gonorrhö.“
In punkto Sicherheit seien in der Studie im Zusammenhang mit Zoliflodacin insgesamt 21 – vor allem gastrointestinale – Nebenwirkungen aufgetreten, berichten Taylor und ihre Kollegen. Das seien weniger als unter anderen aktuell für die Behandlung der unkomplizierten Gonorrhö eingesetzten Antibiotika.
Aber: Wieder kein Erfolg gegen Erreger im Rachen
Problematisch gestaltete sich allerdings wie auch bei anderen aktuell gegen den Tripper eingesetzten Antibiotika die Wirksamkeit gegen den pharyngealen Erreger, beispielsweise bei Azithromycin. „Diese Situation ist schwierig, zumal 20 bis 30 Prozent der Gonorrhö-Erreger auch pharyngeal vorliegen“, bemerkt Brockmeyer.
Einige Kollegen seien der Ansicht, dass dieser Erreger nach 4 Wochen ohnehin verschwinde und die Krankheit bei diesen Patienten oft asymptomatisch verlaufe. „Diese Meinung teile ich nicht“, sagt Brockmeyer. Vielmehr befürchtet er durch die Asymptomatik ein unentdecktes Erreger-Reservoir. Und bei einem Antibiotikum, das nicht in allen Lokalisationen gleich stark wirke, könnten schnell Resistenzen auftreten, da die Erreger in manchen Lokalisationen zwar bekämpft, in anderen jedoch noch vorhanden seien. Somit könnten sie persistierten und Resistenzen sowie neue Infektionen hervorrufen, erklärt der Experte: „Auf diese Weise ist ein Antibiotikum schnell verbrannt.“
Leitlinie wird aktualisiert
Die deutsche Leitlinie von 2014 werde aktuell überarbeitet, sagt Brockmeyer. Noch in diesem Jahr soll die neue Fassung erscheinen, in der unter anderem die Dosierung der dualen Therapie zum Schutz vor Resistenzen angehoben werde: bei Ceftriaxon von 1 auf bis zu 2 g und bei Azithromycin von 1,5 auf bis zu 2 g. In den USA dagegen werden wesentlich niedrigere Dosierungen von Ceftriaxon empfohlen – etwa 250 mg von den CDC.
Wahrscheinlich werde Zoliflodacin, sofern die Entwicklung des Antibiotikums weiterlaufe, ebenfalls im Rahmen einer dualen Therapie eingesetzt werden, schreiben die US-Autoren. Gleiches vermutet Brockmeyer. „Gut vorstellbar wäre eine Kombination ebenfalls mit Azithromycin, was sich jedoch aufgrund der weniger guten Wirksamkeit im Rachen schwierig gestaltet.“ Auch Cefixim weise bei der Bekämpfung von Erregern in dieser Lokalisation Schwächen auf. „Idealer Partner wäre daher Ceftriaxon.“
2 weitere Kandidaten: Solithromycin und Gepotidacin
2 andere in der Entwicklung befindliche Antibiotika konnten in klinischen Studien ebenfalls erste Erfolge gegen N. gonorrhoeae aufweisen. In einer Phase-2-Studie kurierte eine Einzeldosis des Fluoroketolid-Antibiotikums Solithromycin die Gonorrhö bei allen 22 Patienten. Erste Auswertungen der Phase-3-Studie mit 262 Patienten zeigten jedoch keine Verbesserungen im Vergleich zur Standardtherapie mit Ceftriaxon plus Azithromycin.
Der Topoisomerase-Inhibitor Gepotidacin erzielte in einer Phase-2-Studie eine Heilungsquote von mehr als 95%. Allerdings waren in diese Studie wenige Probanden mit pharyngealer Gonorrhö aufgenommen worden.
Impfstoff gegen Gonorrhö bald Realität?
Fieberhaft wird nicht nur nach neuen Antibiotika, sondern auch nach einem Impfstoff gegen den Tripper geforscht. In einer Protein-Analyse an der Oregon State University haben Forscher ein Protein-Profiling in 15 Gonokokken-Stämmen vorgenommen. Dabei haben sie insgesamt 1.600 häufig auftretende Proteine und darunter „9 mögliche Impfstoff-Kandidaten identifiziert“, berichten die Forscher um Dr. Aleksandra Sikora in der Fachzeitschrift Molecular and Cellular Proteomics.
Diese könnten als Antigene eine Immunantwort des Körpers hervorrufen und später den Organismus, der das Antigen produziert, schnell erkennen und angreifen, erklärt das Forscherteam.
Seit 2017 sei die Suche nach einem Impfstoff gegen Gonokokken im Aufwind, sagt Brockmeyer. Damals nämlich haben Forscher in Neuseeland herausgefunden, dass ein Impfstoff gegen Menigokokken auch gegen Gonokokken schützen könnte, wie sie in ihrem Studienbericht in Lancet schrieben.
Die Häufigkeit von Gonorrhö ging unter Jugendlichen, die den Meningitis-Impfstoff erhalten hatten, um 31% zurück. „Endlich passiert in dieser Richtung etwas, nachdem viele Jahre nichts unternommen wurde. Das ist großartig“, sagt Brockmeyer. Jedoch erwartet er einen neuen Impfstoff „nicht morgen und nicht in 3 Jahren. Wenn alles optimal läuft, dann vielleicht in 10 Jahren“, so seine Prognose.
Brite bringt hoch resistente Gonorrhoe aus Südasien mit – Gesundheitsbehörden alarmiert
Resistenzen bei Gonorrhoe nehmen zu: Was tun, wenn Antibiotika den Tripper nicht heilen?
Wenn nichts mehr hilft gegen Gonorrhoe – WHO warnt vor Resistenzen eines „cleveren Bakteriums“
Gonorrhoe, Chlamydien und Co: Nicht nur HIV bleibt ein Thema
Medscape Nachrichten © 2018 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Heilung mit nur einer Tablette: Neues orales Antibiotikum Zoliflodacin wirkt bei unkomplizierter Gonorrhö - Medscape - 3. Dez 2018.
Kommentar