Diagnostik
Zum Nachweis des Bauchaorten-Aneurysmas und seiner detaillierteren Darstellung wurden in diesem Fall CT und Ultraschall eingesetzt. Die dreidimensionale Rekonstruktion des CT bietet ein genaues Modell der Aneurysma-Architektur. Die Angulation des Aneurysmas kann auf klassischen axialen CT-Bildern irreführend sein. Beim Vergleich von Ultraschall, CT und 3D-Darstellung ermöglicht der Ultraschall die präziseste Abschätzung der Gesamtausdehnung des Aneurysmas [8]. Das klassische CT kommt zum Einsatz, wenn die Aorta trotz wiederholter Bemühungen mittels Ultraschall nicht ausreichend dargestellt werden kann.
Biomarker für Wachstum
Ein möglicher Screening-Test auf ein Bauchaorten-Aneurysma ist die IGF-I-Bestimmung (insulin-like growth factor I). In einer prospektiven Langzeitstudie zeigten Lindholt et al., dass IGF-I als neuartiger Biomarker für das Bauchaorten-Aneurysma eingesetzt werden kann [9]. Die Basalwerte im Serum korrelierten nicht nur positiv mit der Größe und der Wachstumsrate der Aneurysmen, sondern konnten auch die Notwendigkeit einer zukünftigen Operation voraussagen.
Die Entscheidungsfindung zur Frage eines operativen Vorgehens oder einer beobachtenden Haltung bei einem Bauchaorten-Aneurysma stützt sich vor allem auf die Ergebnisse der UKSAT-Studie und der ADAM-Studie [2,10]. In der UKSAT-Studie wurden 1.090 Patienten mit kleineren Aneurysmen (4–5,5 cm) zufällig einer operativen Intervention bzw. einem Monitoring zugeteilt. Dabei konnte für die frühzeitige chirurgische Intervention kein signifikanter Unterschied in der Gesamtmortalität nachgewiesen werden.
Zu ganz ähnlichen Ergebnissen kam die ADAM-Studie. Diese beiden Untersuchungen führten zu der Empfehlung, dass eine chirurgische Intervention bei Aneurysmen ab einer Größe von 5,5 cm in Betracht gezogen werden sollte. Patienten mit einem Bauchaortenaneurysma kleineren Kalibers sollten in ein sonografisches Überwachungsprogramm aufgenommen werden.
Eine chirurgische Intervention kommt jedoch auch infrage, wenn sich das Aneurysma in einem einzigen 12-monatigen Überwachungszeitraum um mehr als 0,6 bis 0,8 cm erweitert hat [11]. Für Frauen wurde die Schwelle für eine chirurgische Therapie entsprechend auf 5 cm gelegt, weil sie im Vergleich zu den Männern durchschnittlich eine etwas geringeren Aorten-Größe haben.
Physikalischer Hintergrund und klinische Verlaufskontrollen
Diese Empfehlungen basieren auf der Physik des transmuralen Drucks und einer höheren Ruptur-Frequenz bei größeren Aneurysmen. Nach LaPlace ist die Spannung in einer Kugelwand proportional zu dem Produkt aus transmuralem Druck und dem Radius der Kugel und umgekehrt proportional zur Dicke der Kugelwand. Man kann auch sagen, dass in einem langen, biegsamen Rohr an der Stelle des größten Durchmessers am wenigsten Druck erforderlich ist, um eine Aufdehnung zu erwirken [12].
Diese höhere Wandspannung erklärt, warum sich ein Aneurysma tendenziell vergrößert und warum größere Aneurysmen häufiger rupturieren. Da sich größere Aneurysmen also tendenziell schneller erweitern, ist bei Bauchaorten-Aneurysmen mit einem Durchmesser von 4,5 bis 5,4 cm eine sonografische Kontrolle im Abstand von 6 Monaten erforderlich, während bei Aneurysmen mit einem Durchmesser von 3 bis 4,5 cm ein 1-Jahres-Rhythmus bei den Kontrollen ausreichend ist [1,2,3]. Etwa 90% der nachgewiesenen Aneurysmen liegen unter der für den Eingriff bestimmten Schwelle von 5,5 cm, sodass ihr Wachstum überwacht werden muss, um zu sehen, ob es den Schwellenwert für die operative Intervention erreicht.
Expansion stoppen?
Um eine Begrenzung der Ausdehnung zu erreichen, wurden verschiedene Ansätze verfolgt. Große Studien haben gezeigt, dass Propranolol eine Expansion des Aneurysmas nicht zu hemmen vermag [14]. Zahlreiche Studien belegten, dass Tabakkonsum mit einer erhöhten Expansionsrate der Aneurysmen verbunden ist [14]. Es liegen Evidenzen vor (für Level B und C), wonach Statine (HMG-CoA-Reduktase-Hemmer) die Ausdehnung von Aneurysmen hemmen können.
Lediglich aus Tierversuchen stammen dagegen Daten, wonach ACE-Hemmer oder der AT1-Antagonist Losartan die Expansionsrate beim Bauchaorten-Aneurysma zu bremsen vermögen, wenn sie zur Behandlung einer gleichzeitig bestehenden Hypertonie verwendet werden [14,16]. Bei Patienten mit Diabetes ist eine Optimierung der glykämischen Kontrolle auch mit einer Verringerung der Expansionsrate solcher Aneurysmen verbunden [16]. Ebenfalls sollten eine Gewichtsreduktion, nach Möglichkeit regelmäßige Bewegung und eine gesunde Ernährung gefördert werden.
Operation – aber wie?
An operativen Verfahren stehen derzeit die offene chirurgische Versorgung und die EVAR (endovascular aortic repair) zur Verfügung. Die EVAR ist weniger invasiv und bedeutet die transluminale Platzierung eines modularen Stentgrafts in dem Aneurysma, dies über einen arteriellen Zugang (zumeist) in der A. femoralis unter lokaler, regionaler oder Voll-Narkose (am häufigsten). Die Bedenken bezüglich der Nähe zu den Nierenarterien und anderen Gefäßen konnten durch den Einsatz von gefensterten Transplantaten ausgeräumt werden.
Der proximale Hals des Aneurysmas gilt jedoch als anatomisch ungünstig für eine EVAR, wenn eine oder mehrere der folgenden Situationen vorliegen [17]:
Winkelung > 60°
Durchmesser > 30 mm
kürzeste Stelle < 15 mm
konische Form
ausgedehnte Thrombosierungen oder Verkalkungen
Darüber hinaus kann der chirurgische Zugang über die Aa. femorales in der Leiste bei einer ausgedehnten Verschlusskrankheit der Beckenarterie oder einer Gefäß-Verdrehung schwierig sein. Dadurch ist dieses Verfahren bei einigen Patienten nur eingeschränkt möglich. Oder es sind zusätzliche, offen chirurgische oder endovaskuläre Techniken erforderlich, um Zugang zur Aorta zu erlangen.
In der EVAR-1-Studie wurden 1.082 elektive Patienten entweder dem offen operativen Verfahren oder der EVAR zugeteilt. Die operative Mortalität innerhalb der ersten 30 Tage betrug in der EVAR-Gruppe 1,6% und in der anderen Gruppe 4,6% [18]. Die Patienten in der EVAR-Gruppe hatten allerdings danach ein signifikant höheres Risiko für Transplantat-Komplikationen (Hazard Ratio, HR: 4,39) und transplantatbezogene Eingriffe (HR: 2,86). Nach 8-jähriger Nachbeobachtung konnte zwischen den Gruppen kein Unterschied in der Gesamtmortalität oder in der Aneurysmen-bedingten Sterblichkeit festgestellt werden [19]. Seit dieser Studie ist in Großbritannien und auch in anderen Staaten ein stetiger Anstieg der EVAR im Vergleich zu den offenen Operationen zu beobachten [20].
Die EVAR-2-Studie wies zwischen 1999 und 2003 insgesamt 338 Patienten über 60 Jahre mit mindestens 5,5 cm großen Aneurysmen – die für eine offene Intervention nicht infrage kamen – entweder der EVAR zu oder es wurde kein invasives Verfahren durchgeführt. Diese Studie belegte innerhalb der ersten 30 Tage bei den mit EVAR behandelten Patienten eine beträchtliche Mortalität von 9%. Wobei es zwischen der EVAR-Gruppe und der Gruppe ohne Intervention bei der Gesamtmortalität keinen signifikanten Unterschied gab (HR: 1,21) [21].
Diese Ergebnisse stehen im Gegensatz zu anderen Studien, in denen behauptet wird, dass die EVAR bei Patienten mit Kontraindikationen für ein offen operatives Vorgehen mit deutlichen langfristigen Vorteilen verbunden sei, und zwar bei einer zugleich niedrigen 30-Tages-Mortalität von 1,6 bis 2,9% [22,23]. Ein Teil des längeren Benefits könnte auf eine statistisch höhere Rate an Verschreibungen von Thrombozyten-Aggregationshemmern und Statinen in den neueren Studien zurückzuführen sein. Außerdem auf die bessere Expertise in Zentren mit höherem Patienten-Aufkommen und die neuere Generation an Grafts [22,23].
Fazit für EVAR
Nach dem Cronenwett-Modell [24] sollten Patienten unter 70 Jahre mit Aneurysmen > 5,5 cm, geringem Operationsrisiko und schlechter anatomischer Eignung für die EVAR im offenen Ansatz versorgt werden.
Dagegen sollten Patienten über 70 Jahre, die ein hohes Operationsrisiko mitbringen und sich aus anatomischer Sicht gut für die EVAR eignen, auf eben diese Weise behandelt werden.
Für diese beiden Extreme scheint das Fazit offensichtlich. Viele Patienten fallen sicherlich zwischen die beiden Kategorien, wobei dann die Präferenzen des aufgeklärten Patienten und die lokale Expertise maßgeblich für die Entscheidungsfindung über das Behandlungsverfahren sind.
Medscape Nachrichten © 2018
Diesen Artikel so zitieren: Fall: Plötzlich wahnsinnige Bauchschmerzen – wie müssen Sie bei diesem 85-Jährigen reagieren? - Medscape - 26. Nov 2018.
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