Diskussion
Im CT zeigte sich ein Bauchaorten-Aneurysma mit Wandverkalkung und wandständigem Thrombus, wobei extraluminales Blut auf eine Aneurysma-Ruptur hinwies (s. Abb. 2).
Abb. 2
Ein Aneurysma ist als fokale Vergrößerung des Gefäßkalibers um mehr als 50% des Normalwertes definiert. Alles andere wird als Arteriomegalie bezeichnet. Die Bauchaorta hat einen Durchmesser von etwa 2 cm. Demnach spricht man von einem Bauchaortenaneurysma, wenn ein Aorten-Segment einen Durchmesser von über 3 cm aufweist.
Prävalenz
Das Bauchaorten-Aneurysma hat eine Prävalenz von 1,3 bis 8,9% bei Männern und von 1 bis 2,2% bei Frauen über 55 Jahren. Es ist bei Männern im Alter von 65 bis 85 Jahren in industrialisierten Ländern für 1 bis 3% aller Todesfälle verantwortlich [1]. Die Inzidenz in ausgewählten Gruppen ist höher. So weisen 5% der KHK-Patienten und bis zu 50% der Patienten mit einem Aneurysma der Aa. poplitea oder femoralis zusätzlich ein Bauchaorten-Aneurysma auf [2].
In einer 7-jährigen prospektiven Studie an einer Kohorte mit 4.345 Patienten kam es zu 119 Fällen eines Bauchaorten-Aneurysmas. Dabei erwiesen sich männliches Geschlecht und höheres Alter als starke Risikofaktoren. Eine weitere Studie zeigte einen Zusammenhang zwischen kurzer Leukozyten-Telomerlänge und Bauchaorten-Aneurysmen, was weiter die Vorstellung unterstützt, dass die Gefäßalterung tatsächlich ein ätiologischer Faktor des Bauchaorten-Aneurysmas ist [4]. Rauchen, Bluthochdruck und Hypercholesterinämie sind ebenfalls mit einem deutlich erhöhten Risiko für ein Bauchaorten-Aneurysma verbunden [3]. Interessanterweise scheint sich ein Diabetes meist eher protektiv hinsichtlich der Aneurysmen-Entstehung auszuwirken.
In Deutschland leben geschätzt bis zu 50.000 Menschen mit einem behandlungsbedürftigen Aortenaneurysma. Bei den meisten bleibt es lange Zeit unentdeckt. Mehr als 5.000 Menschen sterben jährlich an einer Ruptur. Das Bauchaorten-Aneurysma zählt zu den 10 häufigsten Todesursachen bei Männern über 50.
Symptome und Sterberisiko
Ein Bauchaorten-Aneurysma kann zu verschiedenen Symptomen führen, einschließlich Bauch-, Rücken- und/oder Leistenschmerzen. Die überwiegende Mehrheit ist jedoch asymptomatisch. Die Beschwerden sind in der Regel das Ergebnis einer raschen Erweiterung oder eines Risses des Aneurysma-Sackes. Die Schmerzen können leicht bis stark sein. Der Patient kann eine Masse oder Schwellung im Bauchraum spüren oder ein Pulsieren wahrnehmen.
Zu den Komplikationen gehören die interne Thrombose, die distale Embolisation und die aortoenterische Fistel. Eine Bauchaorten-Aneurysma-Ruptur ist die wichtigste plötzliche Todesursache. Klagen über Benommenheit oder Bewusstlosigkeit in Kombination mit Rücken- oder Bauchschmerzen sollten an die Möglichkeit einer Bauchaorten-Aneurysma-Ruptur denken lassen.
Etwa 50% der Patienten sterben kurz nach der Ruptur. Bei jenen, die eine Operation überleben, liegt die Sterblichkeit immer noch bei etwa 54% [5]. Die meisten frühen Todesfälle resultieren aus einer freien intraperitonealen Ruptur mit innerem Verbluten. Eine extraperitoneale Ruptur hat einen günstigeren Verlauf, da die Blutung vorübergehend durch periaortales Gewebe tamponiert werden kann.
Vorteile durch Screening
Angesichts der asymptomatischen Natur der meisten Bauchaorten-Aneurysmen sowie der fatalen Prognose einer Ruptur wurde dem Screening nach Bauchaorten-Aneurysmen große Aufmerksamkeit geschenkt. Die erste Studie, die sich mit einem solchen Screening bei einer großen Population befasste, war die MASS-Studie mit einer Stichprobe von 67.800 Männern im Alter von 65 bis 74 Jahren. Die Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip entweder einem sonografischen Screening unterzogen oder nicht untersucht. Über 10 Jahre kam es zu 155 Todesfällen im Zusammenhang mit einem Bauchaorten-Aneurysma in der Screening-Gruppe im Vergleich zu 296 Fällen in der Gruppe ohne Screening. Dies entspricht einer relativen Risikoreduktion von 48% (95% Konfidenzintervall: 37–57%) [6]. Diese Studie ergab auch eine günstige Kosten-Effizienz für ein solches Screening-Programm. Eine Cochrane-Studie fand Hinweise auf eine signifikante Verringerung der Sterblichkeit infolge eines rupturierten Bauchaorten-Aneurysmas unter Männern zwischen 65 und 79 Jahren, die sich einem Screening unterzogen hatten [7].
Diese Ergebnisse haben dazu geführt, dass in mehreren Ländern entsprechende Screening-Programme gestartet wurden:
In Deutschland steht die neue Früherkennungsuntersuchung seit dem 1. Januar 2018 zur Verfügung. Gesetzlich krankenversicherte Männer ab 65 Jahren haben einmal im Leben Anspruch auf ein Ultraschall-Screening zur Früherkennung von Bauchaorten-Aneurysmen. Das Screening dürfen Hausärzte, Urologen, Internisten mit und ohne Schwerpunkt, Chirurgen und Radiologen durchführen. Für die sonografische Untersuchung der Bauchaorta benötigen sie eine Genehmigung ihrer Kassenärztlichen Vereinigung nach der Ultraschall-Vereinbarung. Die Standard-Untersuchung erfolgt mittels farbkodierter Duplex-Sonographie.
In Großbritannien lädt beispielsweise das Programm des National Health Service (NHS) alle Männer ab 65 Jahren zum Ultraschall-Screening ein.
In den USA ermöglicht der SAAAVE-Act das Screening bei Patienten mit einer positiven Familienanamnese für das Bauchaorten-Aneurysma oder bei Nikotinkonsum, sofern sie innerhalb von 6 Monaten nach ihrem 65. Lebensjahr am körperlichen Untersuchungsprogramm „Welcome to Medicare“ teilnehmen.
Medscape Nachrichten © 2018
Diesen Artikel so zitieren: Fall: Plötzlich wahnsinnige Bauchschmerzen – wie müssen Sie bei diesem 85-Jährigen reagieren? - Medscape - 26. Nov 2018.
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