Rückschlag für kardiovaskuläre Entzündungshypothese? Zumindest mit Methotrexat lassen sich Infarkt und Co nicht verhindern

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

20. November 2018

Chicago Die Scientific Sessions der American Heart Association (AHA) in Chicago begannen für die Verfechter der Vorstellung, man könne kardiale Ereignisse verhindern, indem man die Entzündung in den Gefäßen behandelt, mit einer gewissen Ernüchterung. Einer dieser Verfechter: Dr. Paul Ridker, Erstautor des Cardiovascular Inflammation Reduction Trial (CIRT), die am Samstagnachmittag beim Kongress vorgestellt worden ist [1]. Sein Fazit: „Niedrig dosiertes Methotrexat reduzierte bei Patienten mit stabiler Atherosklerose weder Entzündungsmarker, die für die Entstehung von Atherosklerose von Bedeutung sind, noch kardiovaskuläre Ereignisse.“

CANTOS-Erfolg vorläufig einzigartig

Die zeitgleich im New England Journal of Medicine erschienenen Ergebnisse stehen im Widerspruch zu den Resultaten der CANTOS-Studie, die der renommierte Kardiologe von der Harvard Medical School in Boston, USA, im vergangenen Jahr beim ESC-Kongress in Barcelona vorgestellt hat. Darin war es der Arbeitsgruppe um Ridker gelungen, mit der antientzündlichen Substanz Canakinumab kardiale Krankheitsereignisse unabhängig von einer Senkung des Cholesterinspiegels zu reduzieren – was die kardiologische Fachwelt in Begeisterung versetzt hatte.

 
Niedrig dosiertes Methotrexat reduzierte bei Patienten mit stabiler Atherosklerose weder Entzündungsmarker, die für die Entstehung von Atherosklerose von Bedeutung sind, noch kardiovaskuläre Ereignisse. Dr. Paul Ridker
 

Novartis versucht seither, für sein Medikament Ilaris® mit dem Wirkstoff Canakinumab eine kardiovaskuläre Indikation zu bekommen – was allerdings bislang an der US-Arzneimittelbehörde FDA gescheitert ist. Eine weitere Studie, die zeigt, dass eine andere antientzündliche Substanz ebenfalls Herzereignisse reduziert, wäre ein gewichtiges Argument für die Validität des Wirkprinzips gewesen.

„Informative neutrale Kontrolle“

Allerdings betonte Ridker gegenüber Medscape, dass CIRT im Hinblick auf die Erforschung der „Inflammations-Hypothese“ nicht „negativ“ ausgefallen sei, sondern „eine informative neutrale Kontrolle“ für die positiven Ergebnisse der CANTOS-Studie darstelle. „Wenn man die beiden Studien zusammen betrachtet, ist das Spannende, dass wir nun ganz gut einschätzen können, in welche Richtung wir gehen müssen.“

In CIRT wurden Patienten mit vorangegangenem Herzinfarkt oder koronarer Mehrgefäßerkrankung aufgenommen, die zusätzlich entweder einen Typ-2-Diabetes oder ein Metabolisches Syndrom hatten. Anders als in CANTOS waren erhöhte Level an hochsensitivem C-reaktivem Protein kein Einschlusskriterium. Die Studienteilnehmer wurden entweder mit Methotrexat in niedriger Dosierung – die Zieldosis betrug 15 bis 20 mg/Woche – oder einem Placebo behandelt. Zusätzlich erhielten alle Patienten täglich 1 mg Folsäure.

Nicht besser als Placebo

Zu Studienbeginn war der primäre Endpunkt eine Kombination aus Herzinfarkt, Schlaganfall und kardiovaskulär bedingtem Tod. Kurz vor Studienende, aber vor der Entblindung, nahmen die Autoren noch Hospitalisierungen wegen instabiler Angina pectoris, die eine rasche Revaskularisierung erfordert, hinzu.

Nach median 2,3 Jahren wurde die Studie gestoppt. Die Behandlung mit Methotrexat hatte im Vergleich zu Placebo nicht zu einer Reduktion der Level an Interleukin-1β, Interleukin-6 oder C-reaktivem Protein geführt.

Den finalen primären Endpunkt erreichten in der Methotrexat-Gruppe 201 Patienten und in der Placebo-Gruppe 207 Patienten – kein signifikanter Unterschied. Gleiches galt für den ursprünglichen primären Endpunkt.

Methotrexat war aber mit erhöhten Leberenzymen, einer reduzierten Leukozytenzahl und einem niedrigeren Hämatokrit assoziiert. Außerdem kam es zu einem unerwarteten Anstieg bei Krebserkrankungen, speziell traten in der Methotrexat-Gruppe häufiger Nicht-Basalzellkarzinome der Haut auf.

Es muss der richtige Signalweg sein

Ridker und seine Kollegen gehen basierend auf den Ergebnissen der beiden Studien davon aus, dass „die Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse davon abhängt, welcher Signalweg gehemmt wird“. Die Hemmung der Signalübertragung über Interleukin-1β und Interleukin-6 – ein Prozess auf Ebene des NLRP3-Inflammasoms – verringerte in CANTOS effektiv kardiovaskuläre Ereignisse. Humangenetische Daten deuten darauf hin, dass dieser Signalweg bei der Atherosklerose eine kausale Rolle spielt.

Das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und kardiovaskulär bedingten Tod sank in der Canakinumab-Gruppe in CANTOS bei den Patienten am stärksten, bei denen die Level an Interleukin-6 und C-reaktivem Protein am stärksten abgenommen hatten.

Methotrexat hemmt an der falschen Stelle

Studien mit neutralen Ergebnissen wie CIRT, in denen es nicht zu einer Reduktion der Konzentrationen an Interleukin-1β, Interleukin-6 und C-reaktivem Protein kam, deuten den Autoren zufolge drauf hin, dass Signalwege gehemmt wurden, die offenbar für die Atherosklerose eine weniger entscheidende Rolle spielen. Der genaue Wirkmechanismus von Methotrexat ist nicht vollständig geklärt, aber man geht davon aus, dass die antientzündlichen Eigenschaften durch Adenosin vermittelt werden.

„Bislang hat sich nur die Hemmung des Interleukin-1β-Interleukin-6-Signalwegs als wirksam in der Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse erwiesen“, berichten Ridker und seine Koautoren. Wirksame antientzündliche Substanzen müssten demzufolge entweder upstream das NLRP3-Inflammasom oder downstream Interleukin-6 inhibieren.

 
Bislang hat sich nur die Hemmung des Interleukin-1β-Interleukin-6-Signalwegs als wirksam in der Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse erwiesen. Dr. Paul Ridker
 

Bei der Diskussion der Studienergebnisse in Anschluss an Ridkers Präsentation wandte Dr. Sidney C. Smith Jr, University of North Carolina, Chapel Hill, USA, ein, dass die Patienten in CANTOS eventuell ein höheres Risiko gehabt hätten. Außerdem „brauchen wir mehr Informationen zur Beziehung zwischen der Wirksamkeit antientzündlicher Substanzen bei verschiedenen LDL-Cholesterinwerten und der Statin-Dosis“. In CIRT sei nämlich das LDL-Cholesterin bis in den empfohlenen Zielbereich mit intensiver Statintherapie gesenkt worden (im Mittel auf 68 mg/dl), während es in CANTOS im Mittel bei 82 mg/dl gelegen habe.

Neue Substanzen in der Pipeline

Ridker zustimmend betonte aber auch Smith, dass CIRT und CANTOS dabei helfen könnten, die richtigen Substanzen für die Bekämpfung der Entzündung auszuwählen. „2 Studien – LoDoCO und COLCOT –, die Colchicin, welches ebenfalls auf Interleukin-1β wirkt, untersuchen, werden in dieser Hinsicht wertvolle Informationen liefern.“

Und Ridker ergänzte, dass orale NLRP3-Inhibitoren, die den Signalweg von Interleukin-1β zu Interleukin-6 zu C-reaktivem Protein beeinflussen, sich ebenfalls in der Testphase befänden.

 

Kommentar

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