So gut wie jede der bekannten Infektionskrankheiten dieser Welt unterliegt jahreszeitlichen Einflüssen und tritt deshalb im Laufe eines Jahres mit unterschiedlicher Häufigkeit auf. Zu diesem Ergebnis gelangt eine Analyse epidemiologischer Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO), des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) in Solna, Schweden, und der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in Atlanta, USA.
Dr. Micaela Elvira Martinez vom Department of Environmental Health Sciences der Columbia University Mailman School of Public Health in New York trägt in ihrer Veröffentlichung im Open Access-Journal Plos Pathogens die saisonalen Schwerpunkte von 69 Infektionskrankheiten in eine Art Jahreskalender ein [1].
„Jede akut auftretende Infektionskrankheit hat ihr eigenes zeitliches Fenster, das allerdings je nach dem Ort ihres Auftretens variieren und sich von anderen Krankheiten innerhalb derselben Region unterscheiden mag“, schreibt Martinez.
Ein bekanntes Beispiel sei das Auftreten der Influenza während des Winterhalbjahres in der nördlichen Hemisphäre. Windpocken-Ausbrüche dagegen erreichten ihren Höhepunkt im Frühjahr, die Übertragung von Polio habe in der Geschichte schwerpunktartig jeden Sommer stattgefunden. Andere Infektionskrankheiten wie Masern und Pertussis zeigten zwar ebenfalls eine saisonale Abhängigkeit, könnten aber sowohl mehrmals im Jahr als auch nur alle paar Jahre ausbrechen.
Nicht nur das Klima spielt eine Rolle
Als Treiber dieser Phänomene identifiziert Martinez 4 Faktoren:
Dazu zählt sie zunächst klimatische Faktoren wie Temperatur und Niederschlagsmenge sowie Umwelteinflüsse wie den saisonalen Salzgehalt eines Oberflächengewässers, die nicht nur den Erreger, sondern auch die Empfänglichkeit des Wirts beeinflussen könnten.
Als weiteren Faktor nennt die Autorin Verhaltensmerkmale des Wirtsorganismus. So spiele die Zusammenkunft zahlreicher Kinder während der Schulzeiten eine Rolle bei der Ausbreitung der Masern.
Phänologische Faktoren könnten zudem mit determinierten jahreszeitlichen Verhaltensweisen in Zusammenhang stehen, etwa mit dem Zugverhalten von Vögeln, dem Winterschlaf von Säugetieren oder deren Paarungssaison. Das sei unter anderem beim Zika-Virus und beim MERS-Coronavirus der Fall. Saisonale Verhaltensweisen des Menschen spielten offenbar eine Rolle bei dem saisonalen Auftreten von Tuberkulose und Meningokokken.
Als letzten Faktor identifiziert Martinez „äußere, durch Lebewesen bedingte Faktoren“ (exogenous biotic factors), etwa das Zusammenwirken zweier Parasiten gegenüber einem Wirt, wie es etwa bei der Lyme-Borreliose (Borrelien/Spirochäten) möglich sei.
Erkenntnisgewinn durch „Saisonalitätsmuster“?
Kritisch sieht allerdings der Berliner Virologe Prof. Dr. Christian Drosten, Direktor am Institut für Virologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin, gegenüber Medscape den Wert der Veröffentlichung. Sie sei lediglich „ein Hypothesenstück“, das „schon lange bekannte Beobachtungen zur Saisonalität verschiedener Infektionskrankheiten“ zusammentrage und dann Wege vorschlage, „wie man durch Modellierungsansätze Gemeinsamkeiten zwischen Saisonalitätsmustern finden kann“.
Autorin Martinez gibt in ihrer Arbeit allerdings ihrer Hoffnung Ausdruck, durch die Identifizierung gemeinsamer Auslöser saisonaler Infektionsschwerpunkte mehrerer Erreger neue Erkenntnisse für deren Bekämpfung gewinnen zu können. Derartige Parallel-Aktionen könnten die Gruppe Zika – Dengue – Chikungunya – Gelbfieber oder die Gruppe Influenza – RSV – bakterielle Pneumonie – Keuchhusten betreffen, meint sie.
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Diesen Artikel so zitieren: Kalender der Infektionen: 4 Faktoren, die beeinflussen, zu welcher Jahreszeit welcher Infekt Saison hat - Medscape - 20. Nov 2018.
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