Broken-Heart-Syndrom mit kardiogenem Schock: Auch langfristig erhöhtes Sterberisiko – sorgfältige Nachbeobachtung lohnt

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

11. November 2018

Chicago/USA – Patienten, die eine durch einen kardiogenen Schock verkomplizierte Tako-Tsubo-Kardiomyopathie überleben, haben noch Jahre später ein höheres Sterberisiko als diejenigen, die keinen kardiogenen Schock entwickeln. Zu diesem unerwarteten Ergebnis kommt eine aktuelle Auswertung des weltweit größten Registers zur Tako-Tsubo-Kardiomyopathie, des International Takotsubo Registry [1].

Stress-Kardiomyopathie und Broken-Heart-Syndrom sind weitere Bezeichnungen für die seltene, akut einsetzende und oft schwerwiegende Funktionsstörung des Herzmuskels, die oft unmittelbar nach einer außerordentlichen körperlichen oder emotionalen Belastung auftritt.

 
Das unterstreicht, wie wichtig eine sorgfältige Langzeitnachbeobachtung dieser Patientengruppe ist. Prof. Dr. Christian Templin
 

Langfristig erhöhtes Risiko

Prof. Dr. Christian Templin

„Über die erhöhte Kurzzeit-Mortalität hinaus zeigt diese Analyse erstmals, dass Menschen mit Broken-Heart-Syndrom, das durch einen kardiogenen Schock verkompliziert wird, auch noch Jahre später ein höheres Risiko haben, zu sterben. Dies unterstreicht, wie wichtig eine sorgfältige Langzeitnachbeobachtung dieser Patientengruppe ist“, sagt Prof. Dr. Christian Templin, Erstautor der Studie und Leiter der Akuten Kardiologie am Universitären Herzzentrum Zürich.

Templin stellt die Ergebnisse der Registerauswertung am 10. November bei den Scientific Sessions 2018 der American Heart Association (AHA) in Chicago vor, zeitgleich erscheinen sie im Journal Circulation.

 
Neu ist, dass die Prognose dieser Patienten offenbar nicht nur akut schlecht ist, sondern auch im Langzeitverlauf. Prof. Dr. Martin Borggrefe
 

Prof. Dr. Martin Borggrefe

Etwa einer von 10 Patienten mit Tako-Tsubo-Kardiomyopathie entwickelt einen kardiogenen Schock. „Wie auch beim akuten Herzinfarkt ist die Prognose dieser Patienten sehr ungünstig, wenn ein kardiogener Schock verkomplizierend hinzutritt“, kommentiert Prof. Dr. Martin Borggrefe, Direktor der I. Medizinische Klinik – Kardiologie, Angiologie, Pneumologie, Internistische Intensivmedizin, Hämostaseologie der Universitätsmedizin Mannheim, im Gespräch mit Medscape. „Neu ist, dass die Prognose dieser Patienten offenbar nicht nur akut schlecht ist, sondern auch im Langzeitverlauf.“

Risikofaktoren für kardiogenen Schock

Darüber hinaus bringe die Studie erstmals zu Tage, welche Risikofaktoren mit der Entwicklung eines kardiogenen Schocks bei Patienten mit Tako-Tsubo-Kardiomyopathie vergesellschaftet seien.

Templin und seine Koautoren verglichen 198 Patienten mit Tako-Tsubo-Kardiomyopathie, die einen kardiogenen Schock entwickelten, mit 1.880 Patienten ohne diese Komplikation. Dabei zeigte sich, dass Patienten mit kardiogenem Schock nicht nur – wie erwartet – eine höhere Krankenhausmortalität aufwiesen (23,5 vs 2,3%). Auch in den 5 Jahren nach dem Ereignis starben sie signifikant häufiger als diejenigen ohne kardiogenen Schock.

Des Weiteren berichten die Mediziner, dass sich Patienten mit Tako-Tsubo-Kardiomyopathie und kardiogenem Schock durch bestimmte Merkmale ausgezeichnet hätten:

  • Die Erkrankung wurde bei ihnen häufiger durch körperlichen Stress, etwa eine Operation oder einen Asthmaanfall ausgelöst, als durch eine emotionale Belastung (66,7 vs 33%).

  • Sie wiesen häufiger ein Vorhofflimmern auf (13,1 vs 5,7%)

  • Bei der Aufnahme ins Krankenhaus hatten sie häufiger eine niedrige Ejektionsfraktion (32,7 vs 41,6%).

  • Bei ihnen war häufiger die Herzspitze betroffen, im Röntgen oder Ultraschall war bei ihnen eine apikale Aufblähung des linken Ventrikels zu sehen (80,3 vs 70,2%).

  • Sie hatten häufiger Herzrisikofaktoren in der Vorgeschichte, wie Diabetes (21,0 vs 14,8%) oder Rauchen (27,4 vs 19,3%).

Gefährdete Patienten identifizieren

„Die medizinische Vorgeschichte und die Parameter, die bei Aufnahme ins Krankenhaus leicht zu ermitteln sind, könnten dabei helfen, Patienten mit Broken-Heart-Syndrom zu identifizieren, die ein erhöhtes Risiko für einen kardiogenen Schock haben. Bei solchen Patienten könnte eine engmaschige Überwachung erste Zeichen eines kardiogenen Schocks aufzeigen und ein promptes Management ermöglichen“, so Templin.

 
Die erste Auswertung des Registers hatte gezeigt, dass die Rezidivrate und die Sterblichkeit bei Patienten mit Tako-Tsubo-Kardiomyopathie noch schlechter ist als zuvor angenommen Prof. Dr. Martin Borggrefe
 

„Der kardiogene Schock identifiziert offenbar eine Subgruppe von Patienten, die eine sehr ungünstige Prognose haben“, sagt Borggrefe. „Die erste Auswertung des Registers hatte gezeigt, dass die Rezidivrate und die Sterblichkeit bei Patienten mit Tako-Tsubo-Kardiomyopathie noch schlechter ist als zuvor angenommen. Und nun zeigt die neue Auswertung, dass die Prognose in diesem Hochrisikokollektiv mit kardiogenem Schock noch schlechter ist und dass diese Patienten der besonderen Aufmerksamkeit bedürfen.“

Nach möglichen Auslösern forschen

Eine durch prospektive Studien gestützte leitliniengerechte Management-Strategie für Tako-Tsubo-Kardiomyopathie liege nicht vor. Aber Borggrefe empfiehlt, die Patienten in Abständen von 3 Monaten ambulant zu sehen: „Im Gespräch sollte versucht werden, mögliche Auslösefaktoren zu identifizieren, etwa Stresssituationen in Familie oder Beruf, eventuell sind auch Stress-Bewältigungsmaßnahmen zu empfehlen.“

Weshalb Patienten, die einen kardiogenen Schock entwickeln, auch langfristig eine höhere Sterblichkeit aufweisen, lässt sich aus der Register-Auswertung nicht ableiten. Auf Nachfrage von Medscape erklärt Templin, dass sich die schlechteren Langzeitergebnisse möglicherweise zum Teil durch die höhere Prävalenz an physischen Stressfaktoren und bestimmten Begleiterkrankungen erklären ließen.

Subtile Funktionsstörung als Ursache?

„Darüber hinaus haben kürzlich durchgeführte Studien gezeigt, dass nach einer funktionellen Erholung der linksventrikulären Funktion, die häufig beim Takotsubo-Syndrom beobachtet wird, eine subtile linksventrikuläre systolische und diastolische Dysfunktion bei einer Langzeituntersuchung bestehen bleiben kann. Es ist denkbar, dass solch eine Funktionsstörung bei Patienten mit kardiogenem Schock stärker ausgeprägt sein könnte und dass dies die Ergebnisse beeinflussen könnte“, ergänzt er. Diese Hypothesen müssten in künftigen Studien weiter untersucht werden.

Nach den klinischen Konsequenzen der Studienergebnisse befragt, meint Borggrefe: „Nun gilt es herauszufinden, wie man Komplikationen des kardiogenen Schocks verhindern kann. Brauchen die Patienten eine Betablocker-Therapie, und wenn ja, in welcher Dosierung? Brauchen sie eine psychologische Betreuung und möglicherweise eine Therapie mit Psychopharmaka? All das ist unklar.

Ballonpumpe als Brücke zur Genesung

Im Gegensatz zur Pathogenese und zur Prävention langfristiger Komplikationen liefert die Registerauswertung aber Hinweise darauf, wie sich möglicherweise die Kurzzeitmortalität der Patienten mit kardiogenem Schock verringern ließe. „Wir beobachteten eine geringe Mortalität im Krankenhaus bei Patienten mit kardiogenem Schock, bei denen eine kardiale mechanische Unterstützung eingesetzt wurde, insbesondere nach Einlage einer intraaortalen Ballonpumpe (IABP)“, berichtet Templin.

Diese Geräte müssten zwar mit Vorsicht eingesetzt werden, es bestehe – insbesondere bei längerer Anwendung – die Gefahr von Schlaganfällen und Blutungen, wie Borggrefe warnt. „Aber sie können bei Patienten ohne Kontraindikationen als ‚bridge-to-recovery‘ dienen“, so Templin, ergänzt aber, dass „eine IABP bei Patienten mit dynamischer linksventrikulärer Ausfluss-Obstruktion aufgrund des Anstiegs des Druckgradienten unvorteilhaft sein kann. Es sollte unbedingt vor der Einlage einer IABP durch eine transthorakale Echokardiographie eine Ausflussbahn-Obstruktion sorgfältig ausgeschlossen werden.“

 

Kommentar

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