Internationale Experten befürworten Lungenkrebs-Screening mit Low-Dose-
CT – Radiologe empfiehlt Umsetzung auch in Deutschland

Interessenkonflikte

9. November 2018

Low-Dose-Computertomografie (CT)-Screenings verringern bei Hochrisiko-Personen wie starken Rauchern oder Ex-Rauchern die Sterblichkeit durch Lungenkrebs signifikant. Zu dem Ergebnis kommt die International Association for the Study of Lung Cancer (IASLC) nach Auswertung zweier Studien [1]. Sie fordert daher, weltweit Screening-Programme für Risikopatienten aufzusetzen, was in den USA bereits geschehen ist.

„Das Statement ist sehr optimistisch, aber genau diesen Weg wollen wir auch bei uns gehen“, meint Prof. Dr. Hans-Ulrich Kauczor von der Deutschen Röntgengesellschaft im Gespräch mit Medscape. „Inhaltlich ist alles korrekt, mit geringen Anpassungen lassen sich die Empfehlungen tatsächlich auch in Deutschland umsetzen.“ 

Der Radiologe vom Translational Lung Research Center am Universitätsklinikum Heidelberg zu den Hintergründen: „Wir haben ein neues Strahlenschutzgesetz. Zuvor wären Maßnahmen außerhalb von Studien unmöglich gewesen.“ Jetzt brauche es aber Durchführungsbestimmungen, um konkrete Maßnahmen abzuleiten.

Der Experte berichtet von einem geplanten Fachgespräch unter Federführung des Umweltbundesamts (UBA) bzw. des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) mit Vertretern der Fachgesellschaften, der Krankenkassen und des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA).

 
Mit geringen Anpassungen lassen sich die Empfehlungen tatsächlich auch in Deutschland umsetzen. Prof. Dr. Hans-Ulrich Kauczor
 

„Sollte das BfS zu einem positiven Ergebnis kommen, werden Regeln formuliert, beispielsweise zur Strahlenexposition.“ Er kritisiert: Allein über die Computertomogramme bzw. die Strahlendosis zu sprechen, sei bei der Diskussion über Nutzen und Risiken zu wenig. Es gehe u.a. auch darum, zu entscheiden, wer überhaupt von Screening-Programmen profitiere. 

Der Experte kann sich vorstellen, nicht nur nach Bronchialkarzinomen, sondern auch z.B. nach Vorstufen einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) oder einer Atherosklerose zu suchen, 2 weiteren Folgen des Tabakkonsums. „Schließlich sollte ein CT-Screening auf Lungenkrebs auch unbedingt mit dem Angebot einer Raucherentwöhnung verknüpft werden, um den Rauchern ein attraktives und umfassendes Präventionsangebot machen zu können“, ergänzt Kauczor.

NLST und NELSON-Studie: Risikopatienten profitieren vom Screening

Dazu ein Blick auf die Daten: „Aus der NELSON-Screeningstudie zusammen mit der National Lung Screening Trial (NLST) haben wir Evidenz für die Umsetzung des Lungenkrebs-Screenings per CT“, schreibt Dr. James L. Mulshine, Vorsitzender des IASLC Early Detection and Screening Committee.

„Der einstimmige Konsens unserer Screening-Experten lautet, dass es für Regierungen, Gesundheitssysteme und andere Interessenvertreter an der Zeit ist, Programme zum Lungenkrebs-Screening umsetzen, wie sie es bei Brustkrebs (Mammografie) und Darmkrebs (Koloskopie) tun, die das Leben unzähliger Menschen retten.“

An der bekannten Studie National Lung Screening Trial (NLST) nahmen 53.454 Personen mit hohem Lungenkrebsrisiko teil. Sie wurden randomisiert alle 3 Jahre per Low-Dose-CT (n=26.722) oder Röntgen (n=26.732) untersucht.

Die Inzidenz von Lungenkrebs lag in der Low-Dose-CT-Gruppe bei 645 Fällen pro 100.000 Personenjahre, verglichen mit 572 Fällen pro 100.000 Personenjahre in der Röntgen-Gruppe. Es gab 247 versus 309 Todesfälle pro 100.000 Personenjahre, was einer relativen Verringerung der Mortalität um 20% entspricht. Die Gesamtmortalität ging um 6,7% zurück.

Auf Basis dieser Ergebnisse wird in den USA ein Low-Dose-Screening für Personen zwischen 55 und 77 Jahren mit mindestens 30 Packungsjahren und weniger als 15 Jahren Nikotinkarenz empfohlen.

NELSON-Studie: CT-Screening effektiv

Ende September hat Dr. Harry J. De Koning auf der World Conference on Lung Cancer (WCLC) Ergebnisse der NELSON-Studie mit 15.792 Hochrisiko-Teilnehmern vorgestellt. Er arbeitet am Erasmus MC, Rotterdam. Aufgenommen wurden Raucher oder Ex-Raucher zwischen 50 und 74 Jahren, die mehr als 10 Zigaretten pro Tag seit mindestens 30 Jahren oder mehr als 15 Zigaretten pro Tag seit mindestens 25 Jahren konsumiert hatten.

 
Ein CT-Screening auf Lungenkrebs sollte auch unbedingt mit dem Angebot einer Raucherentwöhnung verknüpft werden. Prof. Dr. Hans-Ulrich Kauczor
 

Sie wurden randomisiert entweder einem Studienarm mit Low-Dose-CT oder einem Kontrollarm ohne Untersuchungen zugeordnet. Teilnehmer im Studienarm erhielten CT-Screenings zu Beginn und nach 1, 2 bzw. 5,5 Jahren. Hinzu kamen Informationen über mögliche Krebserkrankungen und Todesursachen aus niederländischen Registern.

Nach 10 Jahren zeigte De Koning, dass Todesfälle durch Bronchialkarzinome bei Männern um 26% verringert werden konnten. In einer kleineren Subgruppe mit Frauen ging die Mortalität während des 10-jährigen Follow-ups um bis zu 61% nach unten.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass CT-Screenings ein effektiver Weg sind, um auffällige Strukturen bei Menschen mit hohem Lungenkrebsrisiko zu beurteilen, was oft zur Erkennung verdächtiger Strukturen und zu chirurgischen Eingriffen mit relativ niedrigen Raten an falschpositiven Diagnosen führt und die Heilungschancen erhöht“, fasst De Koning zusammen.

Flächendeckende Screenings von Risikopatienten

„Da es jetzt zwei große, gut konzipierte und gut durchgeführte randomisierte Studien (sowohl aus den USA als auch aus Europa) gibt, die eine signifikante Verringerung der Lungenkrebs-Mortalität bei Tabak-exponierten Personen mit hohem Risiko zeigen, müssen wir diesen Ansatz zur Früherkennung ausweiten“, schreibt die IASLC.

 
Der einstimmige Konsens unserer Screening-Experten lautet, dass es für Regierungen, Gesundheitssysteme und andere Interessenvertreter an der Zeit ist, Programme zum Lungenkrebs-Screening umsetzen. Dr. James L. Mulshine
 

Dazu gehörten neben Untersuchungen auch Angebote zur Entwöhnung. Und weiter: „Die IASLC erkennt an, dass für die Durchführung von Screenings jedes nationale Gesundheitssystem die Befugnis hat, eigene Vorgehensweisen zu definieren.“ Dennoch würden alle Mitgliedsorganisationen aufgefordert, Low-Dose-Screenings in ihrem Zuständigkeitsbereich umzusetzen. Dazu gehörten als wichtigste Punkte:

  • die Identifizierung von Personen mit hohem Risiko,

  • die Entwicklung von Richtlinien, um gleichbleibend hochwertige Low-Dose-CT-Aufnahmen zu gewährleisten, inklusive der Definition positiver und negativer Befunde,

  • die Entwicklung eines klinischen Algorithmus inklusive Pathologie für den weiteren Umgang mit unklaren Befunden,

  • die Integration von Modulen zur Raucherentwöhnung in CT-Screening-Programmen.

Wenig überraschend sieht es Mulshine als große Herausforderung, Low-Dose-Screenings in nationale Gesundheitssysteme zu integrieren – aufgrund bestehender Einschränkungen, aber auch aufgrund von Informationsdefiziten bei der Bevölkerung. Er verspricht Unterstützung: „Das IASLC wird als Ressource dienen, um die globale Implementierung von wirtschaftlichen und effizienten Screening-Dienstleistungen zu unterstützen.“

 

Kommentar

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