Fortgeschrittenes Nierenzell-Karzinom: Erstmals positive Ergebnisse in Phase 3 mit Kombination aus PD-L1-Blocker und TKI

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

8. November 2018

München – Mit der Kombination des Immun-Checkpoint-(PD-L1)-Blockers Avelumab und dem Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) Axitinib bleiben nicht vorbehandelte Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom signifikant länger progressionsfrei als mit dem bisherigen Standard Sunitinib.

Prof. Dr. Robert Motzer

Dies zeigen Zwischenergebnisse der Phase-3-Studie JAVELIN Renal 101, die Prof. Dr. Robert Motzer, Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York, USA, im Präsidentensymposium beim ESMO-Kongress 2018 in München vorgestellt hat [1].

„JAVELIN Renal 101 ist die erste positive Phase-3-Studie, die einen Checkpoint-Inhibitor zusammen mit einem Tyrosinkinase-Inhibitor im Vergleich zu einem Tyrosinkinase-Inhibitor allein in der Erstlinientherapie des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms untersucht hat“, so Motzer. Sein Fazit: „Diese Ergebnisse unterstützen den Einsatz von Avelumab plus Axitinib als neuen Standard in der Erstlinien-Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom.“

Prof. Dr. Victor Grünwald

Die in der Studie beobachtete Wirkung der Kombination sei überzeugend, befand auch Prof. Dr. Victor Grünwald, Westdeutsches Tumorzentrum, Essen, als Diskutant der Studie in der ESMO-Sitzung. Und: Dies stimme mit anderen verfügbaren Daten überein.

Als sehr überraschend bezeichnete Grünwald, dass unter der Kombination nicht die Toxizität substanziell erhöht war. Die Wirkung war unabhängig vom PD-L1-Status der Patienten und der Risikogruppe. Anhand dieser beiden Marker lässt sich demnach nicht entscheiden, wer ein Kandidat für diese Kombinationstherapie ist.

Ob die Kombination tatsächlich besser als eine Sequenztherapie der beiden Wirkprinzipien ist, lässt sich nach Aussage von Grünwald erst beantworten, wenn Daten zum Gesamtüberleben (OS) und zur Lebensqualität vorliegen. Die Daten zum OS zeigten derzeit einen Trend zugunsten der Kombination.

Grünwald wies auf eine Mitte Oktober 2018 erschienene Pressemitteilung zur Phase-3-Studie KEYNOTE-426 hin, nach der eine Kombination aus dem PD-1-Inhibitor Pembrolizumab (Keytruda®, Merck/MSD) plus Axitinib in einer ersten Zwischenanalyse hinsichtlich PFS und OS in der Erstlinientherapie von Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom (RCC) ebenfalls signifikant besser war als Sunitinib. Dies mache deutlich, wieviel Bewegung derzeit in diesem Bereich sei.

„Axitinib plus Avelumab sind in der Wirkung besser als Sunitinib und sollten für unsere Patienten verfügbar sein. Aber ohne Nachweis eines Überlebens-Benefits und einer Verbesserung der Lebensqualität ist unklar, ob die Kombination für die ‚Prime Time‘ bereit ist“, so Grünwald. Derzeit sieht er eine Nische für diese Therapie insbesondere bei Patienten mit günstigem Risikoprofil.

Fortgeschrittenes Nierenzellkarzinom – schlechte Prognose

Die Prognose für Patienten mit fortgeschrittenem RCC ist trotz neuer Therapiemöglichkeiten schlecht, nur 10% überleben die Diagnose länger als 5 Jahre. Avelumab (Bavencio®, Merck/Pfizer) ist ein PD-L1-Inhibitor, der im September 2017 in der EU für die Behandlung von Merkel-Zell-Karzinomen als Orphan Drug zugelassen worden ist. Der Tyrosinkinase-Inhibitor Axitinib (Inlyta®, Pfizer) ist seit September 2012 für die Zweitlinientherapie von Patienten mit fortgeschrittenem RCC zugelassen.

 
Diese Ergebnisse unterstützen den Einsatz von Avelumab plus Axitinib als neuen Standard in der Erstlinienbehandlung von Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom. Prof. Dr. Robert Motzer
 

Rationale für die Kombination der beiden Substanzen war, dass Axitinib zum einen die Gefäßneubildung im Tumor durch Blockade des VEGFR-Signalwegs hemmt (VEGFR: Vascular Endothelial Growth Factor Receptor), zusätzlich aber immunmodulatorische Effekte aufweist, etwa die Infiltration von Immunzellen in den Tumor verstärkt und Immun-Suppressorzellen hemmt. In präklinischen Modellen hatte die gleichzeitige Hemmung von VEGFR/VEGF und der PD-1/PD-L1-Achse synergistische Anti-Tumorwirkungen.

In der JAVELIN-Renal-100-Studie, einer Phase-1b-Studie mit 55 Patienten mit fortgeschrittenem RCC konnte mit der Kombination eine objektive Ansprechrate von 58% erreicht werden.

In die von Pfizer finanzierte und im Rahmen einer Allianz zwischen Pfizer und Merck KGaA durchgeführte Phase-3-Studie JAVELIN Renal 101 wurden 886 Patienten mit unbehandeltem fortgeschrittenem RCC aufgenommen. Randomisiert (1:1) erhielten sie Avelumab 10 mg/kg i.v. alle 2 Wochen plus täglich Axitinib 5 mg oral oder täglich 50 mg Sunitinib oral in 6 Wochen dauernden Zyklen mit 4 Wochen Therapie und 2 Wochen Pause.

Koprimäre Endpunkte der Studie waren das progressionsfreie Überleben (PFS) und das Gesamtüberleben (OS) bei den PD-L1-positiven Patienten. Wichtige sekundäre Endpunkte sind das PFS und das OS in der Gesamtpopulation.

Eine Zwischenanalyse war nach ca. 235-PFS-Ereignissen in der PD-L1-positiven Gruppe geplant. Diese erfolgte zum Stichtag am 20. August 2018, nachdem 253 PFS-Ereignisse aufgetreten waren.

Kombination verlängert PFS signifikant

Bei 560 Patienten (63%) war der Tumor PD-L1-positiv. In dieser Gruppe erhalten 270 Patienten die Kombination und 290 Patienten Sunitinib. In der Gesamtpopulation werden 442 mit Avelumab plus Axitinib und 444 mit Sunitinib behandelt.

Die Patienten sind im Median 62 Jahre alt, 72 bis 78% sind Männer, zwischen 80 und 87% sind nephrektomiert worden. Nach dem Risikoscore des International Metastatic Renal Cell Carcinoma Database Consortium (IMDC) wiesen etwa 20% ein günstiges Risikoprofil auf, etwa 64% hatten eine intermediäre und 14% eine schlechte Prognose.

Das mediane Follow-up lag bei den PD-L1-positiven Patienten der Avelumab-Axitinib-Gruppe bei 9,9 Monaten und in der Sunitinib-Gruppe bei 8,4 Monaten. Das PFS war mit 13,8 Monaten unter Axitinib plus Avelumab mit 13,8 Monaten signifikant länger als unter Sunitinib mit 7,2 Monaten (Hazard Ratio 0,61, p < 0,0001).

Auch in der Gesamtpopulation wirkte die Kombination signifikant besser, das PFS betrug ebenfalls 13,8 Monate unter Kombination und unter Sunitinib 8,4 Monate (HR 0,69, p = 0,0001). Die PFS-Ergebnisse waren ähnlich, wenn sie unabhängig oder durch die Untersucher selbst beurteilt wurden.

Die Gesamtansprechraten waren mit 55 versus 26% in der PD-L1-positiven Gruppe und mit 51 versus 26% in der Gesamtgruppe unter der Kombinationstherapie ebenfalls besser. Dies war vor allem durch das stärkere partielle Ansprechen unter Avelumab plus Axitinib im Vergleich zu Sunitinib bedingt.

Nach Subgruppenanalysen wirkte die Kombination vor allem bei PD-L1-positiven und bei nephrektomierten Patienten gut. Bei PD-L1-negativen Patienten und Patienten ohne vorangegangene Nephrektomie war die Wirkung der Kombination auch besser, doch war dies nicht signifikant.

Die Daten zum Gesamtüberleben sind derzeit noch nicht reif.

Unter der Kombination traten bei 4% der Patienten Nebenwirkungen vom Schweregrad 3/4 auf, unter Sunitinib lag diese Quote sogar bei 7%. Ein Therapieabbruch wegen Nebenwirkungen war bei 4% unter Avelumab plus Axitinib und bei 8% unter Sunitinib erforderlich.

 

Kommentar

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