Nachbesserungen beim Pflegegesetz: Taxifahrt-Abrechnung und Kur für Angehörige einfacher – und der Fachkräftemangel?

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

31. Oktober 2018

Gesundheitsminister Jens Spahn plant Nachbesserungen des Pflegegesetzes, um Pflegebedürftige und ihre Angehörigen zu entlasten. Geplant ist etwa, dass Pflegebedürftige für Taxifahrten zum Arzt künftig keine Vorab-Genehmigung der Krankenkasse mehr benötigen. Auch soll es künftig möglich sein, dass pflegende Angehörige, die in eine Reha-Klinik müssen, ihr Familienmitglied mitnehmen und in der gleichen Einrichtung betreuen lassen können.

 „Bei allem nötigen Engagement für Pflegekräfte. Ohne die gegenseitige Hilfe in den Familien würde unser Pflegesystem zusammenbrechen“, hob Spahn in einem Interview gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen die Bedeutung dieser Neuerungen hervor.

Am 1. August 2018 hatte das Bundeskabinett den Entwurf des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes (PpSG) beschlossen. Derzeit wird im Bundestag über das PpSG beraten. Die beiden Nachbesserungen gehen auf Änderungsanträge von SPD und CDU/CSU zum PpSG zurück:

  • Musste bislang ein pflegender Angehöriger eine Reha antreten, so stellte sich die Frage, wer in dieser Zeit die pflegebedürftigen Familienmitglieder betreut. Mit der geplanten Änderung wird die Möglichkeit geschaffen, das pflegebedürftige Familienmitglied in der Reha parallel betreuen lassen. Ist eine parallele Betreuung in der Reha nicht möglich, muss die Krankenkasse mit der Pflegekasse die Versorgung des Pflegebedürftigen während des Reha-/Kuraufenthaltes besprechen und koordinieren. Zu den Nachbesserungen gehört auch, dass pflegende Angehörige künftig eine stationäre Reha in Anspruch nehmen können, auch wenn medizinisch betrachtet eine ambulante Reha ausreichen würde.

  • Bei Taxifahrten entfällt künftig die Vorab-Genehmigung: Diese muss von den Pflegebedürftigen nicht mehr vorher bei der Krankenkasse eingeholt werden. Die Erstattung der Fahrkosten war bislang nur auf Antrag und nach vorheriger Genehmigung übernommen worden. Der Aufwand für Versicherte, Angehörige und auch bei den Krankenkassen war so unverhältnismäßig hoch. Künftig soll die Genehmigung als erteilt gelten, wenn ein Schwerbehindertenausweis oder ein Pflegegrad (3 mit dauerhaft eingeschränkter Mobilität, 4 oder 5) vorliegt.

Der Gesetzentwurf soll am 9. November abschließend im Bundestag beraten werden und zum 1. Januar 2019 in Kraft treten. Der zentrale Bestandteil ist die Finanzierung von 13.000 zusätzlichen Stellen in den Pflegeheimen.

Konzepte fehlen, um den Fachkräftemangel zu beheben

Fachverbände kritisieren allerdings, dass – bei allen Bemühungen um die Verbesserung der Pflege – nach wie vor Konzepte fehlten, wie der Fachkräftemangel behoben werden könne. Deren Fehlen bemängelt etwa die Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv-und Notfallmedizin (DIVI).

 
Die in der überarbeiteten Personaluntergrenzen-Verordnung festgelegten Werte sind ein unerwünschtes Minimum. Prof. Dr. Dr. Stefan Schwab
 

Dass die neue Personalverordnung nicht ausreiche, meint z.B. Prof. Dr. Dr. Stefan Schwab, Präsident der DIVI und Direktor der Neurologischen Klinik der Universität Erlangen: „Die in der überarbeiteten Personaluntergrenzen-Verordnung festgelegten Werte sind ein unerwünschtes Minimum“, so Schwab in einer Stellungnahme der DIVI zum Referentenentwurf der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV).

Nach dem Entwurf soll eine Intensivpflegerin in der Nachtschicht 3,5 Patienten betreuen. Die DIVI fordert für alle Schichten maximal 2 Patienten für einen Intensivpflegenden. „Wir lehnen die neuen Richtwerte entschieden ab und fordern die Politik auf, sich an unseren Vorgaben aus der Praxis zu orientieren“, betont Schwab.

 
Wir lehnen die neuen Richtwerte entschieden ab und fordern die Politik auf, sich an unseren Vorgaben aus der Praxis zu orientieren. Prof. Dr. Dr. Stefan Schwab
 

Um nachhaltige Veränderungen zu bewirken, mahnt die DIVI eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte, verbesserte Aus- und Weiterbildung sowie familienfreundliche und planungssichere Arbeitszeiten an. Ohne diese Konzepte könne man so viel Grenzen festlegen, wie man wolle: „Wenn kein Personal da ist, um diese zu erfüllen, greifen alle Maßnahmen buchstäblich ins Leere“, heißt es in der Stellungnahme.

Pflege-Memorandum fordert konkrete Vorgaben

Gezielte Weiterbildung und mehr Solidarität hatten der Verein „Stiftung Pflege“ und die DIVI erst kürzlich in einem gemeinsamen Pflege-Memorandum gefordert. „Uns geht es um ausreichende Arbeitszeit, mehr Wertschätzung und natürlich auch eine adäquate Bezahlung der Pflegenden“, sagt Thomas van den Hooven, Präsidiumsmitglied der DIVI und Pflegedirektor am Universitätsklinikum Münster.

 
Uns geht es um ausreichende Arbeitszeit, mehr Wertschätzung und natürlich auch eine adäquate Bezahlung der Pflegenden. Thomas van den Hooven
 

Schon lange fordert die DIVI konkrete Vorgaben für eine adäquate Pflegekraft-Besetzung von Notaufnahmen und mehr Personal für eine bessere Patientenbetreuung. Im Memorandum wird auch die Kommunikation in den Notaufnahmen thematisiert: Hilfesuchende sollen freundlich und persönlich angesprochen werden sowie Informationen über die aktuellen Wartezeiten erhalten. Verletzungsgefährdete und gebrechliche Menschen sowie Kinder sollen adäquat empfangen werden.

Das Pflege-Memorandum fordert zudem, die Konzepte zur Zertifizierung von Notaufnahmen anzupassen: Die verbesserte Information und Orientierung der Hilfesuchenden, die Wertschätzung der Arbeit in der Zentralen Notaufnahme, die Präsenz und Zuständigkeiten von Mitarbeitern sowie genügend modern ausgestattete Räume sollen ein wichtiger Bestandteil sein.

Es hebt außerdem Aspekte der Patientenfreundlichkeit und der interdisziplinären Zusammenarbeit hervor: „Die Pflegekräfte wollen Rahmenbedingungen vorfinden, die es ihnen ermöglichen, ihre Profession so auszuüben, wie sie diese gelernt haben. Notaufnahmen sind Bereiche, in denen Menschen in hochkritischen Zuständen sind. Sie zu betreuen, erfordert Zeit und genügend Personal. Diese Forderung unterstützen wir als DIVI und fordern die Politik auf, jetzt die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen“, so van den Hooven.

 

Kommentar

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