München – Erstmals sind für einen CDK4/6-Inhibitor von einer Phase-3-Studie Daten zum Gesamtüberleben (OS) vorgestellt worden. Doch nun gibt es Diskussionen über die Interpretation. Denn nach einer Nachbeobachtungszeit von 44,8 Monaten verlängerte Palbociclib in Kombination mit Fulvestrant bei Frauen mit Hormonrezeptor-positivem, HER2-negativem metastasiertem Brustkrebs, deren Erkrankung nach endokriner Therapie weiter fortgeschritten war, zwar das Gesamtüberleben auf 34,9 Monate. Doch die Differenz von 6,9 Monaten zu einer medianen Überlebenszeit von 28,0 Monaten unter Fulvestrant-Monotherapie erwies sich mit einer Hazard Ratio von 0,81 und einem p-Wert von 0,09 als nicht signifikant.
Die Ergebnisse hat Prof. Dr. Massimo Cristofanilli, Feinberg School of Medicine, Chicago, bei der Tagung der European Society for Medical Oncology (ESMO) in München vorgestellt [1]. Sie sind auch parallel im New England Journal of Medicine publiziert worden [2].

Prof. Dr. Massimo Cristofanilli
Das Gesamtüberleben war ein sekundärer Endpunkt der Phase-3-Studie PALOMA-3. Im Jahr 2015 waren die ersten Daten zum progressionsfreien Überleben (PFS) vorgestellt worden (wie Medscape berichtete), 2016 hatten Cristofanilli und seine Kollegen die finalen Ergebnisse zum progressionsfreien Überleben in Lancet Oncology publiziert. Hier fand sich ein signifikanter Unterschied zugunsten von Palbociclib (Ibrance®, Pfizer).
Der Onkologe wies darauf hin, dass die Effekte auf PFS und OS ähnlich waren: Das progressionsfreie Überleben wurde durch Palbociclib im Vergleich zu Fulvestrant-Monotherapie um 6,6 Monate, das Gesamtüberleben um 6,9 Monate verlängert. Bei Patienten, die auf eine vorherige endokrine Therapie angesprochen hatten, konnte es sogar um 10 Monate verlängert werden.
„Diese Befunde bestätigen den Einsatz von Palbociclib als Therapiestandard bei Patientinnen mit vorbehandeltem Hormonrezeptor-positivem, HER2-negativem fortgeschrittenen Mammakarzinom“, so das Fazit von Cristofanilli.
Doch kein Standard?
Prof. Dr. Fatima Cardoso, Direktorin der Brustabteilung am Champalimaud Clinical Center, Lissabon, Portugal, als Diskutantin der Studie war eher skeptisch. Sie glaubt nicht, dass dieses Fazit in den ESMO-Leitlinien so aufgenommen würde. Denn trotz allem war der Unterschied im Gesamtüberleben eben nicht signifikant.

Prof. Dr. Fatima Cardoso
Man habe dies bei solchen Patienten schon öfter gesehen, beispielsweise in der BOLERO-2-Studie. Die Therapie mit Everolimus plus Exemestan hat hier das PFS signifikant um 2,3 Monate im Vergleich zu Exemestan allein verlängert, das OS um 4 Monate. Aber dieser Unterschied sei ebenfalls nicht signifikant gewesen. Wenn man dem BOLERO-2-Ergebnis keine Bedeutung beigemessen habe, dürfe man es beim PALOMA-3-Ergebnis auch nicht machen.
Der ESMO-MCBA-Score (Magnitude of clinical benefit) liege aufgrund der Wirkung von Palbociclib auf das progressionsfreie Intervall und die Lebensqualität bei 4. Cardoso könnte sich damit folgende Formulierung der ESMO-Leitlinien vorstellen: „Die zusätzliche Gabe eine CDK4/6-Inhibitors zu Fulvestrant bei Patienten, die zuvor eine endokrine Therapie erhalten haben, führt zu einer signifikanten Verbesserung des medianen PFS (6 bis 7 Monate), zu einer nicht-signifikanten Verbesserung des OS (7 Monate) und zu einer Verbesserung der Lebensqualität und ist die bevorzugte Therapieoption, wenn zuvor kein CDK4/6-Inhibitor verwendet wurde.“
Nach Ansicht von Cardoso liegt die Ursache für das negative Ergebnis beim Gesamtüberleben darin, dass die PALOMA-3-Studie für diesen sekundären Endpunkt nicht ausreichend gepowert war. Sie nahm dies zum Anlass, ein Plädoyer für eine Änderung der Studiendesigns zu halten. Das PFS dürfe nicht länger alleiniger primärer Endpunkt in solchen Studien sein, das Gesamtüberleben müsse mindestens ein koprimärer Endpunkt sein. Sie forderte weniger, aber größere und ausreichend gepowerte Studien und die systematische Sammlung von Post-Progressions-Daten. Hierzu wiederum könnten Real-World-Daten hilfreich sein.
CDK4/6-Hemmung beim HR+-Mammakarzinom
Etwa 80% der Mammakarzinome exprimieren Östrogenrezeptoren. Für Frauen mit einem solchen Tumor ist die endokrine Therapie ein wichtiger Bestandteil der Behandlung, vor allem zur Verminderung der Rezidivrate bei Brustkrebs im Frühstadium. Trotz Fortschritten in der endokrinen Therapie erleiden aber viele Frauen während oder nach der adjuvanten Behandlung einen Rückfall, der auf eine Resistenzentwicklung gegen die endokrine Therapie zurückzuführen ist.
Palbociclib ist ein oral wirksamer, selektiver Inhibitor von CDK 4/6, der die Zellproliferation und DNA-Synthese hemmt. Es ist in Zellen mit Resistenz auf eine endokrine Therapie wirksam und wirkt synergistisch mit Fulvestrant.
In der Phase-3-Studie PALOMA-3 war bei 521 Frauen mit Hormonrezeptor-positivem, HER2-negativem metastasiertem Mammakarzinom gezeigt worden, dass Palbociclib in Kombination mit Fulvestrant im Vergleich zu Fulvestrant allein den primären Endpunkt, das progressionsfreie Überleben, signifikant verlängert.
Die von Cristofanilli nun vorgestellte Analyse des sekundären Endpunkts Gesamtüberleben war nach einem medianen Follow-up von 44,8 Monaten durchgeführt worden. Zu diesem Zeitpunkt waren etwa 60% der Studienteilnehmerinnen gestorben. In der Palbociclib/Fulvestrant-Gruppe überlebten die Frauen im Median 34,9 Monate, in der Fulvestrant-Gruppe 28,0 Monate. Das Hazard Ratio für Tod betrug 0,81, der p-Wert 0,09, damit war der Unterschied nicht signifikant. Das 3-Jahres-Überleben wurde für die Kombinationsgruppe mit 50% und für die Monotherapie-Gruppe mi 41% errechnet.
Die Patienten in der PALOMA-3-Studie waren stratifiziert nach Empfindlichkeit auf die vorherige endokrine Therapie, Vorliegen viszeraler Metastasen und Menopausenstatus. Vordefinierte Subgruppenanalysen ergaben, dass Patientinnen, die auf die vorherige endokrine Therapie empfindlich waren, unter Palbociclib/Fulvestrant mit 39,7 Monaten 10 Monate länger lebten als unter Fulvestrant allein mit 29,7 Monaten (HR 0,72).
Waren die Frauen unempfindlich für die endokrine Therapie, wirkte die Kombination schlechter mit einer HR von 1,14. Bei postmenopausalen Frauen lag die HR bei 0,73, bei prämenopausalen Frauen bei 1,07. Lagen viszerale Metastasen vor, wurde eine HR von 0,85 erreicht, ohne viszerale Metastasen von 0,69.
Einschlusskriterien in Studien weiter fassen
Zwei Punkte der PALOMA-3-Studie nahm Cardoso zum Anlass, um das Vorgehen bei Studien und in der klinischen Praxis zu kommentieren. Positiv war ihrer Meinung nach, dass rund 20% der in die Studie aufgenommenen Patienten prämenopausal waren. Sie appellierte an die regulatorischen Behörden, die Einschlusskriterien für solche Studien weiter zu fassen, und zwar „Brustkrebspatient/in mit fortgeschrittener Erkrankung“. Es sollten sowohl prä- und postmenopausale Frauen als auch Männer aufgenommen werden können.
In der PALOMA-3-Studie hatten 60% der Patienten viszerale Metastasen. Auch in diesen Fällen ist die endokrine Therapie die bevorzugte Option. Das stehe in allen Leitlinien, und es gäbe immer mehr Daten, die belegten, dass die endokrine Therapie besser als die Chemotherapie wirke. In der klinischen Praxis werde in diesen Fällen jedoch häufig eine Chemotherapie gegeben.
Diskutantin Cardoso nannte eine Reihe von Fragen, die noch offen sind, wie
Gibt es Biomarker, mit denen Patienten zu identifizieren sind, die einen Nutzen von endokriner Therapie (ET) plus CDK4/6-Inhibitoren haben? Es gibt einige Kandidaten, von denen aber noch keiner in der klinischen Praxis anwendbar ist.
Ist es besser, den CDK4/6-Hemmer in der ersten oder in der zweiten Linie einzusetzen?
Sollte er bei ET-naiven oder ET-vorbehandelten Patienten verwendet werden?
Gibt es Gründe, die Behandlung bei Progression fortzusetzen?
Wie wirkt eine ET plus CDK4/6-Inhibitor, z.B. im Vergleich zu oralen Mono-Chemotherapie?
Wir wirken ET plus CDK4/6-Inhibitor, z.B. im Vergleich zu anderen Kombinationen wie ET + mTOR-Inhibitoren oder Pi3K-Inhibitoren?
Könnte eine Dreifachkombination mit ET plus CDK4/6-Inhibitor plus mTor-Inhibitor oder Pi3K-Inhibitor sinnvoll sein?
Für Patienten mit fortgeschrittenem Mammakarzinom gibt es zwar viele Therapieoptionen, aber welches ist die beste Sequenz?
Cardoso warnte davor, Fehler, die vor 20 Jahren begangen worden sind, zu wiederholen. Es seien in große Studien viel Geld und viel Kraft investiert worden, um die 3 Aromatase-Hemmer Letrozol, Exemestan und Anastrozol zu vergleichen. Das war ihrer Ansicht nach unnötig. Es sei sinnvoller, die 3 derzeit verfügbaren CDK4/6-Hemmer Palbociclib, Ribociclib und Abemaciclib als neue Arzneistoffgruppe zu betrachten und festzulegen, wie diese Gruppe wann benutzt werden sollte.
Medscape Nachrichten © 2018
Diesen Artikel so zitieren: Fortgeschrittener hormonsensitiver Brustkrebs: Erste Daten zum Gesamtüberleben mit Palbociclib lösen Diskussionen aus - Medscape - 26. Okt 2018.
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