Die Melanom-Behandlung setzt neue Maßstäbe in der Immuntherapie. Die Überlebensraten erhöhen sich weiter. Prof. Dr. Christoffer Gebhardt berichtet vom ESMO in München über neue Einsatz-Strategien.
Transkript des Medscape-Videos:
Mein Name ist Prof. Dr. Christoffer Gebhardt. Ich bin Leiter des Tumorzentrums am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Ich berichte heute vom ESMO 2018 in München zum Thema Haut-Tumore – mit dem Schwerpunkt Melanom.
Wie Sie wissen, ist das Melanom der Vorreiter in der Entwicklung moderner Immuntherapien mit Checkpoint-Inhibitoren, aber auch im Bereich der zielgerichteten Therapie mit sogenannten BRAF- und MEK-Inhibitoren. Wir sind in der glücklichen Lage, seit wenigen Wochen 2 unterschiedliche Therapien auch in der adjuvanten Situation unseren Melanom-Patienten zugänglich machen zu können. Das heißt, in der Situation, in der wir metastasierten Patienten durch eine komplette Resektion eine zumindest radiologisch gesicherte Tumor-Freiheit attestieren können.
Kombinationen
Es wurden bei diesem ESMO Daten zur sogenannten Combi-AD Studie vorgestellt. Das ist eine Studie, bei der der BRAF-Inhibitor Dabrafenib und der MEK-Inhibitor Trametinib versus Placebo Patienten im Stadium 3/4 nach kompletter Resektion gegeben wurden – dies über ein Jahr. Das Update bezieht sich in diesem Falle auf 4 Jahre. Die 4-Jahres "recurrence-free-survival" Daten betrugen 54 Prozent in der Behandlungsgruppe und 38 Prozent in der Placebo-Gruppe.
Ganz besonders interessant fand ich bei der Vorstellung von Georgina Long auch die sogenannte "estimated cure rate" (Anm: Rate derjenigen, die wahrscheinlich geheilt sind). Dies ist ein statistisches Modell, um Heilung unter dieser Therapie zu spezifizieren oder zu präzisieren. Hier kommt die Behandlungsgruppe auf 54 Prozent und die Placebo-Gruppe auf 37 Prozent. Also ein sehr ordentlicher, hoch signifikanter Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen.
Biomarker
Besonders spannend war die Biomarker-Daten-Präsentation. Die Analyse umfasste etwa ein Drittel aller Patienten mit genomischer und transkriptomischer Analyse ("dnaseek" und "nanostring"). Man fand erstaunlicherweise bei den Patienten, die eine "non-response" hatten, das heißt, die einen Progress unter oder nach Therapie erlitten, keine Assoziation mit bekannten Resistenz-vermittelnden Genen. Übrigens auch keine Assoziation mit dem MAP-Kinase-Signaling-Pathway.
Allerdings, und das ist besonders spannend, mit der sogenannten "tumor mutational burden" (TMB). Je höher diese ist, umso besser ist das Ansprechen. Und genauso hoch signifikant ist die sogenannte Interferon-gamma Signatur. Je stärker diese bei dem Patienten präsent ist, umso besser ist das Ansprechen.
Neue Daten zur neo-adjuvaten Therapie
Es wurden außerdem Daten zur Neoadjuvans diskutiert und präsentiert. Christian Blank hatte Daten aus seiner OPACIN-NEO Studie vorgestellt. Neo-adjuvante Therapie bedeutet, dass man die lokoregionären Metastasen eines Melanom-Patienten nicht primär komplett reseziert, sondern vor der kompletten Resektion eine Immuntherapie durchführt.
In diesem Fall in 3 Armen: Ipilimumab plus Nivolumab mit unterschiedlichen Konzentrationen und einem dritten Arm bei dem Ipilimumab und Nivolumab in Sequenz, also hintereinander gegeben wurden, und zwar nur für 2 Gaben, also eine kurze Immuntherapie. Danach haben alle Patienten eine chirurgische Komplett-Resektion der lokoregionären Metastasen erhalten und eine histologische Aufarbeitung.
Das Entscheidende ist, dass der Ipilimumab/Nivolumab-Arm mit einer niedrigeren Ipilimumab-Dosierung, nämlich 1 Milligramm und Nivolumab 3 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht, in Kombination deutlich besser vertragen wird als Ipilimumab 3 Milligramm und Nivilumab 1 Milligramm. Auch die Ansprechraten in der Behandlungsgruppe Ibilimumab 1 Milligramm und Nivolumab 3 Milligramm waren deutlich besser waren.
So bekommen wir insgesamt einen interessanten Blick auf die neo-adjuvante Immuntherapie. Ob das die Zukunft sein wird, wird man sicherlich sehen, wenn die Daten reifer sind und wenn größere Studien durchgeführt werden. Aber ein interessantes Gesamtkonzept ist das sicher.
Es basiert auf der Idee, dass mögliche mikroskopische Fern-Metastasen bei einem Patienten mit klinisch sichtbaren lokoregionären Metastasen möglicherweise nach der Komplett-Resektion der makroskopischen lokoregionären Metastasen nicht mehr der Kontrolle des Immunsystems unterliegen. Dies könnte ein Grund sein, dass sich nach der Komplett-Resektion ein Rezidiv entwickelt. Das heißt, das wäre ein Grund für das Auswachsen dieser mikroskopischen Fern-Metastasen zu Makro-Metastasen.
Die Immuntherapie in der neo-adjuvanten Situation soll alle Metastasen, die makroskopischen und mikroskopischen, mit einer Immunreaktion attackieren, die dann zur Folge hat, dass auch nach Komplett-Resektion der lokoregionalen Metastasen die Fern-Metastasen verschwinden oder zumindest immunologisch kontrolliert sind.
Weitere Erfolge beim metastasiertem Melanom
Außerdem wurden Daten präsentiert, als sogenanntes Update zur CheckMate 067-Studie. Das ist eine große Phase-3-Studie, bei der Ipilimumab in Kombination versus Nivolumab versus Ibilimumab alleine bei Patienten in nicht resektablem metastasiertem Stadium gegeben wurde. Wir hatten bereits 3-Jahres-Daten - und diesmal haben wir 4-Jahres-Daten gesehen. Sie zeigen, dass die Kombination ein 4-Jahres-Gesamtüberleben von 53 Prozent erreicht, versus 46 Prozent in dem Nivolumab Mono-Therapie und 30 Prozent in der Ipilimumab Mono-Therapie.
Insgesamt weist damit die Kombination aus PD-1-Inhibitor und CTLA-4-Antikörper eine ganz hohe Effektivität auf. Allerdings unter Inkaufnahme hoher Toxizitäten. Die liegen jetzt im Update tatsächlich beinahe bei 60 Prozent im Grad 3/4, also schweren und schwersten Nebenwirkungen, während sie im Nivolumab-Arm im Bereich von etwas über 20 Prozent liegen.
Eine direkte Konsequenz für die therapeutischen Algorithmen unserer nicht resektablen, metastasierten Patienten haben diese Daten allerdings nicht. Aber sie weisen darauf hin, dass es wichtig ist, weiter intensiv daran zu forschen, Biomarker zu identifizieren. Sie könnten uns erlauben, Patienten zu identifizieren, die diese Kombination erhalten sollen, trotz der hohen Toxizität.
Wir haben außerdem die KEYNOTE-022-Studie, eine Phase-2-Studie, vorgestellt bekommen: first-line Dabrafenib, Trametinib und Pembrolizumab versus Dabrafenib, Trametinib plus Placebo. In diesem Studiendesign hat die 3fach-Kombi die prä-spezifizierte, statistische Signifikanz nicht erreicht.
Dennoch zeigt sich insgesamt, dass Kombinationstherapien ein zukünftiger und wichtiger Ansatz der Therapie sein können. Und wir warten natürlich gespannt auch auf die Daten der anderen Kombinations-Studien, der TRILOGY-Studie beispielsweise und der COMBI-i-Studie.
Intra-tumorale Ansätze
Ein weiteres Feld, das in der Melanom-Therapie diskutiert wurde, sind die neuen Daten zu intra-tumoralen Therapien. Wir haben mehrere Studien im Moment in diesem Bereich laufen, bzw. wir haben dazu Updates bekommen. Da sind unter anderem Phase-1/2-Studien mit Patienten in First-line-Therapie, die neben Pembrolizumab einen TLR9-Agonisten, sogenannte SD-101, bekommen.
Das sind intra-tumoral injizierte TLR9-Agonisten, die immunologische, systemische Effekte auslösen sollen. Durch das Pembrolizumab, also durch den Anti-PD-1-Antikörper, sollen die immunologischen Mechanismen verstärken werden.
Die Ansprechraten liegen sehr hoch. Das heißt, in diesem Fall tatsächlich bei 66 Prozent für Patienten im Stadium IIIc und IV in der nicht resezierbaren Situation. Allerdings sind die Daten noch sehr unreif.
Ähnliches gilt für eine Phase-1-Studie, bei der ein TLR9-Agonist zusammen mit Ipilimumab gegeben wird. Aber auch hier wird dieser TLR9-Agonist intra-tumoral gegeben. Das heißt, in erreichbare Metastasen injiziert. Die Patienten, die diese Therapie bekommen haben, haben zunächst einen PD-1-Antikörper bekommen und einen Progress unter dieser Therapie erlebt. Sie konnten dann in die Studie eingeschlossen werden.
Ansprechraten liegen in dieser kleinen Studie – auch hier "premature data" - bei 38 Prozent. Es gab außerdem Daten zur OPTiM-Studie, bei der T-VEC, ein onkolytisches Tumor-Virus, injiziert wird, also auch eine intra-tumorale Therapie.
Ausblick
In Zukunft werden wir viele solcher intra-tumoralen Therapien haben, die in Kombination mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren gegeben werden. Die Idee ist, dass man mit verschiedenen Maßnahmen im Tumor – durch Antigen-Freisetzung, durch Immun-Modulationen, das heißt durch Veränderungen der Makro-Environment - die Wirkung von Immun-Checkpoint-Inhibitoren verstärkt. Damit möchte ich schließen. Das waren die Updates zum ESMO 2018. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
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Medscape © 2018
Diesen Artikel so zitieren: Melanom weist den Weg: Immuntherapie prescht voran, jetzt adjuvant, neo-adjuvant, sogar intra-tumoral – ein Überblick - Medscape - 26. Okt 2018.
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