Hoffnung auf Heilung für mehr Frauen mit fortgeschrittenem Ovarialkrebs: Olaparib verzögert die Progression deutlich

Sonja Boehm

Interessenkonflikte

23. Oktober 2018

München – Wenn Frauen mit BRCA1/2-Mutation neu mit einem fortgeschrittenen Ovarialkarzinom diagnostiziert werden, ist ihre Prognose alles andere als gut: Auch wenn Chirurgie plus Platin-basierte Chemotherapie, eventuell plus Bevacizumab, zunächst erfolgreich sind, kommt in der Regel die Erkrankung in den folgenden 3 Jahren wieder. Die beim Kongress der European Society for Clinical Oncology (ESMO) in München vorgestellte SOLO-1-Studie lässt nun darauf hoffen, dass sich dies ändern könnte [1].

In der Studie hatten die Frauen im Anschluss an OP und Chemo randomisiert für 2 Jahre 2-mal täglich eine Tablette des PARP (Poly ADP Ribose Polymerase)-Inhibitors Olaparib (Lynparza®, AstraZeneca, MSD) oder ein Placebo genommen. Dies mit unerwartet großem Erfolg: Nach einem medianen Follow-Up von 41 Monaten war das Risiko für eine Krankheitsprogression oder Tod (Progression Free Survival, PFS, der primäre Endpunkt der Studie) bei den Frauen unter Olaparib um 70% reduziert. Im Direktvergleich der beiden Behandlungsgruppen: Unter Olaparib waren nach 3 Jahren 60% der Frauen noch am Leben und ohne Krankheitsprogression, unter Placebo waren es nur 27% (p < 0,001).

Die Studie ist zeitgleich im New England Journal of Medicine erschienen [2].

 
Die Ergebnisse von SOLO-1 markieren eine neue Ära in der Behandlung von Frauen, die mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom diagnostiziert werden und eine BRCA-Mutation haben. Prof. Dr. Kathleen Moore
 

Hoffnung auf deutlich höhere Heilungsraten

„Die mediane progressionsfreie Zeit der Patientinnen, die Placebo erhielten, betrug nur 13,8 Monate, während das mediane PFS bei denjenigen, die Olaparib erhielten, noch nicht erreicht war – es scheint aber rund 3 Jahre länger zu sein als in der Placebo-Gruppe“, wird Prof. Dr. Kathleen Moore vom Stephenson Krebszentrum der Universität von Oklahoma in den USA in einer Pressemitteilung des ESMO zur Studienpräsentation zitiert.

„Es ist zwar noch zu früh, um zu sagen, dass es uns tatsächlich gelungen ist, die Rate der Frauen, die mit dieser Erstlinien-Therapie definitiv geheilt werden können, beträchtlich zu steigern. Aber die Tatsache, dass schätzungsweise 50 Prozent der Frauen im Olaparib-Arm auch nach 4 Jahren noch progressionsfrei sind, während es unter Placebo nur 11 Prozent sind, spricht für diese Hoffnung“, sagte Moore bei einer Pressekonferenz, bei der sie die Daten vorstellte.

„Die Ergebnisse von SOLO-1 markieren eine neue Ära in der Behandlung von Frauen, die mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom diagnostiziert werden und eine BRCA-Mutation haben. Die Studie zeigt eine überragende Verbesserung im Vergleich zu Placebo – und dies auch in der Folgezeit, obwohl die Olaparib-Therapie nach 2 Jahren beendet worden ist“, ergänzt sie.

Olaparib hemmt die PARP-Enzyme, die an der DNA-Reparatur beteiligt sind. Tumore mit BRCA1/2-Mutation haben einen Defekt in ihren DNA-Reparaturmechanismen und müssen daher vermehrt auf Poly(ADP-ribose)-Polymerasen (PARP) ausweichen. Werden die PARP-Enzyme inhibiert, kann dies den Wachstumsstopp der Krebserkrankung unterstützen.

Bislang wird Olaparib beim Ovarialkarzinom zwar bereits eingesetzt, aber erst beim Erkrankungsrezidiv, berichtete Dr. Susana Banerjee vom Royal Marsden NHS Foundation Trust in London auf der ESMO-Pressekonferenz. „Aber auch beim neu diagnostizierten Platin-sensitiven fortgeschrittenen Ovarialkarzinom haben wir einen dringenden Bedarf für längerfristig wirksame Therapien.“

Erste Studie mit Olaparib in der Frontline

SOLO-1 war nun die erste randomisierte prospektive Doppelblind-Studie, die eine Olaparib-Erhaltungstherapie nach Platin-basierter Chemotherapy in der Frontlinie bei neu diagnostizierten Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom (FIGO Stadium 3 Stadium 3 bis 4) mit BRCA Mutation getestet hat.

Insgesamt 391 Patientinnen mit hochgradigem serösem oder endometroidem Ovarialkrebs, die in der Chemotherapie eine komplette oder partielle Response gezeigt hatten, wurden im Verhältnis 2 zu 1 zu Olaparib oder Placebo randomisiert. Die Olaparib-Erhaltungtherapie ging über 2 Jahre und wurde dann beendet.

Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS); zu den sekundären Endpunkten zählten u.a. das Gesamtüberleben und die Lebensqualität. Das mediane Follow-up betrug 41 Monate, alle Patientinnen wurden aber mindestens 3 Jahre verfolgt.

Die häufigsten Nebenwirkungen unter Olaparib waren Anämien mit 22% und Neutropenien mit 8%. Die Erhaltungstherapie verursachte laut Moore keine klinisch relevanten Veränderungen in der Lebensqualität. Die Behandlung wurde gut vertragen. Unter Olaparib betrug die Abbruchrate wegen toxischer Nebenwirkungen nur 12%.

Als „Meilensteinstudie” bezeichnete Kommentator Prof. Dr. Jonathan Lettermann vom University College London, Cancer Institute, die Untersuchung bei der Pressekonferenz. Es sei das große Ziel, das erste Rezidiv beim Ovarialkarzinom zu verhindern. „Es war für uns sehr interessant, den PARP-Inhibitor in das Firstline Setting zu bringen.“ Die Studie liefere dazu nun „robuste Daten“ – auch weil alle Frauen mindestens 3 Jahre beobachtet worden seien.

2 Jahre Therapie – dauerhafter Erfolg?

Beruhigend sei dabei auch, dass sich im Kurvenverlauf nichts verändert habe, nachdem die Therapie nach 2 Jahren beendet worden sei. Moore bezeichnete dies bei der Pressekonferenz als „das zweite wichtige Ergebnis dieser Studie“. Wie erklärt sich der anscheinend dauerhafte Erfolg mit Olaparib – auch nachdem die Therapie beendet worden ist?   

Auf diese Frage in der Diskussion hatte auch Moore keine Antwort. Dies sei zum ersten Mal gewesen, dass eine Studie einen solchen Therapiestopp untersucht habe, sagte Lettermann. Er spekulierte, ob durch die Therapie vielleicht auch die Immunantwort gegen den Tumor gestärkt worden sei.

Moore räumte ein, dass – als die Studie designt wurde – sie gar nicht glücklich mit dem Therapie-Stopp nach 2 Jahren gewesen war. „Ich hätte die Therapie gerne für immer weitergegeben.“ Auch einige der Patientinnen seien sehr unglücklich darüber gewesen, die Therapie beenden zu müssen. Allerdings durften diejenigen, die zu diesem Zeitpunkt noch Krankheitszeichen hatten, die Tabletten weiter nehmen.

 
Wir hoffen, es bedeutet, dass es uns gelungen ist, einen größeren Anteil der Frauen tatsächlich zu heilen. Prof. Dr. Kathleen Moore
 

„Aber jetzt, wenn ich die Daten sehe – und dass sich nach den 2 Jahren nichts ändert – fühle ich mich als Arzt viel sicherer. Und ich frage mich heute sogar, ob wir nicht hätten sogar früher aufhören können“, sagte Moore weiter. „Wir hoffen, es bedeutet, dass es uns gelungen ist, einen größeren Anteil der Frauen tatsächlich zu heilen“, ergänzte sie. „Die Abflachung der Überlebenskurven könnte ein Hinweis darauf sein.“

„Wir müssen auf die Daten zum Gesamtüberleben warten“, sagte Lettermann. „Bis diese so weit sind, kann es aber noch dauern. Aber: Wir sind ja froh, dass die Frauen inzwischen so lange überleben“, ergänzte er. Auch er habe die „reale Hoffnung“, dass es mit dieser Therapie gelungen sei, die Heilungsraten deutlich zu steigern. „Ein großer Schritt vorwärts – auch wenn noch viele Herausforderungen bleiben.“ Eine davon sei z.B. die BRCA-Testung international zu implementieren.

Kommentar

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