München – Gute Nachrichten für Männer, deren Prostatakrebs bei der Diagnose bereits fortgeschritten ist, die aber noch eine geringe Metastasen-Last haben: Die Bestrahlung der Prostata kann ihre Überlebenszeit signifikant verlängern. Dies hat eine geplante Zwischenanalyse der STAMPEDE-Studie ergeben, die jetzt bei der Tagung der European Society for Medical Oncology (ESMO) vorgestellt worden ist [1].

Dr. Chris Parker
„Damit hat sich unsere Hypothese bestätigt, dass die Radiotherapie des Primärtumors – auch wenn bereits Metastasen vorliegen – die Prognose günstig beeinflusst“, betonte Studienautor Dr. Chris Parker, klinischer Onkologe am Institut für Krebsforschung des Royal Marsden NHS Foundation Trust in Sutton, Großbritannien. Allerdings galt dies in der Studie, an der über 2.000 Männer mit frisch diagnostiziertem metastasiertem Prostatakarzinom teilgenommen hatten, nur für die Subgruppe der 819 Patienten mit niedriger Metastasen-Last – und nicht für diejenigen mit bereits ausgeprägter Metastasierung.
Die Überlebensraten nach 3 Jahren betrugen in der Gruppe mit geringer Metastasierung 81%, wenn die Männer bestrahlt worden waren, und 73%, wenn sie nur die medikamentöse Standardtherapie erhalten hatten. In der Gruppe mit hoher Metastasen-Last lagen die 3-Jahres-Überlebensraten dagegen bei 53 und 54%, berichtete der britische Wissenschaftler.
„Die Prostata-Bestrahlung sollte zur Standard-Option für Männer mit geringer Metastasen-Last werden“, schlägt Parkers Studiengruppe nun vor. Die Wissenschaftler wollen diese Empfehlung aber auch auf Patienten mit Prostatakrebs und einem positiven Lymphknoten-Befund ausdehnen – auch wenn diese Population in ihrer Studie nicht untersucht worden war. Schließlich handle es sich hier um ganz frühe Absiedelungen des Tumors – und warum solle dann der Befund ihrer Studie nicht auch hier gelten, so Parkers Argumentation.
Und noch weiter: „Auch bei anderen Tumoren sollten Studien testen, inwiefern sich bei einer noch nicht so ausgedehnten Metastasierung durch eine lokale Behandlung des Primärtumors die Prognose bessern lässt.“
Die Prostata bestrahlen, um die Progression der Metastasierung aufzuhalten?
Bislang ist die Standardbehandlung beim metastasierten Prostatakarzinom rein medikamentös und besteht aus anti-androgener und Chemotherapie. „Auch wenn sich die Behandlungsergebnisse in den letzten Jahren gebessert haben, sterben doch immer noch die meisten Patienten mit metastasiertem Prostatakrebs innerhalb von 5 Jahren nach Diagnose“, so Parker.
Die STAMPEDE-Studie, die in Großbritannien und der Schweiz stattfindet, hat nun getestet, welchen Zusatznutzen es bringt, wenn diese Männer zusätzlich zur Standardtherapie eine Prostata-Bestrahlung erhalten. „Wir wollten wissen, ob dies nicht nur zur lokalen Kontrolle des Tumors beiträgt, sondern auch die Progression der metastasierenden Erkrankung aufhalten kann“, erläuterte Parker auf eine Pressekonferenz während des europäischen Krebskongresses in München.
In der Phase-3-Studie erhielten daher die Hälfte der Teilnehmer randomisiert eine zusätzliche Radiotherapie (55Gy/20f täglich über 4 Wochen oder 36Gy/6f wöchentlich über 6 Wochen). Die Patienten waren im Median 68 Jahre alt und neu diagnostiziert. Die Standard-Therapie bestand aus frühem Docetaxel (erhielten die Patienten erst ab 2016) plus lebenslanger Androgenblockade.
Über die gesamte Population gesehen, konnte die Prostata-Bestrahlung die Überlebenszeiten nicht signifikant beeinflussen (HR: 0,92; 95%-KI: 0,80-1,06).
Primärer Endpunkt Gesamtüberleben nach Bestrahlung ein Drittel besser
Aber in der prä-spezifizierten Subgruppe der Patienten mit niedriger Metastasen-Last war der primäre Endpunkt Gesamtüberleben (Overall Survival, OS) nach Bestrahlung relativ um rund ein Drittel besser (HR: 0,68; 95%-KI: 0,52-0,90). Bei den 1.120 Männern mit hoher Metastasen-Last ließ sich dagegen kein Effekt der lokalen Bestrahlung auf das Überleben feststellen. Eine hohe Last war dabei definiert als 4 oder mehr Knochenmetastasen mit mindestens einer außerhalb des axialen Skeletts und/oder viszeralen Metastasen.
Die Radiotherapie war laut Parker gut verträglich, nur 5% der Patienten litten unter therapiebedingten Nebenwirkungen Grad 3 oder 4. „Es gab einen geringen Anstieg beim Risiko von Nebenwirkungen an der Blase und am Darm – aber die Auswirkungen waren moderat“, wird Parker in einer Pressemitteilung der ESMO zitiert. „Die Nebenwirkungen werden sicherlich durch den Überlebensvorteil mehr als aufgewogen.“
Er forderte: „Die Prostata-Bestrahlung – zusätzlich zur medikamentösen Behandlung – sollte zum Standard für Männer mit oligo-metastatischer Erkrankung werden.“ Diese Empfehlung sei einfach und relativ kostengünstig zu implementieren. Und die Ergebnisse seien ebenso relevant für Männer mit Prostatakrebs und positiven Becken-Lymphknoten (N1M0) – aber ohne Metastasen. In diesen Fällen bestehe sogar die Möglichkeit, dass die zusätzliche Radiotherapie zu den Medikamenten kurativ wirke.
Ergebnisse werden wahrscheinlich Behandlungspraxis verändern
Als ESMO-Experte betonte Prof. Dr. Karim Fizazi vom Gustave Roussy Institut an der Universität Paris Sud die Bedeutung der Studie: „Sie liefert zum ersten Mal Hinweise, dass die lokale Behandlung des Primärtumors mit einem längeren Überleben bei Männern mit metastasiertem Prostatakarzinom und minimal disseminierter Erkrankung assoziiert ist.“
Nach seiner Ansicht werden die Ergebnisse „für Männer mit neu diagnostiziertem oligo-metastatischem Prostatakrebs mit großer Wahrscheinlichkeit die gängige Behandlungspraxis verändern“. Er wandte aber auch ein, dass in der Studie nur 18% der Patienten früh Docetaxel und kein einziger Abirateron erhalten hatte – beides aber inzwischen zur Standardtherapie gehöre.
Ob es insgesamt sinnvoll sei, bei metastasierter Erkrankung den Primärtumor lokal zu behandeln – eventuell auch chirurgisch – darüber gebe die Studie keine Auskunft, sagte Parker. Kein Teilnehmer in STAMPEDE sei operiert worden. Möglicherweise wirke die Bestrahlung über einen anderen Mechanismus. Es gibt Hinweise, dass sich über die Radiotherapie auch das Immunsystem gegen die Krebserkrankung stimulieren lässt und die Mikro-Umgebung des Tumors verändert wird. Parker: „Aber das wissen wir nicht.“
Zumindest lohne es in Studien genauer zu prüfen, ob sich die Prognose bessere, wenn bei metastasierter Erkrankung der Primärtumor lokal behandelt wird. Eine entsprechende Studie bei Lungenkrebs laufe derzeit.
Medscape Nachrichten © 2018 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: STAMPEDE: Beim Prostatakrebs mit geringer Metastasierung verlängert die Bestrahlung des Primärtumors die Überlebenszeit - Medscape - 22. Okt 2018.
Kommentar