München – Jetzt ist die Präzisionsmedizin auch beim Brustkrebs angekommen. Mit der IMpassion130-Studie, deren Ergebnisse beim europäischen Krebskongress in München jetzt vorgestellt worden sind, „haben wir die Ära der Präzisionstherapie nun auch beim Mammakarzinom betreten“, äußerte sich begeistert die Münchner Onkologin Prof. Dr. Nadia Harbeck vom Brustzentrum an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München bei der Jahrestagung der European Society on Medical Oncology (ESMO) in der bayrischen Landeshauptstadt [1].
Denn zum ersten Mal ist es in dieser Studie gelungen, einen signifikanten Nutzen einer Immuntherapie bei Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs zu zeigen. „Diese Studie wird tatsächlich die Praxis verändern“, zeigte sich Harbeck überzeugt. Denn bislang herrschte die Überzeugung, beim Mammakarzinom lasse sich mit einer Immuntherapie nicht viel ausrichten.
Aggressiver Krebs – und bislang war die Chemotherapie die einzige Option
Für die IMpassion130-Studie, die vom Unternehmen Roche finanziert war, hatten sich die Untersucher eine Patientinnen-Population mit besonders schlechter Prognose ausgewählt: Frauen mit Triple-negativem fortgeschrittenem Brustkrebs, deren Tumoren also weder Estrogen- noch Progesteron-Rezeptoren exprimieren und bei denen auch der epidermale Wachstumsfaktor 2 (HER2) nicht überexprimiert ist.
Etwa 15% der diagnostizierten Mammakarzinome sind triple-negativ. Diese aggressive Form des Brustkrebses wird besonders häufig bei jüngeren Frauen diagnostiziert. Die einzige Option für diese Patientinnen ist bislang die Chemotherapie mit einem Taxan oder Anthracyclin.

Prof. Dr. Nadja Harbeck
Ist der Tumor bereits fortgeschritten bzw. metastasiert, betragen die durchschnittlichen Überlebenszeiten 18 Monate oder weniger, berichtete Studienleiter Prof. Dr. Peter Schmid vom Zentrum für experimentelle Krebsmedizin am Barts Cancer Institute der Queen Mary University in London. „Bislang ist es mit keiner ‚Targeted‘ Therapie gelungen, bei diesen Patientinnen das Überleben zu verlängern.“

Prof. Dr. Peter Schmid
In der IMpassion130-Studie hatten die Wissenschaftler nun auf den PD-L1-Hemmer Atezolizumab (Tecentriq®, Roche) gesetzt. Der Checkpoint-Inhibitor ist bislang beim metastasierten Harnblasen-Karzinom und beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom zugelassen. Programmed Cell Death Ligand 1 (PD-L1) vermittelt bekanntlich als Ligand des PD-1-Rezeptors eine Immunsuppression. Tumore, die den Liganden exprimieren, schützen sich damit vor der körpereigenen Immunabwehr.
Beim Mammakarzinom wird PD-L1 zwar in der Regel nicht von den Krebszellen, aber von den Tumor-infiltrierenden Immunzellen exprimiert, erläuterte Schmid. Die Hoffnung war mit dem PD-L1-Inhibitor die Bremse der Immunantwort gegen die Krebszellen eventuell zu lösen.
Zum ersten Mal ein Prognosevorteil in dieser Population
Um den Ansatz zu überprüfen, erhielten in IMpassion130 insgesamt 902 Frauen mit inoperablem bzw. metastasiertem triple-negativem Brustkrebs randomisiert entweder eine Chemotherapie mit nab-Paclitaxel oder die Kombination dieser Chemo mit Atezolizumab. Die Frauen waren vor Aufnahme in die Studie nicht getestet worden, ob sie PD-L1-positiv oder -negativ waren.
Die Studie hatte 2 primäre Endpunkte:
das progressionsfreie Überleben (Progression Free Survival = PFS) – einmal ausgewertet in der Intention-To-Treat (ITT)-Population und dann nochmals getrennt nach PD-L1-Status
und das Gesamtüberleben.
Die Ergebnisse: Die zusätzliche Atezolizumab-Therapie war in allen Endpunkten signifikant erfolgreich. So wurde die Zeit bis zur Progression in der ITT-Population signifikant von 5,5 auf 7,2 Monate verzögert, was einer signifikanten 20%igen Risikoreduktion entspricht (HR: 0,8; p = 0,0025). „Das sieht nach einem zwar signifikanten, aber eher moderaten Effekt aus“, räumte Schmid ein. Aber: Betrachtete man nur die PD-L1-positiven Frauen betrug der Unterschied immerhin schon 5,0 zu 7,5 Monate und die Risikoreduktion lag bei 38% (HR: 0,62; p < 0,0001).
Zudem, so betonte auch Harbeck: „Es ist zum ersten Mal, dass in dieser Patienten-Population überhaupt ein Prognosevorteil für eine der neuen Therapien gezeigt werden konnte.“
In Subgruppe um 10 Monate längere Überlebenszeiten
Besonders begeistert zeigten sich Schmid und Harbeck von den – allerdings noch vorläufigen – Daten zum Gesamtüberleben. Im Median überlebten die Frauen mit PD-L1-Expression (rund 40% der Studienteilnehmer) unter der Kombination 25 Monate und damit fast 10 Monate länger als diejenigen, die die Chemotherapie allein erhalten hatten (mediane Überlebenszeit 15,5 Monate).
Auch die objektive Ansprechrate war unter der Kombination höher als unter der Chemotherapie allein (56% versus 46% für die ITT-Population, 59% versus 43% für die PD-L1-positive Subgruppe).
Was die Nebenwirkungen angehe, habe es keine unerwarteten Signale gegeben, berichtete Schmid. Die meisten Nebenwirkungen seien in beiden Therapiegruppen ähnlich häufig aufgetreten. Häufiger waren unter der Kombination: Übelkeit, Husten und Neutropenien. Auch musste unter der Kombination die Therapie häufiger wegen der Nebenwirkungen vorzeitig beendet werden (15,9 vs 8,2%).
Die Studie ist zeitgleich zur Präsentation im New England Journal of Medicine publiziert worden [2].
Nur ein Startpunkt
„Diese Resultate werden verändern, wie triple-negativer Brustkrebs behandelt wird“, so Schmids Überzeugung. „Atezolizumab in Kombination mit nab-Paclitaxel ist die erste ‚targeted‘ Therapie, die das Überleben beim metastasierten triple-negativen Brustkrebs verlängert – und es ist die erste Immuntherapie, die die Prognose bei diesem Krebs verbessert.“
Da der Überlebensvorteil der Kombinationstherapie im Großen und Ganzen auf die Patientinnen mit PD-L1 positiven Tumoren beschränkt war, seien nun diese Frauen Kandidatinnen für die zusätzliche Immuntherapie, so Schmid. „Die zehn Monate Überlebensvorteil rechtfertigen dies!“
Bei den PD-L1-negativen Tumoren sieht er jedoch keine Rechtfertigung für die Kombination. In die Studie waren auch Frauen mit PD-L1-negativen Tumoren aufgenommen worden, weil es aus den Phase-2b-Daten Hinweise gegeben habe, dass Atezolizumab eventuell auch hier hilfreich sei, berichtete er.
Prof. Dr. Fabrice André von der Brustkrebs-Einheit am Institut Gustave Roussy, Villejuif, Frankreich, kommentierte in der Pressekonferenz beim ESMO-Kongress, wo die Ergebnisse präsentiert wurden: „Diese Studie ist nur ein Startpunkt. Wir haben hier nun einen Benefit gesehen. Wir können die Patientinnen charakterisieren, die profitieren – und wir werden in den nächsten Studien den Benefit vervielfachen.“
Harbeck stimmte zu: „Wir würden die Studie heute anders planen. Aber bislang war alles enttäuschend in dieser Patientengruppe – jetzt endlich sehen wir etwas und können von hier aus den nächsten Schritt gehen.“ Für die Zukunft seien noch „solidere Daten“ dazu zu erwarten, ist sie optimistisch.
Nun betrete man auch beim Mammakarzinom die Ära der gezielten Therapien, sagte André. Es gehe darum die Antriebsmechanismen der Progression zu identifizieren. „Wir müssen die Frauen mit metastasiertem Brustkrebs frühzeitig testen“, pflichtete ihm Harbeck bei, „und hoffen, diese vielversprechende Therapie auch schon bald in der Praxis anwenden zu können.“
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Diesen Artikel so zitieren: Der erste Schritt in die Immuntherapie beim Brustkrebs: Atezolizumab ist beim triple-negativen Mammakarzinom wirksam - Medscape - 22. Okt 2018.
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