Arthroskopische Teil-Meniskektomien stehen mit einem geringen Risiko schwerer Komplikationen in Verbindung. Zu diesem Ergebnis kommen Dr. Simon G. F. Abram vom Nuffield Department of Orthopaedics, Rheumatology and Musculoskeletal Sciences der Universität Oxford und seine Kollegen in The Lancet [1]. Ihre Kohorte umfasste rund 700.000 Eingriffe. Pro 1.500 vermiedenen Kniearthroskopien könnten eine Lungenembolie und 2 native Kniegelenkinfektionen verhindert werden.
„Stärken der Studie liegen eindeutig in der großen Patientenzahl, die ein sehr geringes Operationsrisiko gezeigt hat“, kommentiert Prof. Dr. Wolf Petersen vom Martin-Luther-Krankenhaus Berlin und von der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie die Daten gegenüber Medscape.
„Eine Schwäche sehe ich nur im Bereich der Interpretation“, ergänzt der Experte. „Jede operative Methode ist mit einem gewissen Risiko verbunden, das hier aber im Promillebereich liegt.“ Petersen: „Grundsätzlich sollten Ärzte vorsichtig bei der Indikation sein, dem stimme ich zu. Aber man kann daraus nicht ableiten, dass der Eingriff nicht mehr notwendig ist.“
Ein Teil der Patienten erreiche über konservative Therapien eben keine Beschwerdefreiheit. „Für sie bleiben Eingriffe die einzige Option.“ Der Experte ergänzt, die Arbeit sei eine gute Absicherung bekannter Erfahrungen aus der Klinik.
Kohorte mit rund 700.000 Operationen ausgewertet
Die arthroskopische Teil-Meniskektomie zählt zu den häufigsten orthopädischen Verfahren. „Klinische Studien haben in den letzten 6 Jahren bei einigen Patientengruppen Fragen zur Wirksamkeit des Verfahrens aufgeworfen“, schreiben Abram und Mitautoren.
Eine systematische Überprüfung und Metaanalyse von 9 randomisierten kontrollierten Studien zur Wirkung Knie-arthroskopischer Operationen mit teilweiser Menisektomie oder Debridement zeige nur kleine, aber klinisch unbedeutende Verbesserungen.
Um die assoziierten Risiken zu ermitteln, hat Abram zusammen mit seinen Kollegen Daten der britischen Hospital Episode Statistics ausgewertet. Das Register umfasst Daten zu allen arthroskopischen Teil-Meniskomien, die zwischen dem 1. April 1997 und dem 31. März 2017 in England durchgeführt worden sind.
Abram erfasste alle Komplikationen innerhalb von 90 Tagen nach dem Eingriff. Zu den primären Endpunkten gehörten Myokardinfarkte, Schlaganfälle, Lungenembolien, Infektion, Fasziotomien, neurovaskuläre Verletzungen oder Tod. Über statistische Methoden eliminierte Abram sonstige Risikofaktoren ohne Zusammenhang mit dem Eingriff selbst.
Während des Studienzeitraums führten Chirurgen 1.088.782 arthroskopische Teil-Meniskektomien aus, von denen 699.965 für die Analyse infrage kamen. Insgesamt traten 2.218 schwere Komplikationen auf (0,317%). Darunter waren 546 Lungenembolien (0,078%) und 944 Infektionen (0,135%).
Ein höheres Alter (Odds Ratio [OR] 1,247 pro Jahrzehnt) und ein höherer Charlson-Komorbiditätsindex (OR 1,860 pro 10 Einheiten) waren mit einem höheren Risiko für schwere Komplikationen assoziiert. Frauen entwickelten seltener schwere Komplikationen als Männer (OR 0,640).
Das Sterberisiko sank langfristig (OR 0,965 pro Jahr). Mortalität, Myokardinfarkte und Schlaganfälle traten in der Studienkohorte seltener auf als in der Allgemeinbevölkerung, was Abram und seine Kollegen mit der Selektion von Patienten für Eingriffe erklären. Sie haben die Nebenwirkungen auf die Zahl der Eingriffe hochgerechnet und kommen zu folgendem Ergebnis:
Vermeiden Ärzte 1.390 Kniearthroskopien, könnte eine Lungenembolie vermieden werden.
Streicht man 77.519 Operationen, entspricht das einem vermiedenen Todesfall durch Lungenembolie.
749 Eingriffe weniger könnten eine Kniegelenkinfektion vermeiden.
„Insgesamt war das Risiko bei arthroskopischen Teil-Meniskektomien gering“, fasst Abram zusammen. „Allerdings sind einige seltene, aber schwerwiegende Komplikationen (einschließlich Lungenembolien und Infektionen) mit dem Eingriff verbunden.“
Eingriffe trotz niedriger Risiken hinterfragen?
In einem begleitenden Kommentar schreiben Dr. Kim L. Bennell vom Centre for Health, Exercise and Sports Medicine der Universität Melbourne und Dr. Jeffrey N. Katz von der Harvard Medical School, Boston [2]: „Die Ergebnisse von Abram und Kollegen sollten dazu verwendet werden, Ärzte und Patienten, die eine arthroskopische partielle Meniskektomie in Betracht ziehen, daran zu erinnern, dass selbst einfache und allgemein sichere chirurgische Eingriffe das Risiko schwerwiegender Nebenwirkungen mit sich bringen.“
Als methodische Stärken erwähnen die Kommentatoren nicht nur die große Kohorte. Komplexere Verfahren wie die Bandrekonstruktion mit höherem Risiko seien ausgeschlossen worden, was genauere Betrachtungen arthroskopischer Teil-Menisektomien ermögliche. „Die Daten waren vollständig, stammen aus einer nationalen Quelle und deckten das gesamte Spektrum der wichtigsten perioperativen Komplikationen ab“, ergänzen Bennell und Katz.
Als Schwäche nennen sie, dass sich Abram und seine Kollegen auf öffentliche Krankenhäuser fokussiert haben, was eine Verallgemeinerung der Aussagen erschwere. Außerdem seien langfristige Komplikationen wie strukturelle Schäden unberücksichtigt geblieben.
Medscape Nachrichten © 2018
Diesen Artikel so zitieren: Knie-Arthroskopie: Es gibt seltene, aber durchaus schwere Komplikationen – sollten Ärzte weniger operieren? - Medscape - 12. Okt 2018.
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