Ambulant erworbene Pneumonie: Röntgen, CT oder Ultraschall? Außerdem Tipps zu nicht-antibiotischer Therapie

Manuela Arand

Interessenkonflikte

10. Oktober 2018

Paris – Für Dr. Yann-Erick Claessens ist das Röntgen eine Methode des 20. Jahrhunderts: „Man fragt sich, warum wir im Jahr 2018 immer noch darauf zurückgreifen.“ Doch die Leitlinien sagen klar: Zur Pneumonie-Diagnose wird ein Röntgenbild benötigt.

Röntgen ist auf jeden Fall besser als gar keine Bildgebung, wie der Pneumologe vom Centre Hospitalier Princesse Grace, Monaco, beim Kongress der European Respiratory Society (ERS) verdeutlichte [1].

Klinische Zeichen wie Rasselgeräusche, Husten, Fieber, Herz- und Atemfrequenz führen zwar auf die rechte Fährte, erweisen sich aber speziell bei älteren Patienten häufig als unzuverlässig. „Auf eine bildgebende Bestätigung des Pneumonie-Verdachts zu verzichten, bedeutet eine Übertherapie mit Antibiotika“, betonte Claessens.

Allerdings erweist sich die Befundung der Aufnahmen als schwierig. Die Interobserver-Variabilität sei sehr hoch, selbst unter Spezialisten: 2 Radiologen, die Thorax-Röntgenbilder von 282 Patienten mit Pneumonieverdacht vorgelegt bekamen, wichen bei manchen Aspekten in mehr als 50% der Fälle in ihrem Urteil voneinander ab.

Pneumonie trotz Röntgen-Normalbefund

Außerdem schließt ein normales Röntgenbild eine Pneumonie nicht aus. US-Leitlinien empfehlen deshalb, die Aufnahme nach 24 bis 48 Stunden zu wiederholen. Die um einiges aktuellere deutsche Pneumonie-Leitlinie von 2016 fordert ebenfalls die initiale Röntgenaufnahme zur Diagnosesicherung.

Die Praxis spricht allerdings eine andere Sprache: An einer aktuellen Kohortenstudie, die eigentlich die „Performance“ nicht-radiologischer Prädiktoren in der Pneumonie-Vorhersage testen sollte, nahmen mehr als 5.200 Hausärzte mit fast 30.000 Patienten teil. Innerhalb der 1. Woche nach Symptombeginn wurden gerade mal 720 Patienten geröntgt – das entspricht einem Anteil von 2,5%.

 
Auf eine bildgebende Bestätigung des Pneumonie-Verdachts zu verzichten, bedeutet eine Übertherapie mit Antibiotika. Dr. Yann-Erick Claessens
 

Oder besser Computertomografie?

Wenn das Röntgen nicht viel taugt, dann besser gleich eine Computertomografie (CT) machen lassen? Jein. Zwar kann die CT die diagnostische Sicherheit erhöhen. Aber wenn das Röntgenbild bereits die Diagnose mit hoher Wahrscheinlichkeit bestätigt hat, ist ein Computertomogramm überflüssig. Bleiben jedoch nach dem Röntgen Zweifel, ist die CT eine gute Option. „Je unsicherer die Diagnose, desto wertvoller wird die Computertomografie“, erklärte Claessens.

Zumal nach der CT die therapeutische Strategie oft anders aussieht als zuvor, wie der Pneumologe in einer eigenen Studie feststellte: Bei 16% der 188 untersuchten Patienten wurde erst nach der CT die Entscheidung pro Antibiotika gefällt, bei 9% wurde die Gabe als offensichtlich nutzlos beendet.

 
Je unsicherer die Diagnose, desto wertvoller wird die Computertomografie. Dr. Yann-Erick Claessens
 

Neuer Score hilft, überflüssige CT zu vermeiden

CT-Untersuchungen zu vermeiden, wo sie nicht indiziert sind, ist ein wichtiges Ziel. Ein von französischen Kollegen neu entwickelter Score namens ESCAPED könnte dabei helfen. 6 Variablen gehen darin ein:

  • Husten,

  • Brustschmerz,

  • Fieber über 38 Grad C,

  • positive PCR (außer für Rhinoviren),

  • CRP über 50 mg/l und

  • Parenchyminfiltrat.

Für die ersten 4 Parameter gibt es jeweils 1 Punkt, für die beiden letzten je 2 Punkte. Ein Score unter 3 schließt eine Pneumonie praktisch aus, bei mehr als 5 Punkten ist die Diagnose sehr wahrscheinlich. Die Grauzone dazwischen ist der Bereich, in dem die CT bei der Diagnose helfen kann. Gut die Hälfte der Patienten landen übrigens in dieser Grauzone.

Ultraschall – es kommt auch auf die Erfahrung an

Falls eine Computertomografie aus welchen Gründen auch immer nicht möglich ist, hilft der Ultraschall. Wie beim Röntgen gilt: Ein negativer Befund schließt die Pneumonie nicht aus, zumal die begrenzte Eindringtiefe der Schwallwellen dazu führt, dass zentral gelegene Infiltrate nicht erfasst werden.

„Der positive prädiktive Wert des thorakalen Ultraschalls ist ausgezeichnet, in Studien war er besser als der des Thoraxröntgens“, so Claessens. Auch die deutsche Leitlinie würdigt ihn als Verfahren mit hoher Sensitivität und Spezifität, hebt aber hervor, dass viele Kollegen noch unerfahren sind in der Anwendung.

Künstliche Intelligenz: Diagnosehelfer mit Zukunft

Claessens sieht die Zukunft der Pneumonie-Diagnostik in der engen Zusammenarbeit zwischen Arzt und Maschine bei allen Diagnostikverfahren, ob Röntgen, CT oder Ultraschall: „Die künstliche Intelligenz wird uns helfen, die Bildgebung besser zu interpretieren.“

 
Der positive prädiktive Wert des thorakalen Ultraschalls ist ausgezeichnet, in Studien war er besser als der des Thoraxröntgens. Dr. Yann-Erick Claessens
 

Risiko-Stratifizierung mit weiteren Parametern

Zur Risiko-Stratifizierung bei ambulant erworbener Pneumonie (CAP; community acquired pneumonia) wird meist das klinische Beurteilungssystem CURB-65 herangezogen, um abzuschätzen, ob der Patient ambulant geführt werden kann. Die Vorhersagegenauigkeit lässt sich noch verbessern, wenn neben den bekannten Parametern Verwirrtheit, Serumharnstoff, Atemfrequenz, Blutdruck und Alter über 65 Jahre auch Sauerstoffsättigung (<90%) und Begleiterkrankungen (chronische Herz-, Nieren- oder Leberinsuffizienz, neurologische Grunderkrankungen) berücksichtigt werden, ergänzte Prof. Dr. Gernot Rohde, Universität Frankfurt/Main.

Als höchst aussagekräftiger Prädiktor für das Sterberisiko hat sich außerdem der Glukosespiegel in der Akutsituation erwiesen. Bei Patienten mit einer Serumglukose über 250 mg/dl beträgt es etwa 20%, bei Normalwerten bis 100 mg/dl unter 5%.

Diabetesrisiko steigt mit dem Pneumonie-Score

„Außerdem ist das eine gute Gelegenheit, einen bisher unerkannten Typ-2-Diabetes zu diagnostizieren“, so Rohde. Interessanterweise korreliert die Wahrscheinlichkeit, fündig zu werden, mit dem CURB-65: Patienten mit 2 Punkten weisen fast 4-mal so häufig einen Diabetes auf, Patienten mit 3 bis 5 Punkten 5,6-mal so häufig wie die mit niedriger Punktzahl.

Wenn man sich entscheidet, den Patienten nicht stationär einzuweisen, sollte man ihn nach 48, spätestens nach 72 Stunden noch einmal sehen und die Entscheidung überprüfen.

Therapie mit Penicillin oder systemischen Steroiden?

Bei einer milden bis moderaten Pneumonie spricht übrigens nichts gegen eine Penicillin-Monotherapie. Die Ergebnisse sind ebenso gut wie mit einem Breitspektrum-Antibiotikum.

Die Ergebnisse zu medikamentösen Strategien jenseits der antibiotischen Therapie sind inkonsistent. Am besten steht die Datenlage noch für die systemischen Steroide, deren Einsatz Rohde bei schweren Pneumonien befürwortet. Sie können vermutlich die klinische Stabilisierung beschleunigen und den Klinikaufenthalt abkürzen, erhöhen aber das Risiko, dass der Patient eine insulinpflichtige Hyperglykämie entwickelt.

Ob Acetylsalicylsäure (ASS), Statine oder Makrolide einen Benefit bringen, bleibt zu klären.

 

Kommentar

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