RKI zu aktuellen Antibiotika-Resistenzen in Deutschland: MRSA rückläufig, multiresistente gramnegative Erreger und VRE häufiger

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

2. Oktober 2018

Während sich Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA)-Keime zahlenmäßig rückläufig entwickeln, lassen sich Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) immer häufiger nachweisen. Zu diesen Ergebnissen kommt das Robert Koch-Institut (RKI) bei seiner aktuellen Antibiotika-Resistenz-Surveillance (ARS) [1].

Und aus der Antibiotikaverbrauchs-Surveillance (AVS) geht hervor, dass je nach Versorgungsstufe in Krankenhäusern unterschiedliche Wirkstoffe verwendet werden. Reserveantibiotika sind häufig auf Intensivstationen zu finden. Sowohl die ARS als auch die AVS kommen im Rahmen der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie (DART 2020) zum Einsatz.

„In der Klinik sehen wir 2 Dinge: MRSA entwickeln sich seit Jahren rückläufig. Multiresistente gramnegative Erreger und Vancomycin-resistente Enterokokken nehmen jedoch zu“, erklärt Prof. Dr. Mathias W. Pletz vom Universitätsklinikum Jena und von der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie gegenüber Medscape.

 
In der Klinik sehen wir 2 Dinge: MRSA entwickeln sich seit Jahren rückläufig. Multiresistente gramnegative Erreger und Vancomycin-resistente Enterokokken nehmen jedoch zu. Prof. Dr. Mathias W. Pletz
 

Der Unterschied erkläre sich für ihn vor allem durch das Reservoir. „MRSA besiedeln die Haut und den Nasen-Rachen-Raum; hier können wir Patienten gut dekolonisieren“, ergänzt der Direktor des Instituts für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene in Jena. „Solche Konzepte gibt es für Darmbakterien bislang nicht.“ In Studien habe sich kein Erfolg eingestellt. Außerdem spiele die Lebensmittelkette eine große Rolle – in Ländern mit weniger strengen Regeln zum Einsatz von Antibiotika noch mehr als in Deutschland.

Pletz berichtet von eigenen Untersuchungen mit Studierenden. Demnach seien nach Aufenthalten in Indien bei 30% von ihnen resistente Darmbakterien gefunden worden. „Mittlerweile wissen wir, dass MRSA im ambulanten Bereich eine geringe Rolle spielen“, ergänzt der Experte, während laut Studien schon 10 bis 12% aller Patienten mit resistenten Darmkeimen kolonisiert in die Klinik kommen. Jedoch würden gesunde Menschen, die mit Bakterien mit Extended-Spectrum-Betalaktamasen (ESBL) kolonisiert sind, diese oft wieder verlieren.

Antibiotic-Stewardship-Konzept zeigt Erfolge

Zur Frage der Wirkstoffauswahl erklärt Pletz: „Laut Antibiotic-Stewardship-Konzept sollen neben dem Gesamtverbrauch v.a. Cephalosporine der 3. Generation, orales Cefuroxim und Fluorchinolone zurückgedrängt werden.“

Bei Fluorchinolonen gebe es im stationären Sektor keine große Bewegung.

Der Einsatz des Cephalosporins der 3. Generation Ceftriaxon habe sich aber nahezu halbiert. Dieser Wirkstoff stehe vor allem mit der ESBL-Ausbreitung in Verbindung. Allerdings sei unklar, warum gerade Ceftriaxon die Ausbreitung von ESBL begünstige. Eine mögliche Erklärung sei die Pharmakokinetik: Ceftriaxon wird zum überwiegenden Teil über die Galle ausgeschieden und landet im stark besiedelten Dickdarm.

 
Laut Antibiotic-Stewardship-Konzept sollen neben dem Gesamtverbrauch v.a. Cephalosporine der 3. Generation, orales Cefuroxim und Fluorchinolone zurückgedrängt werden. Prof. Dr. Mathias W. Pletz
 

Das Betalaktam-Antibiotikum Cefuroxim-Axetil hat eine schlechte Bioverfügbarkeit und gelangt daher ebenfalls in hohen Konzentrationen in den Dickdarm. „Wir stehen jetzt vor der Frage, ob man wirklich eine gesamte Wirkstoffklasse verdammen muss oder nur einzelne, ungünstige Substanzen.“

Pletz weiter: „Bereits heute sehen wir einen messbaren Erfolg des Antibiotic Stewardship-Programms (ABS): Clostridium difficile-Infektionen entwickeln sich in den meisten Kliniken mit einem ABS-Programm rückläufig.“

Warum bei Vancomycin-resistenten Enterokokken (VRE) der Trend nach oben gehe, lasse sich derzeit nicht sagen. Dies hänge wahrscheinlich nicht nur mit dem Vancomycin-Verbrauch zusammen.

Die Trends zeigten, wie wichtig Surveillance sei, allerdings seien tiefer gehende, molekulare Untersuchungen erforderlich, um die Ausbreitung von Resistenzen besser zu verstehen. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass oftmals die Ausbreitung einzelner, besonders „fitter“ Bakterien-Klone zu einem sprunghaften Anstieg von Resistenzen führe. Umso wichtiger sei ein gezieltes Monitoring.

Wichtiges ARS-Ergebnis: Verschiebung von Resistenzen

Die Antibiotika-Resistenz-Surveillance (ARS) wurde als Tool zur flächendeckenden Überwachung von Antibiotika-Resistenzen entwickelt. Dabei wird das gesamte Spektrum klinisch relevanter bakterieller Erreger erfasst. Die Daten kommen aus angeschlossenen mikrobiologischen Labors. Für das Jahr 2017 liegen Daten aus mehr als 500 Krankenhäusern und mehr als 18.000 Arztpraxen vor.

Die jetzt vorgestellten Ergebnisse umfassen Daten bis 2017. Sie zeigen, dass es bei Resistenzen klare Verschiebungen im Erregerspektrum gibt.

  • Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) verlieren an Bedeutung. 2017 ist der nachgewiesene Anteil erstmals unter 10% gesunken.

  • Dagegen gewinnen Vancomycin-resistente Enterokokken (Enterococcus faecium) an Bedeutung. Zuletzt lag der Resistenzanteil in Blutkulturen bei über 16%, im Vorjahr waren es weniger als 12%.

  • Bei Escherichia (E.) coli-Resistenzen gegen Cephalosporine der 3. Generation fallen im Survey vor allem Unterschiede zwischen dem ambulanten Bereich (8%) und dem stationären Bereich (12%) auf. Das trifft auf Klebsiella pneumoniae-Resistenzen gegen Cephalosporine der 3. Generation ebenfalls zu (ambulant 9% versus Klinik 14%). Hier spricht das RKI von einer gefährlichen Entwicklung: Cephalosporine der 3. Generation sind eine in der Praxis wichtige Gruppe von Breitspektrum-Antibiotika.

  • Die Resistenz gegenüber Carbapenemen liegt bei E. coli und bei K. pneumoniae wie zuvor unterhalb von 1%.

Unterschiedlicher Antibiotikaverbrauch in verschiedenen Stationen

Als weiteres Tool hat das RKI die Antibiotikaverbrauchs-Surveillance (AVS) etabliert. Unterschiede gibt es je nach der Versorgungsform.

  • 81% aller Antibiotika der Reservegruppe kamen auf Intensivstationen zum Einsatz. Hier nennt das RKI Carbapeneme und Piperacillin/Betalaktamase-Inhibitoren.

  • In den sonstigen medizinischen Abteilungen gab es keine derartigen Präferenzen. Makrolide, Cephalosporine der 3. Generation und Piperacillin/Betalaktamase-Inhibitoren wurden ähnlich oft eingesetzt.

  • Chirurgische Abteilungen bevorzugten Cephalosporine der 2. Generation gefolgt von Fluorchinolonen.

„Ohne diese Daten können eingeleitete Maßnahmen zur Verbesserung der Antibiotika-Resistenz nicht überprüft und Defizite nicht erkannt werden“, schreibt das RKI als Kommentar. Hier werden 2 Strategien genannt:

  • die Optimierung von Hygienemaßnahmen, um das Neuauftreten nosokomialer Infektionen zu verhindern und

  • Antibiotika nur dann einzusetzen, wenn dies notwendig und sinnvoll ist.

 

Kommentar

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