Medizin-Nobelpreis an James P. Allison und Tasuku Honjo für die Immun-Checkpoint-Blockade als neuartige Krebstherapie

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

1. Oktober 2018

Prof. James P. Allison

Der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin wird in diesem Jahr an die beiden Immunologen Prof. James P. Allison and Prof. Dr. Tasuku Honjo verliehen. Ihre Entdeckungen waren die Grundlage für die Entwicklung einer völlig neuartigen Klasse von Krebsmedikamenten, den Immun-Checkpoint-Inhibitoren, die das Immunsystem entfesseln, so dass es Krebszellen ungehindert bekämpfen kann [1].

Prof. Dr. Tasuku Honjo
Ill. Niklas Elmehed. © Nobel Media

„Die Stimulation der angeborenen Fähigkeit des Immunsystems, Krebszellen anzugreifen, ist ein völlig neues Wirkprinzip in der Krebstherapie“, heißt es in einer Mitteilung des Nobelpreiskomitees. Es basiert auf der Blockade von Proteinen, CTLA-4 und PD-1, die auf der Oberfläche von T-Zellen exprimiert werden und als „Bremsen“ für das Immunsystem fungieren. Werden diese Proteine inhibiert, greift das Immunsystem ungebremst Krebszellen an. Die Immun-Checkpoint-Inhibitoren, die auf Grundlage dieser Entdeckungen entwickelt wurden, haben sich mittlerweile als erstaunlich wirksam im Kampf gegen Krebs erwiesen.

 
Die Stimulation der angeborenen Fähigkeit des Immunsystems, Krebszellen anzugreifen, ist ein völlig neues Wirkprinzip in der Krebstherapie. Nobelpreiskomitee
 

Der 1948 in Texas geborene Nobelpreisträger Allison leitet heute das Department of Immunology am University of Texas MD Anderson Cancer Center in Austin. Außerdem ist er Direktor des Parker Institute for Cancer Immunotherapy und der Immunotherapy Platform des MD Anderson Cancer Center. Seine bahnbrechenden Entdeckungen zu der T-Zell-Bremse CTLA-4 machte er in den 1990er Jahren an der University of California in Berkeley. Der ebenfalls frischgebackene Medizin-Nobelpreisträger Honjo kam 1942 in Kyoto, Japan, zur Welt. Seit 1984 ist er Professor für Medizin an der Universität Kyoto, wo er auch seine Forschungsarbeiten zu PD-1 durchführte.

Eine alte Idee

Die Idee, dass die Aktivierung des Immunsystems eine Strategie zur Bekämpfung von Krebserkrankungen sein könnte, ist nicht neu. Bereits Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts versuchten Wissenschaftler das Immunsystem zu aktivieren, indem sie Patienten mit Bakterien infizierten – mit mäßigem Erfolg. Zwar gibt es heute eine Therapiestrategie für Blasenkrebs, die diesem Vorgehen ähnelt, doch schon damals war klar, dass man mehr Informationen brauchte.

In den folgenden Jahren und Jahrzehnten wurden große Fortschritte in der Grundlagenforschung gemacht und die grundlegenden Mechanismen enthüllt, wie das Immunsystem reguliert wird und wie es Krebszellen erkennt. Dennoch blieb es schwierig, generalisierbare neue Strategien gegen Krebs zu entwickeln.

Beschleuniger und Bremsen

Körpereigenes von Körperfremdem unterscheiden zu können, gehört zu den grundlegenden Eigenschaften des Immunsystems. Proteine auf den T-Zellen, die als Beschleuniger oder Bremsen für das Immunsystem fungieren, sorgen dafür, dass das Immunsystem Fremdkörper ausreichend stark attackiert, körpereigenes Gewebe dabei aber nicht zerstört.

In den 1990er Jahren erforschte Allison in seinem Labor an der University of California in Berkeley, USA, das T-Zell-Protein CTLA-4. Als einer von mehreren Wissenschaftlern hatte er beobachtet, dass CTLA-4 als Bremse auf den T-Zellen wirkt. Andere Forscherteams nutzten den Mechanismus als Zielmolekül für die Behandlung von Autoimmunerkrankungen. Doch Allison hatte eine ganz andere Idee. Er hatte bereits einen Antikörper entwickelt, der CTLA-4 blockieren konnte. Der heutige Nobelpreisträger wollte herausfinden, ob die CTLA-4-Blockade die T-Zell-Bremse lösen und das Immunsystem auf Krebszellen loslassen würde.

Ein erstes entsprechendes Experiment führten Allison und seine Mitarbeiter Ende 1994 durch. Die Resultate waren spektakulär. Krebskranke Mäuse wurden durch die Behandlung mit den inhibierenden CTLA-4-Antikörpern geheilt. In der pharmazeutischen Industrie weckten die Ergebnisse trotz allem wenig Interesse, doch Allison setzte seine Anstrengungen fort, die Strategie zu einer Therapie für Menschen weiterzuentwickeln.

Schon bald veröffentlichten verschiedene Arbeitsgruppen vielversprechende Daten und 2010 kam eine wichtige klinische Studie zu einem beeindruckenden Resultat: Die Substanz Ipilimumab (Yervoy®, Bristol-Myers Squibb) sorgte bei rund 20% der Patienten mit metastasiertem Melanom für langanhaltende Remissionen. Seit 2011 ist es in der EU zur Melanombehandlung zugelassen.

Die Entdeckung von PD-1

Im Jahr 1992, einige Jahre bevor Allison auf CTLA-4 stieß, entdeckte der zweite Nobelpreisträger, Honjo, das Protein PD-1, welches ebenfalls auf der Oberfläche von T-Zellen exprimiert wird. Seine Rolle und Funktion im Immunsystem erforschte er über viele Jahre in seinem Labor an der Universität Kyoto, Kyoto, Japan. Er fand heraus, dass PD-1 – ebenso wie CTLA-4 – als T-Zell-Bremse fungiert, aber über einen anderen Mechanismus. Tierexperimente zeigten, dass auch die Blockade von PD-1 eine vielversprechende Strategie im Kampf gegen Krebs darstellt – das zeigten Honjo und sein Team aber auch andere Arbeitsgruppen. Sie bereiteten den Weg für die Nutzung von PD-1 als Target in der Behandlung von Patienten. Es folgte eine klinische Entwicklungsphase, die 2012 in einer klinischen Schlüsselstudie gipfelte.

Die Blockade von PD-1 mit dem Antikörper Nivolumab (Opdivo®, Bristol-Myers Squibb) führte bei 6 bis 17% der Patienten zu einer anhaltenden Remission und bei 12 bis 41% der Patienten zu einer langfristigen Stabilisierung der Erkrankung. Die untersuchten Krebserkrankungen waren unter anderem metastasiertes nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom, Melanom und Nierenzellkarzinom.

Immun-Checkpoint-Inhibitoren heute und in Zukunft

Mittlerweile haben Immun-Checkpoint-Inhibitoren die Krankheitsverläufe verschiedener Patientengruppen mit metastasiertem Krebs grundlegend zum Besseren gewendet. Es gibt zwar Nebenwirkungen – auch schwere und tödlich verlaufende – aber diese sind üblicherweise mit Steroiden gut behandelbar.

Von den beiden T-Zell-Bremsen CTLA-4 und PD-1 haben sich Antikörper gegen PD-1 als wirksamer erwiesen. Bei verschiedenen Krebsarten gibt es mittlerweile positive Resultate, darunter Lungenkrebs, Nierenzellkarzinome, Lymphome und Melanome. Neue klinische Studien deuten darauf hin, dass Kombinationstherapien, die sowohl CTLA-4 als auch PD-1 blockieren, sogar noch wirksamer sein könnten – dies wurde etwa bei Melanompatienten gezeigt.

 
Die Stimulation der angeborenen Fähigkeit des Immunsystems, Krebszellen anzugreifen, ist ein völlig neues Wirkprinzip in der Krebstherapie. Nobelpreiskomitee
 

Derzeit läuft eine große Zahl von Studien zu Immun-Checkpoint-Inhibitoren gegen die meisten Arten von Krebserkrankungen, außerdem werden weitere T-Zell-Bremsen als mögliche Targets untersucht.

„Seit mehr als 100 Jahren haben Wissenschaftler versucht, das Immunsystem im Kampf gegen Krebs zu nutzen. Bis zu den bahnbrechenden Entdeckungen der beiden Preisträger war der Fortschritt hin zur klinischen Entwicklung mäßig. Die Therapie mit Immun-Checkpint-Inhibitoren hat die Krebsbehandlung revolutioniert und die Art und Weise, wie wir das Management von Krebserkrankungen sehen, grundlegend verändert“, resümiert das Nobelpreiskomitee.

 

Kommentar

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