Mannheim – Wie sollte bei rheumatoider Arthritis nach erfolgloser Therapie mit konventionellen DMARDs (Disease Modifying Antirheumatic Drugs) weiter eskaliert werden? Sollte direkt ein Januskinase (JAK)-Inhibitor gegeben werden? Eine spannende Diskussion dazu entwickelte sich auf einem Symposium beim 46. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) in Mannheim [1].
Diskutiert wurde die Frage anhand eines Falles, den Prof. Dr. G erd-Rüdiger Burmester, Berlin, vorstellte. Der Patient war Leiter einer Zahnklinik, bei ihm war vor 10 Jahren rheumatoide Arthritis (RA) diagnostiziert worden. Er war hoch seropositiv für Rheumafaktoren und CCP-Antikörper (gegen citrullinierte Antigene; ACPA). Über 9 Jahre lang war der Patient mit 15 mg Methotrexat (MTX) oral gut eingestellt, immer in Remission und hatte bislang keine Glukokortikoide erhalten. Dann aber entwickelten sich Gelenkschmerzen, vor allem in den Füßen, und der Patient bekam Schwierigkeiten beim Gehen. Der DAS28 (Krankheits-Aktivitäts-Score 28) lag bei 2,45.
In Absprache mit dem Patienten wurde zunächst auf 25 mg MTX eskaliert, zusätzlich nahm der Patient pro Tag 15 mg Prednisolon ein. Das C-reaktive Protein (CRP) war nicht erhöht, auch die Erythrozyten-Sedimentationsrate (ESR) war normal, doch die Schmerzen in den Vorfüßen persistierten und bereiteten dem Patienten große Schwierigkeiten beim Gehen. In der Arthro-Sonografie zeigten sich Tendinitis und Erosionen. Wie sollte weiter therapiert werden? Leflunomid hinzufügen? Auf eine Triple-Therapie wechseln? Ein Biologikum hinzufügen oder einen JAK-Hemmer?
Er würde einen JAK-Inhibitor hinzufügen, empfahl Prof. Dr. Klaus Krüger, München, und führte dafür 5 gute Gründe an:
Grund 1: Die Gabe eines JAK-Hemmers wird durch die EULAR-Empfehlungen 2016 gedeckt und entspricht auch der deutschen S2e Leitlinie. Aus Krügers Sicht spricht auch die Art der Anwendung – orale Gabe einmal täglich – für JAK-Hemmer. Häufig nämlich gäben Patienten oral vor parenteral verabreichten Medikamenten wie TNF-Inhibitoren oder MTX den Vorzug. Aus einer Patientenbefragung aus 2018 (n=72, eigene Daten, noch unveröffentlicht) teilte Krüger mit, dass 62% der Befragten das neue Medikament bevorzugten, während 38% auf das bewährte und parenteral verabreichte Medikament setzten (MTX, TNF-Hemmer).
Grund 2: Eine erhöhte Immunogenität wie bei TNF-Inhibitoren ist bei JAK-Inhibitoren nicht zu befürchten, denn JAK-Inhibitoren weisen nur eine geringe Immunogenität auf. Potenzielle Folgen einer Immunogenität sind ein reduziertes Ansprechen und die Bildung von Anti-Drug-Antikörpern (ADAs). Unter Infliximab entwickeln 25,3% der Patienten ADAs, unter Adalimumab 14,1% und unter Certolizumab 6,9%.
Grund 3: die Therapieabbruchrate. Eine Untersuchung der Daten von 6.209 Patienten aus dem CORRONA-Register zeigt, dass die Zeit bis zum Therapieabbruch im Median unter TNF-Inhibitoren bei 26,5 Monaten lag, bei Nicht-TNF-Inhibitoren brachen die Patienten bereits nach 20,5 Monaten die Therapie ab. Wie sieht die Therapieabbruchrate unter JAK-Inhibitoren aus? Noch, so Krüger, gebe es wenige Daten. Die Ergebnisse aus der Schweiz aber, die Dr. Axel Finck auf dem EULAR 2017 vorstellte, lassen darauf schließen, dass die Therapieabbruchrate unter JAK-Hemmern nicht höher ist als unter den herkömmlichen Nicht-TNF-Inhibitoren: Im Zeitraum 1. August 2013 bis 1. Dezember 2016 hatten 376 Patienten den JAK-Hemmer Tofacitinib erhalten, 928 Patienten einen TNF-Hemmer und 692 ein Biologikum. In der adjustierten Kurve der Abbruchrate zeigte sich, dass die Rate unter Tofacitinib vergleichbar war mit der von TNF-Hemmern.
Grund 4: Ein JAK-Hemmer (Baricitinib) kann als Monotherapie gegeben werden oder in Kombination mit MTX – hinsichtlich der Effektivität aber schneidet er in der Monotherapie kaum schlechter ab. Die RA-BEGIN-Studie hatte das Ansprechen (ACR20, ACR50 und ACR70) einer Baricitinib-Monotherapie mit einer MTX-Monotherapie und einer Kombinationstherapie MTX plus Baricitinib verglichen. Die Baricitinib-Monotherapie war der MTX-Monotherapie nach Woche 24 überlegen mit einem höheren ACR20-Ansprechen (eine mindestens 20%ige Verbesserung der Symptomatik): 77% vs 62% (p ≤ 0,01). Gleiches wurde für die Kombinationstherapie (Baricitinib plus MTX) beobachtet. Viele Patienten geben ohnehin einer Monotherapie den Vorzug – das zeigen die Ergebnisse der Discrete Choice Analyse aus 2016, die die Präferenzen von RA-Patienten untersucht hatte.
Grund 5: die kurze Halbwertszeit der JAK-Inhibitoren. Wird die Einnahme von Tofacitinib unterbrochen, zeigt sich das rasch – innerhalb von 8 Tagen im CPR-Wert und auch die Krankheitsaktivität steigt messbar an. Beginnt nach 4 Wochen die Therapie wieder, ist aber die Einstellung wieder so gut wie vor der Therapieunterbrechung. Die kurze Halbwertszeit bringt Vorteile beim perioperativen Management, denn die präoperative Absetzzeit beträgt bei einem biologischen DMARD (bDMARD) 3 Halbwertszeiten (z.B. beträgt die Halbwertszeit von Adalimumab 2 Wochen), bei den JAK-Hemmern nur einige Tage. Auch der Aspekt Kinderwunsch könnte für die JAK-Hemmer sprechen: Bei DMARDs, die nicht in die Kategorie TNF-Hemmer fallen (Nicht-TNF-DMARDs), beträgt die Absetzzeit mindestens 3 Monate, bei den JAK-Hemmern hingegen eine bis wenige Wochen. Die kurze Halbwertszeit der JAK-Hemmer kann bei der Therapiekontrolle helfen: Denn im CRP und in der Krankheitsaktivität zeigt sich innerhalb von nur wenigen Tagen, dass die Therapie unterbrochen wurde.
Datenlage zu den JAK-Inhibitoren überschaubar – und was ist bei älteren Patienten?
Während Krüger nach Versagen von konventionellen, synthetischen DMARDs (csDMARDs) den Einsatz von JAK-Inhibitoren befürwortet, sieht Prof. Dr. Hendrik Schulze-Koops, Rheumaeinheit der Medizinischen Klinik und Poliklinik am Klinikum der LMU München, dies alles sehr viel skeptischer. Natürlich ermöglichten Zulassungsstatus und Leitlinien den evidenzbasierten Einsatz von JAK-Inhibitoren bei MTX-Resistenz. Doch der Erfahrungsschatz mit JAK-Hemmern im Vergleich zu TNF-Inhibitoren sei deutlich geringer.
Schulze-Koops erinnerte daran, dass Biologika (TNF-Inhibitoren) seit 1998 zugelassen und über eine Million Patienten weltweit bis zu 20 Jahre damit behandelt worden sind. „Wir haben riesige Wirksamkeitsdaten aus randomisiert-kontrollierten Studien, verlängerten Studien (LTE, Long Extension Study) und Registern. Das Risiko von unbekannten Nebenwirkungen bei diesen Substanzen ist sehr niedrig.“
Demgegenüber seien JAK-Inhibitoren in Europa erst seit 2017 zugelassen. Für Tofacitinib liegen allerdings seit 2011 Daten zu über 20.000 Patienten weltweit vor, die teilweise bis zu 10 Jahre behandelt wurden.
Schaut man sich die Wirksamkeit an, so liegen die Response-Kriterien ACR20, ACR50 (eine mindestens 50%ige Verbesserung der Symptomatik) und ACR70 (70%ige Verbesserung) für alle Biologika bei ca. 60/40/20%. In der RA-BUILD-Studie lag das ACR20-Ansprechen für die 2 mg-Dosierung des JAK-Inhibitors Baricitinib bei 61%, für 4 mg bei 65%, das ACR50 bei 42% bzw. 44% und das ACR70 bei 25% bzw. 24%. „Die Wirksamkeit von JAK-Inhibitoren ist gegeben, sie sind aber nicht besser als Biologika“, konstatierte Schulze-Koops.
Hinsichtlich der Nebenwirkungen seien JAK-Hemmer und Biologika vergleichbar, meint er: Unter JAK-Inhibitoren gebe es auch nicht mehr Nebenwirkungen als unter Biologika, allerdings treten Herpes-Zoster-Fälle etwas häufiger auf.
Schulze-Koops erinnerte daran, dass JAK-Hemmer bei Komorbidiäten kritisch sein können. So ist Baricitinib für Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion und eingeschränkter Leberfunktion nur bedingt geeignet. Bei einer GFR zwischen 30 und 60 ml/min beträgt die empfohlene Dosis 2 mg einmal täglich, ist die GFR unter 30 ml/min, wird die Anwendung nicht empfohlen. Bei Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung sollte Baricitinib ebenfalls nicht eingesetzt werden.
Auch der Einsatz bei älteren Patienten ist schwierig: Denn die klinische Erfahrung bei Patienten ab 75 Jahren ist sehr begrenzt. „Für Baricitinib gibt es für ältere Patienten praktisch keine Daten. Mit der Gabe bewegen wir uns auf sehr dünnem Eis in dunkler Nacht“, betonte Schulze-Koops.
Auch die Art der Anwendung ist aus seiner Sicht eher ein Nachteil: „Durch die tägliche Einnahme wird der Patient ständig an seine Krankheit erinnert.“ Auch könne die Einnahme vergessen werden – parenterale Medikamente seien unter Compliance-Aspekten meist besser. Und der Preis? Seit Mai 2018 sind die Kosten für Baricitinib etwas gesunken. Es ist jetzt günstiger als ein Original-Biologikum und als Etanercept-Biosimilars.
Fallbeispiel: JAK-Hemmer statt Glukokortikoide und Etanercept
Im von Burmester berichteten Fall entschied sich der Patient dafür, die MTX plus Glukokortikoid-Therapie (25 mg plus 15 mg) um eine zusätzliche Etanercept-Einnahme zu erweitern. Zunächst besserte sich sein Zustand auch. Doch nach 3 Monaten traten wieder anhaltende Schmerzen in den Vorfüßen auf, und der Patient hatte erneut große Schwierigkeiten beim Gehen.
Im Ultraschall zeigte sich eine aktive Synovitis im Vorfußbereich. In Absprache mit dem Patienten wurden Glukokortikoide und Etanercept abgesetzt und der MTX-Therapie ein JAK-Hemmer zugefügt. Die Schmerzen in den Füßen verschwanden vollständig, der Patient konnte wieder arbeiten, MTX konnte auf 10 mg/Woche reduziert werden. Das Ansprechen auf MTX plus JAK-Hemmer trat nach 1 bis 2 Wochen ein, seit 3 Monaten läuft diese Therapie.
Und wenn der JAK-Hemmer versagt?, lautete eine Frage in der Diskussion. Wie Burmeister sagte, würde er dann einen Versuch mit Rituximab starten.
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Diesen Artikel so zitieren: Diskussion auf dem Rheuma-Kongress: Nach DMARD-Versagen direkt ein JAK-Inhibitor? Was dafür spricht - Medscape - 28. Sep 2018.
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