Vorläufige Ergebnisse der bislang größten, längsten und umfassendsten kardiovaskulären Endpunkt-Studie mit einem Medikament gegen Typ-2-Diabetes zeigen, dass der Hemmstoff des Sodium-Glukose Co-Transporters vom Typ 2 (SGLT2) Dapagliflozin (Forxiga®/Farxiga®, AstraZeneca) kardiovaskuläre Endpunkte günstig beeinflusst – dies aber augenscheinlich nur über eine Besserung bei Herzinsuffizienzen.
AstraZeneca hat am Dienstag die Hauptergebnisse ihrer Studie DECLARE-TIMI 58 bekanntgegeben. Die Studie hat den Effekt von Dapagliflozin versus Placebo auf kardiovaskuläre Endpunkte getestet – dies über einen Zeitraum von bis zu 5 Jahren in 33 Ländern bei mehr als 17.000 Erwachsenen mit Typ 2 Diabetes mit mehreren kardiovaskulären Risikofaktoren oder etablierter kardiovaskulärer Erkrankung. Die endgültigen Ergebnisse sollen im November bei den American Heart Association (AHA) Scientific Sessions 2018 in Chicago, USA, vorgestellt werden.
DECLARE ist einzigartig, weil es die erste kardiovaskuläre Endpunkt-Studie mit 2 co-primären Wirksamkeitsendpunkten ist. Und ein großer Prozentsatz der eingeschlossenen Patienten mit Typ-2-Diabetes – rund 60% – galten als Primärprävention, da sie keine offenkundige kardiovaskuläre Erkrankung hatten, sondern nur Risikofaktoren dafür.
Dapagliflozin hat in der Studie den primären Sicherheitsendpunkt erreicht – die Nicht-Unterlegenheit bezüglich schwerer kardiovaskulärer Ereignisse (Major Adverse Cardiovascular Events = MACE) – und reduzierte zudem signifikant den zusammengesetzten Endpunkt aus Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz oder kardiovaskulären Tod, was einer der 2 primären Wirksamkeitsendpunkte war.
Aber obwohl unter Dapagliflozin weniger MACE auftraten, erreichte der Unterschied zu Placebo in diesem Endpunkt (der der 2. Wirksamkeitsendpunkt war) keine statistische Signifikanz, heißt es in der Pressemitteilung des Unternehmens.
Unterscheiden sich die DECLARE Ergebnisse, weil sich die Patientenpopulationen unterscheiden?
Die DECLARE-TIMI 58 Ergebnisse stehen in einigen Aspekten im Kontrast zu denjenigen mit anderen SGLT2-Inhibitoren, etwa EMPA-REG OUTCOME mit Empagliflozin (Jardiance, Boehringer Ingelheim) und rund 7.000 Patienten und Canagliflozin Cardiovascular Assessment Study (CANVAS) mit Canagliflozin (Invokana, Vokanamet, Janssen) mit 10.000 Patienten.
Beide SGLT2-Hemmer, Empagliflozin und Canagliflozin, senkten jeweils die MACE-Rate in ihren Studien – und mit Empagliflozin nahmen sogar die kardiovaskulär bedingten Todesfälle ab. In der Folge sind auch die Produktinformationen der beiden Antidiabetika in der EU geändert worden.
Aber EMPA-REG umfasste fast ausschließlich Typ-2-Patienten in der kardiovaskulären Sekundärprävention (weniger als 1% hatten nur Risikofaktoren) während in CANVAS mehr als 60% der Patienten in der Sekundärprävention waren.
Nach seiner Einschätzung gefragt, teilt Prof. Dr. Vlado Perkovic, Mitglied der CANVAS Studienleitung und Direktor am The George Institute for Global Health in Sydney, Australien, Medscape Medical News per E-Mail mit: „Es ist wunderbar für die Menschen mit Diabetes, dass die DECLARE-TIMI-58-Studienergebnisse so klingen, als ob sie die günstigen Effekte auf die Herzinsuffizienz bestätigen, die sich bereits in EMPA-REG und CANVAS gezeigt haben."
Und weiter: „Doch das offensichtliche Ausbleiben eines klaren Benefits für den Standard-Endpunkt MACE steht im Kontrast zu den Ergebnissen der beiden früheren Studien – und es wird bedeutsam sein, herauszufinden, ob dies aus der größeren Zahl von Patienten ohne vorbestehende kardiovaskuläre Erkrankung resultiert, ein Zufallsbefund ist oder durch andere Faktoren bedingt."
„Die renalen Endpunkte werden auch wichtig sein und wir sind sehr neugierig darauf, wenn man die starke Evidenz bedenkt, die die früheren Studien für einen Nutzen auch in dieser Beziehung geliefert haben“, betont Perkovic.
In der Pressemitteilung des Unternehmens wird einer der Studienleiter von DECLARE-TIMI 58, Dr. Stephen Wiviott vom Brigham and Women's Hospital und der Harvard Medical School, Boston, USA, mit den Worten zitiert: „Die Resultate bieten überzeugende Hinweise, dass Dapagliflozin dazu beiträgt, ein bedeutsames medizinisches Problem einer diversen Gruppe von Patienten mit Typ-2-Diabetes zu adressieren indem es den zusammengesetzten Endpunkt aus Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz und kardiovaskulärem Tod reduzierte – und gleichzeitig ein Sicherheitsprofil hat, das den breiten Einsatz unterstützt.“
Die vollständigen Ergebnisse von DECLARE werden beim AHA-Kongress präsentiert
Laut AstraZeneca sollen die vollständigen Ergebnisse am 10. November beim AHA-Jahreskongress in Chicago vorgestellt werden.
DECLARE-TIMI 58 ist eine randomisierte, doppelblinde, placebo-kontrollierte Multicenter-Studie, die den Effekt auf kardiovaskuläre Endpunkte von Dapagliflozin 10 mg einmal täglich im Vergleich zu Placebo getestet hat – dies additiv zur Standardtherapie bei mehr als 17.000 Erwachsenen im Alter über 40 Jahre mit Typ-2-Diabetes und multiplen kardiovaskulären Risikofaktoren oder etablierter kardiovaskulärer Erkrankung in 882 Zentren in 33 Ländern.
Die Studie ist gesponsert von AstraZeneca wurde aber in Zusammenarbeit mit akademischen Untersuchern der TIMI Studiengruppe in Boston und dem Hadassah Hebrew University Medical Center in Jerusalem, Israel, durchgeführt.
Die 2 coprimären Wirksamkeitsendpunkte waren (1) die Zeit bis zum ersten Ereignis des zusammengesetzten Endpunktes aus kardiovaskulär bedingtem Tod, Myokardinfarkt oder ischämischer Schlaganfall und (2) die Zeit bis zum ersten Ereignis aus dem zusammengesetzten Endpunkt aus kardiovaskulär bedingtem Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz.
Sekundäre Outcomes beinhalteten (1) die Zeit bis zum ersten Ereignis eines renalen zusammengesetzten Endpunktes aus einer bestätigten dauerhaften mindestens 40%igen Abnahme in der geschätzten glomerulären Filtrationsrate (estimated glomerular filtration rate = eGFR) auf unter 60 ml/min/1,73m2 und/oder eine terminale Niereninsuffizienz und/oder renal oder kardiovaskulär bedingter Tod und (2) die Zeit bis zum Tod.
Auch wenn Dapagliflozin einer der ersten SGLT2-Inhibitoren auf dem Markt war, kommt er jetzt mit seiner kardiovaskulären Endpunktstudie relativ spät, da die Studie einer der längsten und größten war und so erst später beendet wurde. Inzwischen gelten die SGLT2-Hemmer als „game changer“ in der Behandlung des Typ-2-Diabetes – aufgrund der Meilenstein-Ergebnisse von EMPA-REG and CANVAS.
Doch nicht alles ist eitel Sonnenschein in diesen Studien. So war in CANVAS, die Canagliflozin-Therapie mit einer Verdopplung des Risikos für eine Amputation der unteren Gliedmaßen assoziiert, was dazu führte, dass nun in der europäischen Produktinformation alle SGLT2-Inhibitoren einen Warnhinweis auf das erhöhte Amputationsrisiko haben. In den USA gibt es einen solchen Hinweis nur im Label von Canagliflozin.
SGLT2-Inhibitors sind zudem mit einem erhöhten Risiko für eine diabetische Ketoazidose, für genitale Infektionen und für Frakturen in Verbindung gebracht worden – und erst kürzlich wurden sie assoziiert mit einer extrem seltenen aber lebensbedrohlichen Nebenwirkung, der nekrotisierenden Fasziitis des Perineums, auch Fournier's Gangrän genannt, eine bakterielle Infektion des Unterhautgewebes, in dem sich perineale Muskulatur, Nerven, Fett- und Blutgefäße befinden.
Dieser Artikel wurde von Sonja Böhm aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
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Diesen Artikel so zitieren: Studie der Superlative bei Typ-2-Diabetes: Dapagliflozin punktet bei Herzinsuffizienz, erfüllt aber nicht alle Erwartungen - Medscape - 27. Sep 2018.
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