Ethyl-Eicosapentaensäure (Vascepa®), ein Derivat der Omega-3-Fettsäure, senkt die Häufigkeit kardiovaskulärer Ereignisse bei mit Statin behandelten Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko um 25%. Zu diesem Ergebnis kommt die Amarin Corporation nach Auswertung ihrer Placebo-kontrollierten REDUCE-IT-Studie laut einer Presseinformation [1].
Die Resultate seien nicht auf Fischöl oder auf Präparate mit Eicosapentaensäure (EPA) / Docosahexaensäure (DHA) übertragbar, heißt es weiter. Vascepa® hat bereits eine FDA-Zulassung zur Behandlung hoher Triglyzeridwerte ab 500 mg/dl und ist rezeptpflichtig.

Prof. Dr. Ulf Landmesser
„Das ist sicher eine sehr interessante Studie“, erklärt Prof. Dr. Ulf Landmesser, Direktor der Klinik für Kardiologe und Ärztlicher Zentrumsleiter Herz-Kreislaufmedizin der Charité Berlin gegenüber Medscape. „Der Unterschied zu den negativen Studienergebnissen vom ESC könnte in der Verwendung einer höheren Dosis bei REDUCE-IT liegen.“
Experten warten auf Veröffentlichung der Daten
„Ohne publizierte Daten ist die Studie schwer zu beurteilen“, sagt Prof. Dr. Nicolai Worm zu Medscape. Er lehrt an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHPG) in Saarbrücken. „Die Dosierung von 4 g Ethyl-Eicosapentaensäure pro Tag machen das Ergebnis aber zumindest plausibel.“
Der Experte kritisiert zentrale Schwachpunkte in vielen älteren Studien: „Einerseits wurde Probanden oft nicht empfohlen, Supplemente zusammen mit fetthaltigen Mahlzeiten einzunehmen, um die Resorption bzw. die Verfügbarkeit der Omega-3-Fettsäuren und deren Einbau in die Gewebe zu verbessern“, so Worm weiter. „Vor allem fehlen aber Langzeit-Interventionsstudien, die Gewebespiegel-bezogen ausgewertet wurden.“ Nur so sei es möglich, konkrete Aussagen über präventive oder therapeutische Wirkungen zu machen.
„Ich dachte, die Vascepa-Studie würde negativ ausfallen nach allen zuvor gescheiterten Studien“, sagt Dr. Ethan Weiss von der University of California, San Francisco Medical Center, USA. Zuletzt hatte eine Metaanalyse mit 10 Studien und 77.917 Teilnehmern keinen Mehrwert von Omega-3-Fettsäuren bei Patienten mit hohen Herz-Kreislauf-Risiken gezeigt.
Weiss: „Das Präparat könnte für die Menschen wirklich von Vorteil sein.“ Für den Experten bleiben aktuell jedoch mehrere Fragen offen: Welche Faktoren haben zur Risikominderung geführt? Wie stark war die Triglyzerid-Senkung? Und wie lässt sich die Patientenpopulation genau charakterisieren?
Dr. Martha Gulati vom University of Arizona College of Medicine ergänzt: „Ich muss die [detaillierten] Daten sehen, aber wenn das die Ergebnisse sind, könnte es sich um einen Wendepunkt handeln.“
Wirksamkeit und Sicherheit
An der REDUCE-IT-Studie nahmen 8.179 Erwachsene mit erhöhtem Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen teil. Alle Probanden erhielten Statine. Ihre LDL-Cholesterin-Werte lagen zwischen 41 und 100 mg/dl, und die Triglyzeridwerte bewegten sich zwischen 150 und 499 mg/dl. Eine bereits diagnostizierte kardiovaskuläre Erkrankung, Typ-2-Diabetes oder weitere kardiovaskuläre Risikofaktoren kamen hinzu. Alle Teilnehmer erhielten randomisiert Vascepa® (4,0 g/Tag) oder Placebo. Die Studie lief zwischen November 2011 und Juli 2018.
Während der etwa 5-jährigen Nachbeobachtungszeit war die Inzidenz des primären Endpunkts, einer Kombination aus kardiovaskulärem Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall, koronarer Revaskularisation oder Krankenhausaufenthalt bei instabiler Angina, unter Verum um 25% geringer als unter Placebo. Zum Vergleich: PCSK9-Hemmer verringern kardiovaskuläre Risiken um etwa 15%.
Vascepa® wurde laut Mitteilung des Herstellers gut vertragen. Die REDUCE-IT-Studie unterscheide sich nicht von klinischen Erfahrungen mit Omega-3-Fettsäuren und von früheren Zulassungsdaten. Schweren Nebenwirkungen waren unter Verum und Placebo ähnlich häufig.
Dr. Craig Granowitz, Senior Vice President und Chief Medical Officer von Amarin, warnt: „Unsere Ergebnisse aus „REDUCE-IT können nicht auf Fenofibrat, Fischöl oder Omega-3-Mischprodukte, die DHA enthalten, übertragen werden.“
Am ehesten sei die japanische JELIS-Studie vergleichbar, über die Medscape berichtet hat. Eingeschlossen wurden 18.645 Patienten mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko. Hier verringerte sich das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse um 19%. In einer Untergruppe mit erhöhten Triglyzerid- und niedrigen HDL-Cholesterin-Werten betrug die Reduktion sogar 53%.
Amarin hat angekündigt, in Kürze detaillierte Daten bei der Jahrestagung der American Heart Association (AHA) zu veröffentlichen. Prof. Dr. Deepak L. Bhatt von der Harvard Medical School, der sie dort vorstellen wird, plant, alle Daten kurz darauf in einer renommierten Fachzeitschrift zu veröffentlichen.
Auch ein Wirtschaftsfaktor
Für Amarin könnte die REDUCE-IT-Studie auch einen kommerziellen Wendepunkt bedeuten. „Wir sind mit diesen Ergebnissen der Studie sehr zufrieden“, kommentiert Dr. John F. Thero, Präsident und CEO von Amarin. „Da Vascepa® preiswert, oral zu verabreichen ist und ein gutes Sicherheitsprofil hat, könnten die Ergebnisse von REDUCE-IT zu einem neuen Behandlungsparadigma führen, um das signifikante kardiovaskuläre Risiko, das bei Millionen von Patienten mit LDL-Cholesterin unter Statin-Therapie verbleibt, weiter zu verringern, wie in REDUCE-IT untersucht.“
Bislang war das Pharmakon mit 181 Millionen US-Dollar Jahresumsatz nicht gerade ein Blockbuster. Dem Hersteller fehlten schlichtweg Beweise, dass niedrigere Triglyzerid-Werte auch zu weniger kardiovaskulären Ereignissen führen. Die Behandlungskosten pro Jahr für die Triglyzerid-Senkung liegen bei 2.400 US-Dollar. Zahlreiche Versicherungen erstatten das Medikament.
Zum Vergleich: PCSK9-Hemmer kosten rund 14.000 US-Dollar pro Jahr. Zwar laufen Amarins Patente in 2030 aus. Die neue Studie könnte jedoch zu erweiterten Schutzansprüchen führen.
Medscape Nachrichten © 2018 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Experten überrascht: Wirken Omega-3-Fettsäuren doch? Um 25% gesenktes kardiovaskuläres Risiko in REDUCE-IT-Studie - Medscape - 26. Sep 2018.
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