EU will Open Access in der Forschung ab 2020 erzwingen – Förderung gibt es nur bei Publikationen ohne Paywall

Susanne Rytina

Interessenkonflikte

26. September 2018

In der Diskussion um das Publizieren und um den freien Zugang zu wissenschaftlichen Forschungsergebnissen, bewegt sich etwas. 11 europäische Forschungsförderungs-Organisationen verlangen ab 2020 verbindlich, dass von ihnen finanzierte Forschung nach dem Open-Access-Prinzip veröffentlicht wird [1].

Forschungsförderer aus Frankreich, UK, Schweden, Norwegen und Niederlande machen mit. Den Anstoß dazu gaben die Europäische Kommission und der Europäische Forschungsrat. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat sich nicht angeschlossen.

Wissenschaftliche Ergebnisse dürften nicht länger hinter Paywalls versteckt werden, forderte Marc Schiltz, Präsident von Science Europe und Sprecher der europäischen Forschungsförder-Organisationen, die sich zur Initiative „cOAlition S“ zusammengeschlossen haben.

Im Juli 2018 hat die Initiative den „Plan S“ bekannt gegeben (s. unten). „Bezahlschranken für Publikationen enthalten viele Forschungsergebnisse einem großen Teil der Wissenschaftsgemeinschaft und der Gesellschaft als Ganzes vor“, begründet er dies in einem Beitrag in PLOS .

Dr. Ralf Schimmer

Der Leiter des Bereichs Information und stellvertretende Leiter der Max Planck Digital Library der Max-Planck-Gesellschaft, Dr. Ralf Schimmer, betont gegenüber Medscape: „Das ist ein starkes politisches Statement und entfaltet große Wirkung.“ Die Initiative sei längst überfällig.

Warum sich die DFG nicht angeschlossen hat, geht letztlich auch nicht klar aus ihrer Stellungnahme hervor. Das Präsidium hat sich wohl an den rigorosen Formulierungen gestört, wie Open Access durchgesetzt werden soll. Gegenüber Nature sagte DFG-Präsident Prof. Dr. Peter Strohschneider: „Wir bitten unsere Forscher, ihre Ergebnisse als Open Access zu publizieren, aber wir befehlen es nicht.“

In der DFG-Stellungnahme heißt es, dass sich die DFG für Open Access einsetze und mit anderen an der Realisierung eines Open-Access-Ansatzes arbeite. Man begrüße das koordinierte Vorgehen der europäischen Forschungsorganisationen. Die DFG werde künftig Fördermittelempfänger dazu auffordern, ihre Ergebnisse entweder sofort via Open Access zu veröffentlichen (der „goldene“ Weg) oder über in den Open-Access-Repositorien zusätzlich zur Veröffentlichung nach dem Subskriptionsmodell öffentlich zugänglich zu machen („grüner Weg“).

 
Das ist ein starkes politisches Statement und entfaltet große Wirkung. Dr. Ralf Schimmer
 

Sie empfehle auch schon länger den Wissenschaftlern, ihre Verwertungsrechte an Forschungsergebnissen einzubehalten und nicht an die Verlage abzutreten.

Die DFG verweist jedoch vor allem darauf, dass momentan Open-Access-Verpflichtungen auch zu erhöhten Publikationsgebühren führen könnten. Tatsächlich sei vor allem das hybride Publizieren das größte Problem der letzten Jahre, meint Schimmer. So schöpfen viele Verleger zweimal ab: Einmal lassen sich die Verlage Publikationsgebühren für Open Access bezahlen, zum anderen bestehen die Subskriptionsgebühren weiter, die die Bibliotheken der Universitäten und Forschungseinrichtungen bezahlen müssen.

„Vor allem große Stiftungen wie der Wellcome Trust oder die Bill & Melinda Gates-Stiftung haben Geld ins System gepumpt, das auch für hybrides Publizieren ausgegeben wurde.“ Dies geschehe ganz ohne Kontrolle und Monitoring der Universitätsbibliotheken und Forschungseinrichtungen, die nicht wissen, wie viel Geld die einzelnen Forscher für die Publikation bei den Verlagen bezahlen.

Projekt DEAL der deutschen Wissenschaftsorganisationen

Die hohen Ausgaben für die Paywalls bringen viele Hochschulen und Universitäten in eine finanzielle Schieflage, einige lassen ihre Verträge sogar auslaufen. Die Universitäten und Hochschulen verhandeln seit längerem selbst mit Großverlagen, um bundesweite Lizenzverträge abschließen.

 
Wir bitten unsere Forscher, ihre Ergebnisse als Open Access zu publizieren, aber wir befehlen es nicht. Prof. Dr. Peter Strohschneider
 

Auftraggeber für das Projekt DEAL ist die Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen – vertreten durch die Hochschulrektorenkonferenz (HRK). „Unser Ziel ist zum einem ein Ende der für die Bibliotheken ruinösen Preisentwicklungen bei den wissenschaftlichen Zeitschriften. Zum anderen wollen wir Open Access fördern, also im Kern die Ergebnisse öffentlich finanzierter Forschung frei zugänglich machen“, betonte Prof. Dr. Horst Hippler, damaliger Präsident der HRK und Sprecher des DEAL-Lenkungsausschusses, in einer Pressemitteilung vom Juli 2018.

Der aktuelle Präsident der Hochschulrektoren-Konferenz Prof. Dr. Peter-André Alt erklärte gegenüber dem Science Media Center zum aktuellen europäischen Vorstoß: „Das unter ‚cOAlition S‘ formulierte Vorhaben stellt aus der Sicht der HRK einen wichtigen Baustein auf diesem Weg dar, weil es die Schlüsselrolle der Forschungsförderer betont und Open Access zugleich als Teil einer übergreifenden europäischen Wissenschaftskultur markiert.“

Kritik von Verlagen

Die großen Verlage sind alles andere als glücklich über den europäischen Vorstoß. Dieser „untergrabe das gesamte Publikationssystem“, sagte ein Sprecher von Springer Nature in Science . Der Plan sei disruptiv und beeinträchtige die Wissenschaftsfreiheit.

Die International Association of Scientifc, Technical, and Medical Publishers (STM) betont, dass es von zentraler Bedeutung sei, dass Forscher weiterhin frei sein müssen, dort zu publizieren, wo sie selbst wollen.

Die American Association for the Advancement of Science (AAAS), eine Non-Profit-Organisation, die Science herausgibt, befürchtet, dass der Plan S nicht gerade den qualitativ hochwertigen Peer-Review, hochwertige Forschungspublikationen und deren Verbreitung unterstütze.

Auf Kritik stößt die Open-Access-Bewegung auch bei den mittelständischen Verlegern in Deutschland (wie Medscape berichtete). Die Argumente: Die DEAL-Verhandlungen mit den großen Verlagen schalteten den Mittelstand aus und leisteten der Monopolisierung Vorschub. „Open Access ist ein Kind der Internet-Gratiskultur und eine gut geölte Lobbymaschine, die so tut, als habe es die Kommerzialisierung des Internets nie gegeben“, so ein entsprechender Kommentar in der FAZ . Letztlich werde auch die Freiheit der Wissenschaftler eingeschränkt.

 
Wenn mehr und mehr Einrichtungen solche Vertragsmodelle aushandeln, erodiert dies die Legitimationsbasis für das Subskriptionswesen. Dr. Ralf Schimmer
 

Schimmer von der MPG findet es jedoch legitim, wenn Drittmittel-Geber ihre Zuwendungen an Auflagen knüpfen. Der Forscher sei schließlich bei seiner Institution angestellt und erhalte von dort Geld. Wenn ihm die Bedingungen des Förderers nicht passten, könne er auch darauf verzichten und sich auf das institutionelle Budget beschränken.

Sowohl der aktuelle europäische Vorstoß als auch die DEAL-Verhandlungen zielten darauf ab, den Open-Access-Anteil zu erhöhen. Letztlich müsse dies zu einem Systemwandel führen. „Wenn mehr und mehr Einrichtungen solche Vertragsmodelle aushandeln, erodiert dies die Legitimationsbasis für das Subskriptionswesen. Warum sollte eine Bibliothek noch 100 Prozent der Subskriptionskosten bezahlen, wenn schon 50 Prozent der Inhalte der Zeitschrift im Open Access veröffentlicht wird?“, so Schimmer.

Einige Prinzipien des Plan S

  • Die Autoren bekommen das Copyright für ihre Publikationen ohne Restriktionen. Alle Publikationen müssen unter einer offenen Lizenz, vorzugsweise bei der Creative Commons Attribution Lizenz CC BY, veröffentlicht werden. Die Anforderungen der Berlin-Erklärung müssen erfüllt werden.

  • Die Geldgeber stellen robuste Kriterien und Anforderungen auf, die Open-Access-Zeitschriften von hoher Qualität und Open-Access-Plattformen haben müssen.

  • Wenn solche Qualitäts-Open-Access-Journale oder -Plattformen noch nicht existieren, werden die Geldgeber Anreize schaffen, damit sie eingerichtet werden.

  • Open-Access-Publikationsgebühren werden von den Geldgebern oder Universitäten übernommen, nicht von den einzelnen Wissenschaftlern. Alle Wissenschaftler sollten in der Lage sein, ihre Arbeit mit Open Access zu publizieren, auch wenn ihre Institutionen nur begrenzte Mittel haben.

  • Wenn Open-Access-Gebühren erhoben werden, muss die Bezuschussung standardisiert und gedeckelt sein.

  • Das hybride Publikationsmodell ist nicht mehr vereinbar mit den genannten Prinzipien.

 

Kommentar

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