„Nur“ Wechseljahrbeschwerden oder Hashimoto? Was zur richtigen Diagnose in der hausärztlichen Praxis führt

Dr. Klaus Fleck

Interessenkonflikte

28. September 2018

Berlin – Hashimoto-Thyreoiditis ist die häufigste Autoimmun-Erkrankung in Deutschland, etwa 10-mal häufiger bei Frauen als bei Männern und tritt häufig im Klimakterium auf. Bei Frauen in dieser Lebensphase sind die vielfältigen und unspezifischen Hashimoto-Symptome jedoch oft nur schwer auf Anhieb von allgemeinen Wechseljahrbeschwerden zu unterscheiden. Dennoch lässt sich die richtige Diagnose durchaus bereits in der hausärztlichen Praxis stellen.

PD Dr. Joachim Feldkamp

„Bei den meisten Betroffenen führt der Ausbruch der Erkrankung – durch die mit ihr verbundene Zerstörung von Thyreozyten – direkt zu einer Hypothyreose“, erklärte PD Dr. Joachim Feldkamp, Bielefeld, auf einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) in Berlin [1]. Die Hashimoto-Thyreoiditis ist die häufigste Ursache für eine Hypothyreose. Als mögliche klinische Zeichen nannte der Endokrinologe Müdigkeit, Adynamie, depressive Stimmungsphasen, Gewichtszunahme, erhöhtes Schlafbedürfnis, Neigung zum Frieren, Haarausfall und Obstipation. „Wenn mehrere dieser Symptome neu und zusammen auftreten, sollte unbedingt daran gedacht werden, dass eine Schilddrüsenerkrankung dahinterstecken könnte.“

Genetische Disposition als größtes Risiko

Von einer Hashimoto-Thyreoiditis sind etwa 2% der Bevölkerung betroffen, als Hauptrisiko wird eine genetische Disposition angesehen. Die im Rahmen der Immunstörung gebildeten Antikörper richten sich zum einen gegen die thyreoidale Peroxidase (TPO-AK) als wichtigstes Enzym bei der Synthese von Schilddrüsenhormonen, zum anderen gegen das in den Schilddrüsenfollikeln gespeicherte Thyreoglobulin (TG-AK).

 
Etwa 7 Prozent der Bevölkerung haben solche messbaren Antikörper, davon auch viele Menschen ohne jegliche Beschwerden. PD Dr. Joachim Feldkamp
 

Ein Nachweis dieser Antikörper im Serum bedeutet allerdings nicht automatisch die Diagnose Hashimoto: „Etwa 7 Prozent der Bevölkerung haben solche messbaren Antikörper, davon auch viele Menschen ohne jegliche Beschwerden“, so Feldkamp. Was im Einzelfall zum Ausbruch der Krankheit führt, sei bislang noch weitgehend unklar. Nur sehr selten sei die seronegative Hashimoto-Thyreoiditis, bei der sich trotz Erkrankung keine Antikörper nachweisen lassen.

Auch eine Hypertonie kann ein Hinweis sein

Vermehrt tritt Hashimoto dem Bielefelder Experten zufolge bei Frauen zwischen 20 und 40 Jahren und im Klimakterium auf. „Die von Frauen in den Wechseljahren geäußerten Beschwerden sind eben nicht immer nur Folge des zunehmenden Mangels an weiblichen Sexualhormonen, sondern können genauso gut auf eine Unterfunktion der Schilddrüse hinweisen“, erklärte Feldkamp im Gespräch mit Medscape.

An die Möglichkeit einer Hashimoto-Thyreoiditis sollte der Hausarzt dabei nicht nur bei den zuvor genannten Symptomen wie Müdigkeit, Antriebslosigkeit und Gewichtszunahme denken. „Auch eine Hypertonie kann Zeichen einer Hypothyreose und damit von Hashimoto sein.“

3 Untersuchungen sorgen für Klarheit

Zur Prüfung, ob prinzipiell eine Schilddrüsenfunktionsstörung vorliegt, sollte als einfachster Parameter der TSH-Wert im Serum bestimmt werden. Bei einer Hypothyreose ist TSH erhöht. Zum Nachweis einer Hashimoto-Thyreoiditis dienen dann die Serumbestimmungen von TPO-AK und TG-AK, wobei Feldkamp zufolge ersterer in der hausärztlichen Praxis die größere Bedeutung zukommt.

 
Die von Frauen in den Wechseljahren geäußerten Beschwerden … können … auf eine Unterfunktion der Schilddrüse hinweisen. PD Dr. Joachim Feldkamp
 

Ergänzt werden diese Untersuchungen am besten durch eine Schilddrüsen-Sonografie – das Organ ist im Vergleich zur normalen Schilddrüse bei einer Hypothyreose verkleinert, und das Gewebe stellt sich dunkler dar.

„Mit TSH, TPO-AK und Ultraschall sollte die Diagnose dann klar sein, mehr braucht man nicht“, so der Experte. Ist kein Ultraschallgerät in der hausärztlichen Praxis vorhanden, sei die Diagnose zwar nicht ganz so exakt, aber auch nur durch die Beurteilung der TSH- und TPO-AK-Ergebnisse möglich.

Auch die Therapie kann in den allermeisten Fällen durch die Hausärzte erfolgen. „Für etwa 95 Prozent der Hypothyreose-Patienten ist dabei eine Substitution mit L-Thyroxin (T4) ausreichend“, so Feldkamp. Rund 5% der Patienten sprechen darauf jedoch nicht oder nicht genügend an und benötigen zusätzlich T3 (Triiodthyronin), da bei ihnen die Umwandlung von T4 zu T3 im Körper gestört ist. Eine erfolgreiche Einstellung kann langwierig sein und manchmal auch 1 bis 2 Jahre dauern.

Für regelmäßige Verlaufskontrollen sorgen

Verlaufskontrollen während der in der Regel lebenslangen Substitutionstherapie – mit Bestimmung von TSH sowie freiem T3 und T4 – sollten zunächst mindestens halbjährlich erfolgen, bei gut eingestellten Patienten reicht Feldkamp zufolge dann eine jährliche Kontrolle aus. „Zu empfehlen sind ebenfalls regelmäßige Ultraschall-Untersuchungen z.B. alle 2 Jahre, da Hashimoto-Patienten ein leicht erhöhtes Risiko haben, an einem papillären Schilddrüsenkarzinom zu erkranken.“

 
Mit TSH, TPO-AK und Ultraschall sollte die Diagnose dann klar sein, mehr braucht man nicht. PD Dr. Joachim Feldkamp
 

Erhöht ist bei Hashimoto-Patienten ebenfalls das Risiko für weitere Autoimmunerkrankungen. So kann zusätzlich eine autoimmun bedingte schmerzlose Typ-A-Gastritis oder ein polyglanduläres Autoimmunsyndrom mit Beteiligung der Nebenniere bzw. einem Morbus Addison bestehen. „An solche anderen Autoimmun-Erkrankungen muss immer gedacht werden, wenn trotz guter Einstellung der Schilddrüsenhormone neue Symptome auftreten“, rät Feldkamp.

Und: „Sobald Patienten mehr als eine Autoimmun-Erkrankung haben, sollten sie zusätzlich zur hausärztlichen Betreuung ab und zu – z.B. einmal jährlich – auch von einem Endokrinologen gesehen werden.“

Weitere mögliche Fehlinterpretation: „Baby-Blues“

Länger übersehen werden kann eine Hashimoto-Thyreoiditis auch bei jungen Frauen nach einer Entbindung. „Diese Postpartum-Thyreoiditis kommt in Deutschland bei etwa 7 Prozent aller Gebärenden und in einem Zeitraum von etwa 6 bis 52 Wochen nach der Entbindung vor“, berichtete Feldkamp in Berlin. Vielfach dauere es jedoch lange, bis die Diagnose gestellt werde, da Symptome wie anhaltende Erschöpfung, Reizbarkeit oder Schlaflosigkeit der neuen Situation der Mutter mit dem Kind zugeordnet bzw. als „Baby-Blues“ fehlinterpretiert würden.

Besonders gefährdet für die Postpartum-Thyreoiditis seien Frauen, bei denen bereits vor der Schwangerschaft TPO-Antikörper festgestellt wurden (also Frauen mit einer Neigung zu Hashimoto oder Morbus Basedow), Diabetikerinnen und junge Mütter mit Schilddrüsenerkrankungen in der Familie.

 

Kommentar

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