Medikamenten-beschichtete Stents, die zur Wiedereröffnung eines Venenbypasses eingesetzt werden, führen im ersten Jahr zu deutlich weniger Gefäßverschlüssen als unbeschichtete Stents. Nach 5 Jahren bieten sie jedoch keinen Mehrwert mehr, berichten Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) und der Technischen Universität München (TUM) in JACC [1]. Basis dieser Erkenntnis ist eine randomisierte klinische Studie.
An bestehenden Empfehlungen ändert sich durch die Veröffentlichung zwar nichts. Aber: „Die Ergebnisse der Studie haben uns sehr überrascht“, kommentiert Dr. Robert Byrne von der TUM und vom DZHK. Er ist korrespondierender Autor des Fachbeitrags.
Im ersten Jahr nach Wiedereröffnung seien Medikamenten-beschichteten Stents (drug eluting stents, DES) unbeschichteten Metall-Stents (bare metal stents, BMS) deutlich überlegen, betont er: Die Restenoserate sei in diesem Zeitraum mit den DES deutlich geringer. Byrne: „Doch dieser Vorteil geht in den folgenden Jahren verloren.“
Die Aussagekraft bisheriger Studien zur Frage, welcher Stent besser funktioniert, sei limitiert gewesen. Dies lag sowohl an relativ kleinen Patientengruppen als auch an einer zu kurzen Studiendauer. „Doch wir müssen wissen, wie es den Patienten auch in den folgenden Jahren nach der Wiedereröffnung des Bypasses geht“, so der Experte weiter.
Klinische Studie mit mehr als 600 Patienten
Basis seiner aktuellen Veröffentlichung war die ISAR-CABG-Studie („Is Drug-Eluting-Stenting Associated with Improved Results in Coronary Artery Bypass Grafts?“) mit 610 Patienten. Sie wurden im Verhältnis 1:1:1:3 randomisiert unterschiedlichen Therapien zugeordnet:
polymere, dauerhafte Paclitaxel-freisetzende Stents,
polymere, dauerhafte Sirolimus-freisetzende Stents,
polymere, biologisch resorbierbare Sirolimus-freisetzende Stents,
Bare-Metal-Stents ohne Wirkstoff.
Insgesamt erhielten 303 Patienten DES und weitere 307 wirkstofffreie Stents. Als primären Endpunkt definierten Byrne und Kollegen eine kombinierte Inzidenz aus Tod, Myokardinfarkt oder Revaskularisierung.
Nach 5 Jahren traten solche Ereignisse bei 159 (55,5%) versus 157 (53,6%) Patienten in den DES- und Bare-Metal-Stent-Gruppen auf (Hazard Ratio: 0,98). Die Autoren fanden eine deutliche Zeitabhängigkeit der Ereignisrate nach einem Jahr (HR: 0,64) und im Zeitraum zwischen dem 1. und dem 5. Jahr (HR: 1,24).
93 Teilnehmer (32,8%) versus 108 (36,6%) Teilnehmer starben oder erlitten einen Herzinfarkt (HR: 0,85). Hier gab es keine signifikante Zeitabhängigkeit. Zu erneuten Gefäßverschlüssen kam es bei 84 (33,1%) versus 69 (25,5%) Patienten (HR: 1,20). Diese Komplikation war bei DES-Stents nach einem Jahr zwar signifikant niedriger (HR: 0,49), anschließend jedoch signifikant höher (HR: 2,02).
Es bleibt bei bekannten Empfehlungen
„Bei Patienten, die sich einer Behandlung von Läsionen der Vena saphena magna unterziehen mussten, ging der Vorteil von DES gegenüber Bare-Metal-Stents, der nach einem Jahr nachgewiesen wurde, nach 5 Jahren verloren“, resümiert Byrne im Paper.
Er weist darauf hin, dass es bezüglich der Sicherheit keine Unterschiede zwischen Stents mit oder ohne Wirkstoff-Freisetzung gab – weder bei der Rate an Todesfällen noch bei der Rate an Herzinfarkten.
„Wir empfehlen Patienten mit einem verschlossenen Venen-Bypass auch weiterhin einen DES“, so Byrne. „Denn der Vorteil im ersten Jahr ist deutlich und überwiegt die vergleichsweise geringfügigen Nachteile in den Folgejahren.“
Ärzten rät er: „Ich finde es wichtig, dass Patienten über die langfristigen Ergebnisse informiert werden.“ Das bedeutet: Schon bei den geringsten Beschwerden sollte ein Kardiologe aufgesucht werden. Abwarten könne schwere Folgen nach sich ziehen.
Stents in Arterien versus Venen
Aber warum treten bei Medikamenten-beschichteten Stents in natürlichen Herzkranzgefäßen 5 Jahre nach der Revaskularisation weniger Gefäßverschlüsse auf als bei Venenbypässen? Das erklärt Byrne mit Unterschieden in der Wandstruktur von Venen und Arterien.
Bypässe kommen meist aus der Beinvene, während Herzkranzgefäße Arterien sind. Außerdem sind Arterien kleiner als Venen-Bypässe, und Medikamenten-beschichtete Stents spielen vor allem in Gefäßen mit geringem Durchmesser ihre Stärken aus. „Es hätte deshalb auch sein können, dass wir in Venen-Bypässen gar keinen Vorteil der beschichteten Stents sehen“, sagt Byrne.
Mittlerweile gibt es eine neue Generation von Medikamenten-beschichteten Stents, auf die die Aussagen dieser Studie eventuell nicht mehr zutreffen. Die Medizinprodukte unterscheiden sich in der Paclitaxel- oder Sirolimus-Dosierung. Außerdem haben die neuen Stents dünnere Streben, um Gefäße weniger stark zu verletzen. Nicht zuletzt setzen Hersteller auf neue, besser verträgliche Polymere. Deshalb will Byrne im Rahmen weiterer Studien neue DES mit unbeschichteten Stents in Venenbypässen vergleichen.
Medscape Nachrichten © 2018 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Überlegen nur auf der Kurzstrecke: Im Venenbypass sind beschichtete Stents nach 5 Jahren nicht besser als unbeschichtete - Medscape - 24. Sep 2018.
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