„Neuer zeitgemäßer Ansatz“ bei der Blutdrucksenkung: Start mit Kombi-Pille mit 3 niedrig dosierten Wirkstoffen

Dr. Ingrid Horn

Interessenkonflikte

21. September 2018

Vor allem bei Hochrisiko-Patienten lässt sich ein hoher Blutdruck durch eine Monotherapie nur begrenzt senken. Behandlungsstrategien mit Wirkstoffkombinationen rücken zunehmend in den Fokus. Jetzt zeigt eine in JAMA veröffentlichte randomisierte klinische Studie (TRIUMPH) an Patienten aus Sri Lanka, dass eine Pille mit 3 niedrigdosierten Wirkstoffen bei leichtem bis moderatem Bluthochdruck eine wirkungsvolle und sichere Alternative sein kann [1].

„Bei der Gruppe mit der initialen 3-fach-Strategie hatten signifikant mehr Patienten die Therapieziele nach 6 Monaten erreicht als in der Kontrollgruppe mit der initialen Monotherapie“, schreiben Erstautorin Dr. Ruth Webster vom The George Institute for Global Health an der Universität von South Wales in Sydney, Australien, und ihre Mitautoren. Die stärkere blutdrucksenkende Wirkung der Kombi-Pille sei bereits bei der ersten Kontrolle nach 6 Wochen erkennbar gewesen.

„Diese Studie liefert einen wichtigen Beitrag zur Tauglichkeit einer Kombinationstherapie mit fixer Dosierung, die weltweit zur Blutdruckkontrolle einsetzbar wäre“, kommentieren Dr. Mark Huffmann von der Northwestern University Feinberg School of Medicine, Chicago/Illinois, und seine Kollegen in JAMA die Ergebnisse [2].

Ein Paradigmenwechsel – X-in-One

Prof. Dr. Reinhold Kreutz

„Die australische Studie stellt einen völlig neuen und zugleich zeitgemäßen Ansatz vor“, urteilt Prof. Dr. Reinhold Kreutz, Direktor des Instituts für Klinische Pharmakologie und Toxikologie an der Charité in Berlin, gegenüber Medscape. Der Trend ginge auch in Europa weg von der Monotherapie zu initialen Kombinationstherapie.

 
Die australische Studie stellt einen völlig neuen und zugleich zeitgemäßen Ansatz vor. Prof. Dr. Reinhold Kreutz
 

„Das haben wir erstmals im Juni auf der Jahrestagung der European Society of Hypertension (ESH) in Barcelona als wichtige neue Empfehlung für Europa vorgestellt. Und das ist jetzt als ein wesentlicher Bestandteil in die neuen ECS/ESH-Leitlinien zur Behandlung der Hypertonie aufgenommen worden, die anlässlich der Jahrestagung der European Society of Cardiology (ESC) in München veröffentlicht worden sind“, erläutert Kreutz in seiner Eigenschaft als Generalsekretär der ESH die neue Entwicklung.

Als erster Schritt soll eine Fix-Kombination aus 2 Wirkstoffen zur Standardtherapie werden, also 2 Präparate in einer Pille: beispielsweise ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptorblocker in Kombination mit einem Kalzium-Antagonisten oder Diuretikum.

„Wir machen uns allerdings keine Illusionen. Ein solcher Strategiewandel wird geraume Zeit brauchen, bis er sich in der täglichen Praxis niederschlägt“, so Kreutz, der in Berlin einen Stiftungslehrstuhl für Hypertensiologie bekleidet.

Kostengünstige Wirkstoff-Kombination im Einsatz

Die 700 Patienten, die Webster und ihre Kollegen in die Studie aufgenommen hatten, stammten aus 11 städtischen Kliniken in Sri Lanka. Der mittlere Ausgangsblutdruck über alle Patienten lag bei 154/90 mmHg. Die Wissenschaftler verfolgten als primäres Ziel, den individuellen Blutdruck unter 140/90 mmHg bzw. bei Hochdruck-Patienten mit Diabetes oder chronischen Nierenleiden unter 130/80 mmHg zu senken.

„Wir wollten herausfinden, ob eine niedrigdosierte Dreifach-Kombination zu Beginn einer antihypertensiven Therapie Vorteile gegenüber der konventionellen Therapie hat“, so die Autoren. Letztere startet stets mit einem einzigen Wirkstoff.

 
Ein solcher Strategiewandel wird geraume Zeit brauchen, bis er sich in der täglichen Praxis niederschlägt. Prof. Dr. Reinhold Kreutz
 

Die Kombinationstherapie dagegen basierte auf einer eigens für die Studie hergestellten Pille, für die die folgenden 3 kostengünstigen Wirkstoffe verwendet worden waren: der Angiotensin-II-Rezeptorblocker Telmisartan (20 mg), der Calciumantagonist Amlodipin (2,5 mg) und das Diuretikum Chlortalidon (12,5 mg). Ihre Dosierung war dabei nur halb so hoch wie im Falle der Standarddosis bei einer Monotherapie.

Die Patienten mit der initialen Kombinationstherapie (n=349) waren entweder bislang nicht mit Blutdrucksenkern behandelt worden oder hatten eine Monotherapie erhalten, die durch die Kombi-Pille ersetzt wurde. Sie nahmen pro Tag eine dieser Tabletten ein.

Bei der Kontrollgruppe (n=351) wurde die bereits eingeleitete initiale Monotherapie fortgesetzt und ggf. bedarfsabhängig durch zusätzliche Wirkstoffe erweitert, soweit der Behandler dies für notwendig hielt.

Die Zielwerte werden schneller erreicht

„Die in TRIUMPH erzielten Ergebnisse zeigen, dass die Zielwerte für den Blutdruck mit der Kombinationstherapie schneller erreicht werden“, heben die JAMA-Kommentatoren hervor. Bereits 6 Wochen nach Behandlungsbeginn traf dies auf 67,8% der Patienten mit der Kombi-Pille zu – im Vergleich zu 43,6% mit der konventionellen Therapie. Nach 6 Monaten war bei 69,5% der Patienten mit der Kombi-Pille der Blutdruck auf unter 140/90 mmHg bzw. 130/80 mmHg im Vergleich zu 55,3% in der Kontrollgruppe (p < 0,001) gesunken.

 
Die in TRIUMPH erzielten Ergebnisse zeigen, dass die Zielwerte für den Blutdruck mit der Kombinationstherapie schneller erreicht werden. Dr. Mark Huffmann und Kollegen
 

Der mittlere systolische/diastolische Blutdruck betrug nach 6 Monaten 125/76 mmHg bei Einsatz der Kombinationstherapie im Vergleich zu 134/81 mmHg bei der konventionellen Therapie. Die Unterschiede für beide Parameter (systolisch -9,8 mmHg bzw. diastolisch -5,0 mmHg) waren mit p < 0,001 signifikant.

Kaum Unterschiede im Nebenwirkungsprofil

Eine niedrige Dosierung wie bei der Kombi-Pille erhöhe bekannterweise die Verträglichkeit, schreiben die Autoren. Grundsätzlich unterschied sich das Nebenwirkungsprofil der beiden in der Studie verfolgten Therapiestrategien kaum.

Bei der Kombi-Pille litten 38,1% unter Nebenwirkungen gegenüber 34,8% bei der konventionellen Behandlung. Am häufigsten traten Muskel-Glieder-Schmerzen, Benommenheit sowie Präsynkopen und Synkopen auf. Bei Patienten mit der Kombinationstherapie waren Hyponatriämie und Hypokalämie eher anzutreffen als bei der konventionellen Therapie. Die Abbrecherquote infolge von Nebenwirkungen lag bei beiden Gruppen mit 6,6% bzw. 6,8% dicht beieinander.

X-in-One ist nicht für jeden Patienten geeignet

Blutdrucksenkende Wirkstoffe seien heute für alle wichtigen Klassen von Antihypertensiva als Generika auf dem Markt und damit kostengünstig verfügbar. Sie in einer nur Viertel- bis Halben-Dosis im Vergleich zur konventionellen Therapie einzusetzen, könne angesichts der in TRIUMPH nachgewiesenen Wirksamkeit richtungsweisend sein – auch für Deutschland, ist Kreutz überzeugt.

„Allerdings waren die Studienteilnehmer mit einem Durchschnittsalter von 56 Jahren für Hochdruck-Patienten relativ jung. Das entspricht nicht dem Gros an Patienten in Deutschland bzw. Europa“, gibt er zu bedenken. Der klassische Hochdruck-Patient sei 70 Jahre und älter, häufig multimorbid und mitunter physiologisch instabil, weshalb man insbesondere bei diesen Patienten weiterhin vorsichtig mit einer Monotherapie beginnen werde. Auch Patienten mit niedrigem Risiko und systolischen Blutdruckwerten, die lediglich zwischen 140 und 150 mmHg liegen, seien für die Monotherapie prädestiniert.

„Für alle anderen ist der Weg bereits vorgezeichnet. Die Zukunft gehört allerdings zunächst der niedrigdosierten zweifachen Fix-Kombinationstherapie mit einer Pille pro Tag“, so das Fazit des Berliner Experten zu den neuen Therapie-Optionen.

 

Kommentar

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