ESMO publiziert Skala, welche zielgerichtete Krebstherapie für welche Tumorpatienten am aussichtsreichsten ist

Markus Vieten

Interessenkonflikte

21. September 2018

Führende Krebsspezialisten Europas und der USA haben sich auf eine neue Skala für Tumor-DNA-Mutationen geeinigt, die die Auswahl für eine zielgerichtete Krebstherapie (targeted therapy) vereinfacht und standardisiert. Die sogenannte ESCAT-Skala (ESMO Scale for Clinical Actionability of molecular Targets) ist in den Annals of Oncology veröffentlicht [1].

Die Patientenversorgung soll so durch die bessere Identifizierung derjenigen Krebspatienten, die wahrscheinlich auf Präzisionsmedikamente ansprechen, optimiert werden können, was auch zu einer höheren Kosteneffizienz der Behandlungen beiträgt.

 
Ärzte erhalten immer mehr Informationen über die genetische Ausstattung der einzelnen Patienten, aber es kann schwierig sein, daraus optimale Behandlungsentscheidungen abzuleiten. Prof. Dr. Fabrice André
 

„Ärzte erhalten immer mehr Informationen über die genetische Ausstattung der einzelnen Patienten, aber es kann schwierig sein, daraus optimale Behandlungsentscheidungen abzuleiten“, erklärt Prof. Dr. Fabrice André, Vorsitzender der ESMO Translational Research and Precision Medicine Working Group, die dieses Projekt initiiert hat. „Die neue Skala wird uns dabei helfen, zwischen Veränderungen in der Tumor-DNA, die bei Entscheidungen über Target-Therapien oder den Zugang zu klinischen Studien von Bedeutung sind, und solchen, die nicht relevant sind, unterscheiden zu können.“

Das neue Grading-System klassifiziert Veränderungen in der Tumor-DNA nach ihrer Relevanz als Marker für die Auswahl von Patienten zur Target-Therapie und stützt sich dabei auf die Stärke der klinischen Evidenzen (Stufe I bis V, Tab. 1).

Es ist das erste Mal, dass eine Klassifikation entwickelt wurde, die für alle potenziellen zielgerichteten Krebsmedikamente relevant ist, nicht nur für diejenigen, die von den nationalen Zulassungsbehörden zugelassen wurden. Die Klassifikation ermöglicht es auch, Mutationen bei neuer Datenlage hoch- oder herunterzustufen.

„Die ESMO schafft damit ein Instrument, mit dem zum ersten Mal erkennbar wird, welche Daten notwendig sind, um eine Mutation angreifbar erscheinen zu lassen, und wie sich das sich durch neue klinische Daten verändern kann“, sagt Dr. Joaquin Mateo, Hauptautor der Studie und Studienleiter der Prostate Cancer Translational Research Group am Vall d'Hebron Institute of Oncology in Barcelona.

 
Die Skala konzentriert sich auf die klinischen Evidenzen für ein Matching von Tumormutationen mit Medikamenten. Dr. Joaquin Mateo
 

„Die Skala konzentriert sich auf die klinischen Evidenzen für ein Matching von Tumor-Mutationen mit Medikamenten, die wir in unseren Kliniken haben, und erleichtert durch eine einheitliche Sprachregelung die Kommunikation zwischen den Ärzten und die Aufklärung des Patienten über den möglichen Benefit einer Therapie“, so Mateo weiter.

Da die ESMO die ESCAT-Skala in der klinischen Praxis verbreiten wird, ist zu hoffen, dass Krebszentren und Labors damit beginnen werden, das Grading der genomischen Mutationen mit den Stufen I bis V in die Krankenakten der Patienten aufzunehmen und die Ergebnisse in den Tumorboards und Kliniken zu diskutieren.

„Wenn eine Mutation zur Stufe I gehört und eine andere zur Stufe III, ist es wichtig, dass jeder die Notwendigkeit versteht, dass die Stufe-I-Mutation bei der Festlegung der Behandlung und der Implementierung der Präzisionsmedizin den Vorzug erhält“, betont Mateo.

ESCAT soll es Ärzten und Patienten auch leichter machen, die Ergebnisse der Multigen-Sequenzierung zu diskutieren. Immer mehr Patienten wird heute eine Multigen-Sequenzierung angeboten. Die aktuellen Testmethoden zeigen häufig, dass viele der Gene im Tumor eines Patienten mutiert sind, aber es ist unklar, welche davon für die Therapieentscheidung relevant sind.

 
ESCAT wird Ordnung in das aktuelle Wirrwarr der Mutationsanalyse bringen. Prof. Dr. Fabrice André
 

Die Skala zeigt, welche Veränderungen relevant sind. Dadurch wird es einfacher, die richtige Behandlung für den individuellen Patienten zu identifizieren und ihn davon zu überzeugen.

„ESCAT wird Ordnung in das aktuelle Wirrwarr der Mutationsanalyse bringen, damit wir alle dieselbe Sprache sprechen, wenn es um die Klassifikation von Mutationen geht, und Prioritäten setzen können, wie sich diese zur Verbesserung der Versorgung der Patienten einsetzen lassen“, schließt André.

 

Tab. 1: ESCAT-Gradingsystem für den Entscheidungsprozess in der Krebstherapie

 

Einsetzbarkeit im klinischen Alltag

Aktuelle Beispiele für Genveränderungen

Stufe I (I-A, I-B, I-C)

Target bereit zur Implementierung in den routinemäßigen klinischen Entscheidungsprozess

  • HER2 beim Mammakarzinom

  • BRCA1/2 beim Ovarial- und Mammakarzinom

  • EGFR, ROS1/ALK beim nicht kleinzelligen Lungenkarzinom

  • TRK/PD1 bei verschiedenen Krebsformen

  • BRAF beim metastasierten Melanom

Stufe II (II-A, II-B)

experimentelle Targets können wahrscheinlich Patienten identifizieren, die von einer Target-Therapie profitieren, doch sind noch weitere Daten erforderlich

  • PTEN-Signalweg (PIK3CA, AKT1)

Stufe III (III-A, III-B)

klinischer Nutzen bisher bei anderen Tumorformen oder bei ähnlichen molekularen Targets belegt

  • BRAF bei Nicht-Melanom-Krebs

  • PALB2 und andere nicht-BRCA-DNA-Reparatur-Mutationen

Stufe IV (IV-A, IV-B)

präklinische Hinweise auf Angreifbarkeit

  • hypothetische Targets für zukünftige klinische Tests

Stufe V

Evidenzen stützen Co-Targeting-Ansätze

  • PIK3CA bei ER+ (estrogen receptor-positiv)

  • HER-Mammakarzinom

Stufe X

fehlende Evidenzen für Angreifbarkeit

 

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....