Das Hospiz- und Palliativgesetz vom vergangenen Jahr befördert offenbar den Bau neuer Hospize. Das Gesetz legt fest, dass die Krankenkassen 95% der Kosten eines Hospizes übernehmen müssen und damit 5% mehr als zuvor. In Niedersachsen treten jetzt Fachverbände und Kassen auf die Bremse. Initiatoren neuer Hospize sollten genau prüfen, ob überhaupt ein Bedarf besteht, schreiben die Verbände und die Krankenkassen in einer gemeinsamen Erklärung [1].
Die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), die Krankenkassen und der Landesstützpunkt Hospizarbeit und Palliativversorgung Niedersachsen e.V. schreiben in ihrer gemeinsamen Erklärung, zusätzliche stationäre Hospize seien nur an wenigen Standorten wirklich nötig. Man brauche nicht an allen denkbaren Orten ein Hospiz errichten, kommentiert Benno Bolze die Erklärung, der Geschäftsführer des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes e.V..
Über 20 neue Hospize in Niedersachsen?
Derzeit sind nach Angaben des Landesstützpunktes 7 Initiativen dabei, in Niedersachsen neue Hospize einzurichten. Weitere 10 bis 15 spielen offenbar mit dem Gedanken. Dabei sei die Versorgung in Niedersachsen recht gut, hieß es.
Tatsächlich stehen den Sterbenden und ihren Angehörigen im Nordwesten der Republik derzeit 28 Hospize mit zusammen 227 Plätzen zur Verfügung, dazu 130 ambulante Hospizdienste und rund 4000 Ehrenamtliche. Hinzu kommen 50 Anbieter der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) und 320 Palliativbetten in niedersächsischen Krankenhäusern. Bundesweit sind es nach Angaben des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes e.V. rund 240 Hospize mit rund 2.200 Betten.
Die Unterzeichner der niedersächsischen Erklärung betonen, dass Hospize nur für Patienten „mit sehr aufwändigem Versorgungsbedarf“ gedacht sind, bei denen die Versorgung etwa durch die SAPV nicht mehr ausreicht. Bei neuen Hospizen gelte es deshalb, mit Augenmaß zu agieren, betonen die Fachverbände und Kassen.
Sie gehen davon aus, dass ein Hospiz Patienten aus einem Radius von durchschnittlich 50 Kilometern versorgen kann. „Das sind bundesweite Erfahrungswerte“, sagt der Vorsitzende des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes Bolze zu Medscape. Kämen all die geplanten und angedachten Hospize dazu, wäre die Versorgung in Niedersachsen wohl mehr als üppig.
Auch der Landesstützpunkt Hospizarbeit Niedersachsen geht davon aus, „dass Niedersachsen eigentlich flächendeckend mit stationären Hospizplätzen versorgt ist“, wie er an Medscape schreibt. Eine Bedarfsplanung aber fehlt.
Michael Kruse von den Bremer Johannitern sieht für das von den Johannitern im Niedersächsischen Heidekreis geplante Hospizhaus Heidekreis durchaus einen Bedarf. „Es gibt zwar vor Ort ein Palliativ-Netzwerk. Das Hospiz ist jedoch ein weiterer Baustein der palliativen Versorgung, wenn die Situation zuhause zu schwierig wird“, sagt Kruse.
Das nächste Hospiz liege im rund 55 Auto-Kilometer entfernten Celle, Walsrode und das Palliativnetzwerk liegen rund 15 Auto-Kilometer entfernt. „In der Betrachtung der Gesamtsituation gibt es hier einen Bedarf für ein Hospiz“, resümiert Kruse. Im Oktober soll das Haus eröffnet werden.
Es geht auch um das Geld
Aber es geht auch ums Geld. Da das neue Hospiz- und Palliativgesetz (HPG) die Kassen verpflichtet, 95% der Kosten eines Hospizes zu tragen statt wie früher 90%, sinkt das finanzielle Risiko, ein Hospiz einzurichten, was die vielen Initiativen mit erklären könnte.
Dafür müssen aber die Kranken- und Pflegekassen tiefer in die Tasche greifen: Die Mindestzuschüsse liegen für einen Patienten in einem stationären Hospiz pro Tag bei 320 Euro. „Diese Summe darf nicht unterschritten werden“, sagt Heiner Melching. Geschäftsführer der DGP. Allerdings könne sie nach oben verhandelt werden.
So wäre es möglich, dass sich auch kommerzielle Anbieter für die Hospiz-Versorgung interessieren, meint Melching. „Das widerspräche aber ganz dem Hospiz-Gedanken, der ja aus der Ehrenamtlichkeit kommt“, sagt Melching. Grund genug also für Kassen und Verbände, auf die Grenzen der Versorgung hinzuweisen.
Auch Melching meint im Übrigen, dass neue Hospize nicht immer die beste Lösung sind. „Es geht ja vor allem darum, die Hospiz-Leistungen in die Pflege zu bekommen“, sagt der DGP-Geschäftsführer.
Bolze unterdessen fordert ein Gesetz zur Bedarfsplanung in der Palliativmedizin insgesamt. Allerdings sei eine entsprechende Gesetzesinitiative nicht in Sicht, hieß es. Die Unterzeichner der niedersächsischen Erklärung bieten den Planern neuer Hospize eine „gemeinsame Empfehlung zur bedarfsgerechten Gestaltung der Versorgungsstruktur“ an.
„Da es für Niedersachsen keine Bettenbedarfsplanung für Hospiz-Betten gibt“, so der Landesstützpunkt Hospiz- und Palliativarbeit, „ist es unser Bestreben, die Initiatoren über die Empfehlung und den Fragebogen dafür zu sensibilisieren, in ihren Regionen konkret den Bedarf zu ermitteln.“
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Diesen Artikel so zitieren: Gibt es bald zu viele Hospize? Niedersächsische Initiative tritt auf die Bremse - Medscape - 18. Sep 2018.
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