
Prof. Dr. Christoph Fiehn
Berlin – Schnell und zielgerichtet – so soll die Therapie der rheumatoiden Arthritis (RA) idealerweise sein. Wie sich das in der Praxis umsetzten lässt, dazu gibt die gerade erschienene S2e-Leitlinie „Behandlung der rheumatoiden Arthritis mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten (DMARDs)“ Anleitung [1]. „Remission ist dabei unser Therapieziel“, betonte Prof. Dr. Christoph Fiehn, Rheumatologe in Baden-Baden und DGRh-Tagungspräsident.
Er stellte die Kernthesen der neuen Leitlinie auf der Vorab-Pressekonferenz in Berlin zum Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) und der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh), der kommende Woche in Mannheim stattfindet, vor [2].
Erfolgsprinzip „Treat-to-Target“
Wie erfolgreich das Prinzip „Treat-to-Target“, die zielgenaue Behandlung mit DMARDs, ist, wenn es vom Arzt konsequent verfolgt wird, belegt beispielsweise die Fin-Neo-RACo-Studie. Bei guter Adhärenz erreichten hier 78% der Patienten nach 2 Jahren das Therapieziel Remission, bei schlechter nur 46%.
Wie die DGRh allerdings konstatiert, hapert es in der Praxis oft an der Umsetzung der Therapie-Empfehlungen. Bei etwa einem Drittel der RA-Patienten ist auch nach 2 Jahren noch eine mäßige bis hohe Krankheitsaktivität festzustellen. Jeder zweite dieser Patienten wird hochdosiert mit Kortison behandelt, was ihr Risiko für Infektionen, Herz-Kreislauferkrankungen und Osteroporose erhöht.
Wie sich eine Remission oder zumindest starke Verringerung der Krankheitsaktivität nach 6 Monaten – bei einer 50%-Besserung schon nach 3 Monaten – für möglichst viele Patienten erreichen lässt, dazu gibt die neue Leitlinie nun praxisnahe Hinweise.
Neue Remissionskriterien, schnellerer Behandlungsbeginn
Bei der Erstbehandlung heißt es, unbedingt am Ball bleiben. Deshalb empfiehlt die Leitlinie den Ärzten, ihre Patienten schon nach 6 und nicht wie bisher erst nach 12 Wochen zum Kontrolltermin zu bestellen. Dabei geht es noch nicht um das Ansprechen der Therapie. Vielmehr sollen Verträglichkeit der Medikamente und Adhärenz überprüft, offene Fragen mit dem Patienten geklärt und gegebenenfalls die Medikamenten-Dosis angepasst werden. Diese zusätzliche Konslutation könnte in Hinblick auf die knappen Zeitresourccen der Rheumatologen auch durch Delegation an Fachpersonal oder Telemedizin gewährleistet werden, schlug Fiehn vor.
Eine Remission wird nun anhand neuer Kriterien, dem Simplified-Disease-Activity-Index (SDAI), definiert. Mit einem SDAI unter 3,3 als Zielsetzung verbessere sich im Vergleich zu den alten EULAR-Response-Kriterien, die eine zu hohe klinische Aktivität und das Fortschreiten der Gelenkzerstörung zugelassen haben, die Prognose deutlich, so die Leitlininien-Verfasser.
Im Mittelpunkt der Therapie steht weiterhin Methotrexat (MTX) bzw. andere konventionelle synthetische DMARDS. „Bei vielen Patienten gelingt es, die Krankheit allein mit MTX zu kontrollieren“, erklärte Fiehn, der auch Erstautor der neuen Leitlinie ist. Zudem können biologische DMARDs zum Einsatz kommen. Falls nötig sieht die Leitlinie nun aber auch den Einsatz der neuen, gezielten synthetischen DMARDS Baricitinib und Tofacitinib (JAK-Inhibitoren) vor.
Die Kortison-Dosis so früh wie möglich zu reduzieren bzw. Kortison komplett abzusetzen, bleibt auch in der neuen Leitlinie ein wichtiges Behandlungsziel. „Es gibt keinen Beweis, dass Kortison in niedriger Dosierung ungefährlich ist oder bei einer optimierten DMARD-Therapie einen zusätzlichen Nutzen mit sich bringt“, so Fiehn.
Wenn Patienten kein Kortison mehr einnehmen und seit mindestens 6 Monaten dauerhaft beschwerdefrei sind, kann eine Verringerung der Medikamentendosis erwogen werden. Die Leitlinie enthält erstmals Empfehlungen zur Deeskalation. Indem die Dosis reduziert oder die Abstände der Medikation erhöht werden, lassen sich insbesondere bei den neuen JAK-Inhibitoren die noch recht hohen Therapiekosten senken. Diese sind, wie Fiehn vermutete, der Grund dafür, dass die gezielten synthetischen DMARDS bisher noch recht selten verordnet werden.
Erstmals thematisiert die neue Leitlinie den Einfluss von Lebensstil-Modifikationen wie Rauchentwöhnung und Gewichtsreduktion auf die Erkrankung. Neu ist zudem die Empfehlung, Therapieentscheidungen gemeinsam mit dem Patienten zu treffen.
Möglichst schnelle Behandlung – wie kann das funktionieren?
Um bleibende Schäden an den Gelenken zu verhindern, soll die zielgerichtete Therapie so schnell wie möglich nach dem Auftreten von Symptomen beginnen. Doch besteht nach wie vor das Problem, dass es nicht genügend Rheumatologen gibt. Daher müssen Patienten durchschnittlich 6 bis 9 Monate auf einen Termin beim Spezialisten warten, wie die Präsidentin der Deutschen Rheuma-Liga, Rotraut Schmal-Grede anmahnte.
In dieser Zeit kann es aber schon zu Schädigungen an den Gelenken kommen. Schmal-Grede verwies darauf, dass es trotz 17 Millionen an Rheuma Erkrankten in Deutschland nur 7 Lehrstühle für Rheumatologie gibt und dem Fach im Medizinstuduim nur 14 Vorlesungsstunden gewidmet sind. Immerhin gäbe es nun einen Gesetzesentwurf, der die Zulassungsbeschränkung für internistische Rheumatologen abbauen soll – allerdings nur befristet.

Prof. Dr. Hanns-Martin Lorenz
Kurzfristige Lösungsansätze, um die Zeit bis zum Behandlungsbeginn für Patienten zu verkürzen, präsentierte Prof. Dr. Hanns-Martin Lorenz, Präsident der DGRh und Leiter der Rheumatologie am Universitätsklinikum Heidelberg. Er schlug vor, zeitnahe „Screeningtermine“ anzubieten, in denen ein Rheumatologe zunächst nur feststellt, ob es sich um eine entzündliche oder nicht entzündliche Gelenkerkrankung handelt. Im ersten Falle könne dann bereits vor einer ausführlichen Untersuchung und Diagnose eine initiale Therapie mit MTX beginnen. Eine solche Initialtherapie könnten auch die Hausärzte übernehmen, meinte Lorenz.
Medscape Nachrichten © 2018 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Gezielt und frühzeitig therapieren, ist das Erfolgsrezept bei rheumatoider Arthritis – eine neue Leitlinie zeigt, wie’s geht - Medscape - 17. Sep 2018.
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