München – Nach den Ergebnissen der CULPRIT-SHOCK-Studie sollte bei KHK-Patienten mit Mehrgefäßerkrankung und akutem Herzinfarkt mit kardiogenem Schock bei der perkutanen Koronarintervention (PCI) zunächst nur die Infarktarterie behandelt werden. Eine zusätzliche sofortige Mitbehandlung weiterer verengter Gefäße (Mehrgefäß-PCI) erwies sich als prognostisch ungünstiger (wie Medscape berichtete).

Prof. Dr. Holger Thiele
Dieser Vorteil ist auch noch nach einem Jahr nachzuweisen, berichtete Prof. Dr. Holger Thiele, Herzzentrum Leipzig, beim Jahreskongress 2018 der European Society of Cardiology (ESC) [1]. Der kombinierte primäre Endpunkt war nach einem Jahr mit 52% bei Standard-PCI signifikant seltener als mit 59,5% bei Mehrgefäß-PCI (p = 0,048). Die 1-Jahres-Daten zur CULPRIT-SHOCK-Studie publizierten Thiele und seine Kollegen parallel im New England Journal of Medicine [2].
Aufgrund der Ergebnisse der CULPRIT-SHOCK-Studie waren die Leitlinien 2018 der ESC/European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS) zur myokardialen Revaskularisierung wieder entsprechend zurückgestuft worden. Zuvor war die Mehrfach-Revaskularisierung nach positiven Ergebnissen in anderen Studien bei Infarkt-Patienten in den Leitlinien favorisiert worden. „Die 1-Jahres-Ergebnisse der CULPRIT-SHOCK-Studie unterstützen diese Änderung der 2018 ESC/EACTS-Leitlinien“, so Thiele in einer Pressemitteilung der ESC.
CULPRIT-SHOCK-Studie
In die CULPRIT-SHOCK-Studie waren an 83 europäischen Zentren 706 Patienten mit infarktbedingtem kardiogenem Schock aufgenommen worden. Nach der Randomisierung wurde entweder eine sofortige Mehrgefäß-PCI durchgeführt oder nur die Infarktarterie revaskularisiert mit der Option, andere Läsionen später noch zu behandeln.
Nach 30 Tagen war in der Culprit-only-Gruppe der kombinierte primäre Endpunkt aus Tod oder Nierenversagen bzw. Nierenersatztherapie bei 45,9% der Patienten aufgetreten, in der Mehrgefäß-PCI-Gruppe bei 55,4% (p=0,01). Auch die Sterberate war in der Culprit-only-Gruppe mit 43,3% signifikant niedriger als in der Vergleichsgruppe mit 51,5%.
Die Überlegung war daraufhin, dass die Mehrgefäß-PCI sich für die Patienten aufgrund der höheren Belastung kurzfristig negativ ausgewirkt haben könnte, langfristig aber einen Prognosevorteil bedeuten könnte. Daher waren die Langzeitergebnisse von besonderem Interesse.
Langzeitdaten über 1 Jahr
Nach einem Jahr unterschied sich jedoch der kombinierte primäre Endpunkt nach wie vor signifikant – zugunsten der Culprit-only-Patienten: Er war bei 52,0% in dieser Gruppe und bei 59,5% der Mehrgefäß-Gruppe aufgetreten (p = 0,048). Die Sterblichkeit unterschied sich jedoch nicht mehr signifikant zwischen den beiden Gruppen. Die Gesamtsterblichkeit betrug 50% bei Culprit-only-Patienten und 56,9% bei Mehrgefäß-PCI-Patienten, und die kardiovaskuläre Sterblichkeit lag bei 46,2% bzw. 52,8%.
Eine Post-hoc-Analyse ergab, dass sich die Sterblichkeitsraten nur in den ersten 30 Tagen nach der PCI signifikant unterschieden. Danach war die Sterblichkeit in beiden Gruppen mit 6,7% bzw. 5,3% ähnlich. Auch renale Komplikationen, die eine Nierenersatztherapie erforderten, waren nur in der Frühphase beobachtet worden.
Allerdings waren – nicht überraschend – in der Culprit-only-Gruppe mehr revaskularisierende Eingriffe (32,3%) erfolgt als nach Mehrgefäß-PCI (9,4%). Zudem nahm bei längerer Beobachtungsdauer über 1 Jahr die Rate der Hospitalisierungen wegen einer Herzinsuffizienz zu, sie war in der Culprit-only-Gruppe mit 5,2% deutlicher höher als in der Gruppe mit Mehrgefäß-PCI (1,2%). Dieser Unterschied könnte mit einer besseren Ventrikelfunktion aufgrund der Mehrgefäß-PCI mit kompletter Revaskularisierung erklärt werden.
Doch, so Thiele und seine Kollegen, sei diese Erklärung eher spekulativ, weil diese Frage bislang noch nicht in randomisierten Studien geklärt werden konnte und aus der CULPRIT-SHOCK-Studie keine Daten zur Ventrikelfunktion vorliegen.
Medscape Nachrichten © 2018 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: CULPRIT-SHOCK: 1-Jahres-Ergebnis stärkt Leitlinien-Änderung – bei kardiogenem Schock zunächst nur die Infarktarterie - Medscape - 11. Sep 2018.
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