„Pod Mod“-E-Zigaretten als „Einstiegsdroge“ bei Kindern und Jugendlichen: Viel Nikotin, hohe Abhängigkeitsrisiken

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

6. September 2018

Sogenannte Pod Mods – das sind kleine, leicht bedienbare E-Zigaretten – führen dem Körper hohe Mengen an Nikotin zu. Konsumenten werden eher abhängig, laufen aber auch Gefahr, klassische Zigaretten zu konsumieren. Das berichten Dr. Jessica L. Barrington-Trimis und Dr. Adam M. Leventhal im NEJM [1]. Sie forschen an der Keck School of Medicine, University of Southern California, Los Angeles.

Dr. Christian Denne

„Pod Mods sind gefährlicher als normale E-Zigaretten“, sagt Dr. Christian Denne von der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Kliniken Ludwigsburg-Bietigheim. „Konsumenten nehmen in kurzer Zeit viel Nikotin auf.“ So komme es nicht nur zur schnelleren Anflutung von Nikotin mit dem Risiko toxischer Wirkungen. „Auch die Suchtperspektive steht bei unserer Bewertung im Vordergrund“, ergänzt der Experte. „Pod Mods oder andere E-Zigaretten können zum Einstieg in den normalen Tabakkonsum verleiten.“

Denne zufolge sind Pod Mods zwar ein Trend aus den USA, über diverse Online-Shops aber auch für Jugendliche hierzulande verfügbar. Sein Fazit: „Es handelt sich um eine schnelle, attraktive, überall verfügbare Triebbefriedigung.“ Es gebe „keine Entwarnung, sondern vielmehr ein Warnzeichen“.

Kinder und Jugendliche als Zielgruppe

Obwohl Kinder unter 18 Jahren in den meisten Staaten legal keine E-Zigaretten kaufen können, sind die Geräte bei Teenagern immer beliebter geworden. Laut einer Studie der Universität von Michigan, haben fast ein Drittel aller Highschool-Absolventen im Jahr 2017 diese Geräte verwendet. Konsumierten im Jahr 2011 noch weniger als 2% der Highschool-Absolventen diese Alternative zu klassischen Zigaretten, waren es in 2015 bereits 16%. Aufgrund zahlreicher Aufklärungskampagnen sank die Beliebtheit in 2016 auf 11%.

 
Pod Mods sind gefährlicher als normale E-Zigaretten. Dr. Christian Denne
 

Dieser Trend scheint sich Barrington-Trims und Leventhal zufolge wieder umzukehren. Sie berichten von neuen Produkten auf dem Markt. Pod Mods sind klein, unauffällig und leicht nachladbar. Sie verdampfen aus Kartuschen nikotinhaltige, aromatisierte Flüssigkeiten, die „Liquids“. Juul, ein Anbieter von Pod Mods, beherrscht 49,6% des gesamten E-Zigaretten-Markts. Das hat vor allem chemische Gründe.

Andere Galenik – weniger Reizungen

Zum Hintergrund: Klassische E-Zigaretten, wie sie schon länger auf dem Markt sind, enthalten in Liquids Nikotin als freie Base. Das Molekül reizt in dieser Form die Atemwege, was viele Konsumenten als negativ empfinden.

Juul und andere Hersteller von Pod Mods verwenden deshalb protonierte Formen, sprich ein Salz des Nikotins, und weitere Zusätze. Das fanden Forscher bei Untersuchungen verschiedener Liquids per 1H-NMR-Spektroskopie. Ihr Verfahren erlaubt direkte Messungen; ältere Methoden hatten ihre Grenzen.

Zusätze können das Gleichgewicht zwischen protoniertem Nikotin und der freien Base verschieben. Liquids von Juul enthalten zusätzliche Säuren, um die Bildung von protoniertem Nikotin zu verstärken.

 
Konsumenten nehmen in kurzer Zeit viel Nikotin auf. Dr. Christian Denne
 

80% der jungen Erwachsenen zwischen 18 und 24 Jahren entscheiden sich nach der ersten Anwendung von Juul zum längerfristigen Gebrauch. Sie nehmen dadurch große Mengen an Nikotin zu sich, während sie sich bei Zigaretten aufgrund des unangenehmen Geschmacks eher zurückhalten. Außerdem enthalten Liquids von Pod Mods 2- bis 10-mal mehr Nikotin, was schneller zur Abhängigkeit führen kann.

Weitere technische Vorteile betreffen das Gerät selbst: Pod Mods sind kleiner als E-Zigaretten, benötigen weniger Strom und lassen sich am USB-Anschluss eines Computers laden. Liquids gibt es in den verschiedensten Geschmacksrichtungen. Konsumenten arbeiten mit Kartuschen zum Einklicken. Das umständliche Befüllen und Kalibrieren, wie es bei älteren E-Zigaretten erforderlich ist, entfällt.

Pod Mods sind weniger auffällig als E-Zigaretten, sie entwickeln nicht die typischen Dampfwolken. In den USA berichten Lehrer sogar vom Konsum während der Schulstunden.

Die Folgen sind nicht zu übersehen: Einem Blogbeitrag zufolge haben Kinderärzte am Massachusetts General Hospital in 3 Wochen 3 Teenager mit Anzeichen einer Nikotin-Abhängigkeit behandelt.

 
Pod Mods oder andere E-Zigaretten können zum Einstieg in den normalen Tabakkonsum verleiten. Dr. Christian Denne
 

Strengere Regularien erforderlich

Barrington-Trims und Leventhal warnen vor einer Verharmlosung der Geräte. „Konsumenten nehmen zwar keine kanzerogenen Verbrennungsprodukte auf“, schreiben sie in ihrem Artikel. „Allerdings enthalten manche Aerosole flüchtige organische Komponenten (VOCs), Metalle oder Aromen.“

Sie bewerten vor allem die hohen Nikotinmengen nicht nur als „Gefahr für Konsumenten, schnell abhängig zu werden“. Gleichzeitig erhöhe sich die Wahrscheinlichkeit, dass Jugendliche zur Zigarette greifen.

Deshalb empfehlen die Forscher mehrere Maßnahmen:

  • Schulen sollten Tabak, E-Zigaretten oder Pod Mods generell vom Campus verbannen.

  • Maßgeschneiderte Programme für Jugendliche sollten angeboten werden, um über Gefahren aller Tabakprodukte zu informieren.

  • Der unkontrollierte Verkauf über Online-Shops an Minderjährige – gerade in den USA ein großes Problem – ist zu unterbinden.

  • Geschmacksrichtungen, die sich an junge Konsumenten richten, sind zu verbieten.

In einem offenen Brief fordern mehrere Fachgesellschaften von der US Food and Drug Administration (FDA), solche Maßnahmen zu ergreifen. Die Behörde hat eigenen Angaben zufolge begonnen, Online-Shops stärker zu überwachen.

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....