Vergebliche Liebesmüh: Fischöl-Kapseln senken weder das kardiovaskuläre Risiko noch die Krebshäufigkeit, zeigt die ASCEND-Studie

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

3. September 2018

PD Dr. Louise Bowman

München – Eine Substitution mit Omega-3-Fettsäuren (Fischöl) kann auch bei Diabetikern nicht das Risiko für koronare Ereignisse oder Schlaganfälle senken. Dies ergab die ASCEND-Studie (A Study of Cardiovascular Events iN Diabetes), deren Ergebnisse PD Dr. Louise Bowman, Nuffield Department of Population Health, Universität von Oxford, UK, beim Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC) in der Hotline-Session vorgestellt hat [1]. Parallel wurden die Ergebnisse online im New England Journal of Medicine publiziert [2].

Supplementierung mit Fischöl ohne Effekt auf kardiovaskuläre Ereignisse

Über 15.000 Diabetiker nahmen täglich 1 g Fischöl-Ergänzung oder Placebo. Nach 7,4 Jahren war bei 8,9% der Patienten in der Fischöl-Gruppe und bei 9,2% unter Placebo ein schweres kardiovaskuläres Ereignis aufgetreten.

Unsere große ... Studie zeigte, dass Fischöl-Supplemente das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse bei Diabetikern nicht reduzieren. PD Dr. Louise Bowman

„Unsere große, randomisierte über lange Zeit durchgeführte Studie zeigte, dass Fischöl-Supplemente das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse bei Diabetikern nicht reduzieren. Dies ist ein enttäuschendes Ergebnis, das jedoch mit zuvor durchgeführten randomisierten Studien bei anderen Patienten mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko übereinstimmt, bei denen ebenfalls kein Nutzen von Fischöl-Supplementen gezeigt werden konnte“, so Bowman bei einer Pressekonferenz der ESC. „Daher ist es nicht berechtigt, Fischöl-Supplemente als Schutz vor kardiovaskulären Erkrankungen zu empfehlen“, so ihre Schlussfolgerung.

Prof. Dr. Christopher P. Cannon, Harvard Medical School, Boston (USA), erinnerte als Diskutant der Studie beim ESC-Kongress daran, dass eine aktuelle Metaanalyse von 10 randomisierten Studien mit jeweils mindestens 500 Teilnehmern mit erhöhtem Risiko ebenfalls gezeigt habe, dass Fischöl-Supplemente keinen Effekt auf kardiovaskuläre Ereignisse haben.

Jedoch: Diese Metaanalyse habe auch – wie die ASCEND-Studie – gezeigt, dass sich Fischöl-Supplemente möglicherweise günstig auf vaskulär bedingte Todesfälle auswirkten. Daher warte man nun gespannt auf die Ergebnisse weiterer großer Studien, z.B. der VITAL-Studie mit 1 g Fischöl, die Ende des Jahres vorgestellt werde.

Höhere Dosierungen (4 g/Tag) würden in der REDUCE-IT und der STRENGTH-Studie untersucht. Auch Bowman ging auf die Frage der Dosierung ein: „Es bleibt die Frage, ob eine höhere Dosis mit 2 bis 4 g/Tag einen Effekt hat, weil mit dieser Dosierung Triglyzerid-Spiegel gesenkt werden. Aber möglicherweise tritt mit diesen hohen Dosen ein Toleranzproblem auf.“

Regelmäßiger Fischkonsum empfehlenswert

Auf Fischmahlzeiten sollte aber auch künftig nicht verzichtet werden. Prof. Dr. Ileana L. Pina, Montefiore Weiler Hospital, Bronx, New York, USA, sagte hierzu gegenüber theheart.org/Medscape Cardiology:Ich habe so viele Patienten, die Fischöl-Supplemente kaufen möchten. Ich sage ihnen, sie sollen ihr Geld sparen und 2- bis 3-mal in der Woche Fisch essen. Diese Studie bestärkt dieses Vorgehen. Meiner Meinung nach gibt es einen großen Unterschied zwischen Fischkonsum und Fischölkapseln. Fisch ist Bestandteil einer mediterranen Ernährung, für die ein Nutzen nachgewiesen ist.“

Es gibt einen großen Unterschied zwischen Fischkonsum und Fischölkapseln. Fisch ist Bestandteil einer mediterranen Ernährung, für die ein Nutzen nachgewiesen ist. Prof. Dr. Ileana L. Pina

Nach Beobachtungsstudien soll ein 1- bis 2-mal wöchentlicher Fischkonsum das Risiko für Herzerkrankungen senken. Eine systematische Übersicht aus dem Jahr 2002 ergab, dass der tägliche Konsum von 40 bis 60 g Fisch mit einer fast 50%igen Senkung der kardiovaskulären Sterblichkeit assoziiert ist.

Derzeit wird von der American Heart Association regelmäßiger Fischkonsum zur Primärprävention und eine Ergänzung mit Omega-3-Fettsäuren in der Sekundärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen empfohlen.

Längste und größte randomisierte Fischöl-Studie

Diabetiker haben ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, daher verglich die ASCEND-Studiengruppe Wirksamkeit und Verträglichkeit von täglicher Fischöl-Einnahme und Placebo bei Diabetikern ohne kardiovaskuläre Erkrankung.

In die britische Studie wurden 15.480 Patienten (63% Männer) im Durchschnittsalter von mindestens 63 Jahren aufgenommen, die seit 7 Jahren an einem Diabetes mellitus Typ 2 litten. 62% hatten einen erhöhten Blutdruck und 75% nahmen Statine. Der Body-Mass-Index lag bei 31 kg/m², der HbA1c-Wert bei 7,2%.

Randomisiert nahmen sie über 7,4 Jahre täglich eine 1-g-Kapsel mit 840 mg Omega-3-Fettsäuren (460 mg Eicosapentaensäure, 380 mg Docosahexaensäure) oder Placebo (Olivenöl). Die Adhärenz lag bei 77% in der Fischöl- und bei 76% in der Placebogruppe.

Der primäre Endpunkt umfasste schwere vaskuläre Ereignisse (SVE), nämlich nicht-tödlichen Herzinfarkt, nicht-hämorrhagischen Schlaganfall, transiente ischämische Attacken (TIA) oder kardiovaskulär bedingte Todesfälle (außer intrakraniale Blutungen).

Er trat bei 689 Patienten (8,9%) der Substitutionsgruppe und bei 712 Patienten (9,2%) der Placebogruppe auf (Rate Ratio: 0,97; p = 0,55), wobei sich auch bei einer längeren Nachbeobachtungszeit kein Hinweis auf einen signifikanten Unterschied ergab.

Die Häufigkeit von Revaskularisierungen, nicht tödlicher Herzinfarkte, Schlaganfälle und TIA war in beiden Gruppen ähnlich. Bei Fischöl-Supplementierung fand sich ein Trend zu weniger vaskulär bedingten Todesfällen (2,4 vs 2,9%; Rate Ratio: 0,82). Auf die Häufigkeit von Krebserkrankungen hatte Fischöl ebenfalls keinen Einfluss. Es fand sich auch keine Subgruppe, bei der die Fischöl-Substitution einen positiven Einfluss gehabt hätte.

Leitlinien-Empfehlungen sollten neu überdacht werden. PD Dr. Louise Bowman

Bowman fasste die Ergebnisse der ASCEND-Studie wie folgt zusammen: ASCEND ist die größte und am längsten dauernde placebo-kontrollierte randomisierte Studie zur Ergänzung von Omega-3-Fettsäuren bei Diabetikern. Die Fischöl-Supplementierung hatte keinen Effekt auf den primären Endpunkt, nämlich schwere vaskuläre Ereignisse, oder auf die Krebshäufigkeit, die Gesamt- oder Ursachen-spezifische Sterblichkeit. Sicherheitsprobleme gab es jedoch auch nicht. Ihre Schlussfolgerung lautete: „Leitlinien-Empfehlungen sollten neu überdacht werden.“

 

Kommentar

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