München – Bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und eingeschränkter linksventrikulärer Funktion ist eine sekundäre funktionelle Mitralklappen-Insuffizienz als Folge der Vergrößerung des insuffizienten linken Ventrikels ein nicht so seltener Befund – und mit einer schlechten Prognose verbunden. Besonders in Deutschland erfreut sich bei den meist älteren Patienten die perkutane Reparatur der Mitralklappe mittels MitraClip® (Abbott Vascular) inzwischen großer Beliebtheit: Mehr als die Hälfte der etwa 45.000 Implantationen weltweit fanden in Deutschland statt – allein im Jahr 2016 waren es mehr als 5.000.
Durch eine neue beim ESC-Kongress in München vorgestellte Studie erhält die MitraClip®-Euphorie nun aber einen deutlichen Dämpfer [1]: In einer unabhängigen französischen Studie mit „harten“ Endpunkten erwies sich die Prozedur unter prognostischem Aspekt als vollkommen wertlos: Auch wenn die Regurgitation durch das durchaus aufwändige perkutane Verfahren effektiv gemindert wird, war in der Studie nach einem Jahr weder die Gesamtmortalität im Vergleich zur rein medikamentösen Behandlung gemindert, noch war die Rate an „ungeplanten Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz“ reduziert. Beides zusammen bildete den primären „harten“ Endpunkt der Studie.
„Es handelt sich um die erste prospektive randomisierte Studie mit harten Endpunkten, in der das MitraClip®-Verfahren gegen eine nur medikamentös behandelte Kontrollgruppe getestet worden ist“, betonte der Erstautor der Studie Prof. Dr. Jean-Francois Obadia, Lyon, bei der Präsentation der Ergebnisse, die zeitgleich im New England Journal of Medicine veröffentlicht worden sind [2]. Er plädierte für mehr derartige Studien: „Wir können nicht nur auf die Registerdaten vertrauen, denn da fehlen die Kontrollen.“
Bislang mangelte es an randomisierten Daten
Die sekundäre, funktionelle Mitralklappen-Insuffizienz bei reduzierter links-ventrikulärer Funktion stellt aktuell die häufigste Indikation für die MitraClip®-Implantation in der klinischen Praxis dar, heißt es im Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) aus dem Februar 2018 dazu. Die Mitralklappe ist in diesen Fällen zwar funktionell in Ordnung, schließt aber aufgrund der zunehmenden Dilatation des linken Ventrikels in den fortgeschrittenen Stadien der Herzinsuffizienz nicht mehr ausreichend, was zur Regurgitation führt. In dieser Indikation hat die MitraClip®-Prozedur in den derzeitigen europäischen Leitlinien nur eine schwache IIb/C Empfehlung. Denn, so bemängeln auch die Autoren dieses Papiers, es fehle dazu bislang an randomisierten Daten.
Die gibt es jetzt – auch wenn sie anders ausfallen als von vielen erwartet bzw. erhofft worden war. Es handelte sich bei MITRA-FR um eine rein akademische Studie, die nicht vom MitraClip®-Hersteller Abbott initiiert oder finanziert war, betonte Obadia. Für die Studie wurden in 37 Zentren in Frankreich, an denen man bereits Erfahrungen mit der MitraClip®-Prozedur hatte, mehr als 300 Patienten randomisiert. Diese hatten eine schwere sekundäre Mitralklappen- sowie eine symptomatische Herz-Insuffizienz und eine linksventrikuläre Auswurffraktion zwischen 15 und 40%. Die meisten befanden sich im NYHA-Stadium 3 und 4.
Die Randomisierung erfolgte 1 zu 1 entweder zur MitraClip®-Prozedur (plus medikamentöse Therapie) oder zur alleinigen medikamentösen Therapie. Jede Gruppe hatte 152 Teilnehmer, das mediane Alter betrug 70 Jahre. Alle Patienten waren wirklich sehr gut mit Diuretika, Betablockern und ACE-Hemmern behandelt, unterstrich Obadia. Die Prozedur erwies sich als sehr sicher: Es kam insgesamt zu 21 periprozeduralen Komplikationen, darunter 2 kardiale Embolien und 2 Tamponaden. Die meisten Teilnehmer erhielten 1 bis 2 Clips. Bei 96% gelang es dadurch die Regurgitation zu mindern.
Überraschend: Regurgitation gemindert – Prognose nicht gebessert
Der primäre Endpunkt aus Gesamtmortalität und Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz wurde nach einem Jahr erhoben. Und – überraschend – zeigte sich hier kein Unterschied: 54,6% der Interventionsgruppe hatte ein Ereignis des primären Endpunktes erlitten und 51,3% in der rein medikamentös behandelten Gruppe (p = 0,53). Gestorben waren 24,3% in der Interventionsgruppe und 22,4% in der Medikamentengruppe, die Hospitalisierungsraten wegen Herzinsuffizienz betrugen 48,7 und 47,4%. Die Ergebnisse änderten sich auch nicht in der Per-Protocol-Analyse, wenn nur diejenigen ausgewertet wurden, die auch tatsächlich einen MitraClip® erhalten hatten.
„Die Studie beantwortet 2 Fragen“, sagte Obadia in München. „Erstens ist die Prozedur sicher und effektiv? Die Antwort lautet eindeutig: Ja. Zweitens, bessert die Prozedur die Prognose? Die Antwort lautet eindeutig: Nein.“ Noch mehr überraschend: Auch in der Symptomatik zeigten sich keine deutlichen Unterschiede. So besserte sich auch die medikamentös behandelte Gruppe im Laufe des Jahres funktionell und erreichte ein niedrigeres NYHA-Stadium und es bestand laut Obadia kein signifikanter Unterschied.
Seine Schlussfolgerung daraus: „Es ist wohl eher die Kardiomyopathie, die die Prognose beeinflusst. Die Mitralklappen-Insuffizienz scheint eher ein Marker, denn ein Treiber der Prognose zu sein.“ In weiteren Studien müssten nun Subpopulationen identifiziert werden, die vielleicht doch prognostisch von der Therapie profitierten.
Medikamentös (plus CRT) bleibt Standard der Therapie
Gefragt, was für ihn persönlich die Schlussfolgerung aus den Ergebnissen sei, ob er in Zukunft keine Mitralklappen mehr bei sekundärer funktioneller Mitralklappeninsuffizienz einsetze, antwortete der französische Kardiologe: „Wir sollten jetzt nicht aufgrund der Studie von einem Extrem zum anderen wechseln. Ich werde sicher weiterhin den MitraClip® verwenden, aber es ermutigt mich, die Patienten stärker zu selektieren.“
Als Diskutant vor dem Auditorium lobte Prof. Dr. Stephan Windecker, Bern, zum einen die Studienautoren für eine sehr gute, aussagekräftige Studie. Nach dieser Studie bleibe die Leitlinien-gestützte medikamentöse Therapie – einschließlich CRT wenn indiziert – für ihn der „Standard der Therapie“, sagte Windecker: „Das Herz-Team kann den MitraClip® als palliative Therapie in selektierten Patienten in Betracht ziehen, die trotz medikamentöser Therapie noch hochsymptomatisch bleiben.
Er bemängelte aber auch, dass er gerne noch weitere Daten sehen würde – etwa zum funktionellen Status der verschiedenen Gruppen, zur Lebensqualität und auch zu Biomarkern wie BNP. Und vor allem interessiere ihn, „was mit der Medikation im Studienverlauf geschehen ist, dass sich auch die nur medikamentös eingestellte Gruppe so deutlich gebessert hat“.

Prof. Dr. Volker Schächinger
Kommentar von Prof. Dr. Volker Schächinger, Medizinische Klinik I – Kardiologie, Angiologie, Intensivmedizin, Klinikum Fulda
Die französische Mitraclip-Studie ist negativ hinsichtlich einer Prognose-Verbesserung durch Mitraclip (kein Mortalitätsvorteil), zeigt aber, dass Symptome verbessert werden, indem das Ausmaß der Mitralinsuffizienz reduziert wird.
Das passt zu der in den Leitlinien aktuell noch sehr zurückhaltenden Empfehlung für ein Mitralklappen-Clipping (nur inoperable Patienten mit Leidensdruck hinsichtlich ihrer Symptome) und zeigt, dass die Indikation derzeit nicht weiter gefasst werden sollte. Offensichtlich scheint die bereits fortgeschrittene Herzinsuffizienz die Prognose zu bestimmen und durch eine Reduktion der Mitralinsuffizienz bei den untersuchten Patienten nicht mehr beeinflussbar zu sein.
Auf lange Sicht wäre es natürlich schön, wenn auch die Prognose verbessert werden würde. Hier gibt es mit der jetzt vorliegenden (erst zweiten!) randomisierten Studie insgesamt betrachtet noch nicht viel Daten. Bereits im November wird eine weitere Studie auf dem Transcatheter Cardiovascular Therapeutics Congress (TCT) vorgestellt. Man wird zukünftig herausarbeiten müssen, ob es bestimmte Patientencharakteristika gibt, bei denen auch die Prognose verbessert werden kann.
Das Ergebnis ist somit etwas enttäuschend, aber noch nicht das Ende der Therapie, sondern der Auftakt zu weiteren Studien/Daten die in nächster Zeit kommen. Die Erfahrung zeigt, dass größere Folgestudien durchaus zu anderen Ergebnissen kommen können (aber natürlich nicht müssen) als die ersten kleinen Studien. Es bleibt spannend.
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Diesen Artikel so zitieren: Überraschung in MITRA-FR: Der MitraClip versagt im ersten randomisierten Test bei Herzinsuffizienz-Patienten - Medscape - 28. Aug 2018.
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