Weder Kaffee noch Koffein sind gesundheitsschädlich, bestätigt eine neue prospektive Kohortenstudie mit einer Auswertung von Daten von fast 500.000 Menschen im Journal of the American Medical Association (JAMA) [1]. Das Neue an dieser Studie: Erstmals wurde der individuelle Koffein-Metabolismus der Teilnehmer berücksichtigt, der sich genetisch bedingt unterscheidet – und es wurde differenziert, ob die Menschen koffeinhaltigen oder koffeinfreien Kaffee bevorzugen.

Prof. Dr. Stephan Martin
„Zu einem möglichen Gesundheitsrisiko des Kaffeekonsums gibt es bereits zahlreiche Studien“, urteilt Prof. Dr. Stephan Martin, Chefarzt für Diabetologie und Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrum (WDGZ) im Verbund Katholischer Kliniken Düsseldorf, und regelmäßiger Diabetes-Blogger bei Medscape. „Aber eine solche Bezugnahme auf genetische Faktoren in großem Stil gab es bisher noch nicht.“
Selbst 8 Tassen Kaffee schaden nicht, im Gegenteil
Die Autoren um Dr. Erikka Loftfield, Epidemiologen der metabolischen Abteilung des National Cancer Institute in Rockville im US-Staat Maryland, analysierten Datensätze der UK-Biobank zur Verknüpfung von Kaffeekonsum und Mortalität von 489.134 Menschen. Diese wurden in England über die Jahre 2006 bis 2016 verfolgt, wobei es in dieser Zeit zu 14.225 Todesfällen (< 3%) kam.
Das Mortalitätsrisiko war bei den Kaffeetrinkern allgemein geringer und sank tendenziell mit der Menge getrunkener Tassen im Vergleich zu Nicht-Kaffeetrinkern: So lag die Hazard Ratio (HR) mit einer Tasse pro Tag bei 0,92, bei 4 bis 5 Tassen bei 0,88 und bei 8 oder mehr Tassen bei 0,86. Dabei spielte es keine Rolle, ob die Person ein guter oder schlechter „Koffein-Verwerter“ war (also wie aktiv der genetisch bedingte Koffein-Metabolismus war) und ob laut Antwortbögen koffeinfreier, gefilterter oder löslicher Kaffee getrunken worden war.
„Am Koffein liegt es also wohl nicht, dass Kaffee das Mortalitätsrisiko eher senkt als steigert“, erklärt Martin. „Aber es sind natürlich wesentlich mehr Substanzen als nur Koffein im Kaffee. So fördert Kaffee etwa den Spiegel des körpereigenen Peptids Adiponektin im Blut, das mit einer erhöhten Insulinsensitivität in Verbindung gebracht wird.“
Positiver Effekt unabhängig von Koffein und individuellem Metabolismus
Das Ausmaß des individuellen Koffein-Metabolimus errechneten die Autoren aus der Zahl von single nucleotide polymorphismen (SNPs), also einzelnen Basenpaar-Austauschen in Genen, die in der Vergangenheit mit der Metabolisierung von Koffein in Verbindung gebracht worden sind. Sie analysierten dazu die Anzahl der SNPs in den relevanten Gensequenzen AHR, CYP1A2, CYP2A6 und POR aus der genomischen Sequenz, die von jedem Teilnehmer in der Datenbank vorlag. Zusätzlich floss ein spezieller Faktor für jedes dieser Gene in die Analyse ein, der die Stärke des Einflusses dieses Gens auf den Koffein-Metabolismus wiedergab. So errechneten sie für jeden Studienteilnehmer ein individuelles Maß für seinen Koffein-Metabolismus, der zwischen 0 (sehr niedrig) und 8 (sehr hoch) lag.
„Diesen Einwand der individuellen Wirkung des Koffeins auf verschieden starke ‚Koffeinverwerter‘ unter den Kaffeetrinkern galt es noch zu entkräften“, urteilt Martin. „Ich denke, das ist mit dieser Studie wahrscheinlich gelungen.“
Weiterhin schlüsselten Loftfield und Kollegen nach Geschlecht (45% Männer, 55% Frauen), Alter (unter und über 55 Jahren), Raucherstatus, allgemeinem Gesundheitsstatus (gut ca. 75% / schlecht ca. 25%), BMI, Diabetes (bei ca. 5%) sowie dem Auftreten von Krebs, Herzinfarkt und Schlaganfall (gemeinsam ca. 10% der Teilnehmer) auf. In allen Subgruppen blieb der Trend erhalten, dass Kaffee, auch in großer Menge von über 6 Tassen täglich, das Mortalitätsrisiko senkte.
Die Botschaft lautet: Zurücklehnen und Kaffee genießen!
Eine Schwäche dieser Studie ist allerdings, wie die Autoren selbst schreiben, die Freiwilligkeit der Teilnahme. Die etwa 500.000 Menschen, die ihre Daten dokumentieren ließen, entsprachen nur etwa 5,5% der ursprünglich zur Teilnahme an der Erhebung Eingeladenen von über 9,5 Millionen. Somit ist es unwahrscheinlich, dass die Teilnehmer die Gesellschaft insgesamt repräsentieren, sondern es sich eher um eine an medizinischen Themen aufgeschlossenen Gruppe handelt. Andererseits sollte bei diesen eher eine ehrliche Beantwortung der Fragebögen zu vermuten sein.
Für die Belastbarkeit der getroffenen Aussagen spricht auch, dass sie die Ergebnisse vieler bereits veröffentlichter Studien zum Thema Kaffeekonsum bestätigen.
„Kaffee, aber auch Tee, sind keine Medikamente“, lautet das Fazit von Martin. „Der Genuss geht meist mit Ruhe und einer Parasympathikus-Aktivierung einher, was sicher keinen negativen Aspekt für die Gesundheit bedeutet. Lediglich Schwangere sollten sich etwas zurückhalten. Allen anderen empfehle ich: Zurücklehnen und den Kaffee guten Gewissens genießen!“
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Diesen Artikel so zitieren: Selbst koffeinfrei und bei 8 Tassen täglich – Kohortenstudie mit 500.000 Teilnehmern bestätigt: Kaffeetrinker leben länger - Medscape - 23. Aug 2018.
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