Keine Fleischeslust: Die DGKJ gibt Empfehlungen, wie Kinder trotz vegetarischer Kost alles bekommen, was sie brauchen

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

20. August 2018

Pädiater betreuen zunehmend Familien, die sich und ihre Kinder vegetarisch oder vegan ernähren. Experten der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) halten bei zu restriktiven Einschränkungen Defizite bei Vitamin B12, Calcium, Omega-3-Fettsäuren und Spurenelementen für möglich. Das berichtet Dr. Silvia Rudloff vom Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Justus-Liebig-Universität Gießen und Kollegen in der Monatsschrift Kinderheilkunde [1].

Sie folgert, vegetarische Kost im Kindesalter setze „einen hohen Informationsstand der Eltern und Jugendlichen voraus“ und erfordere „gezielte Betreuung durch den Kinder- und Jugendarzt, ggf. in Kooperation mit einer entsprechend geschulten Ernährungsfachkraft“.

„Wir empfehlen altersunabhängig eine ausgewogene Mischkost, also eine Ernährung mit allen Lebensmitteln“, sagt Antje Gahl, Sprecherin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, zu Medscape. „Das deckt sich mit den Fazit-Empfehlungen der DGKJ.“ Nur so könne man dem Körper alle benötigten Nährstoffe optimal zuführen.

Vegetarische Kost durchaus eine Alternative

„Die pesco-vegetarische Ernährung mit Fisch oder die ovo-lakto-vegetarische Kost mit Milchprodukten halten wir auch bei Kindern und Jugendlichen für geeignet.“ Alternativen zu kritischen Nährstoffen sollten jedoch gefunden werden. Dazu zählen v.a. Vitamin B12, Eisen, Calcium und Omega-3-Fettsäuren. „Vegane Ernährung ist für Kinder nicht geeignet“, ergänzt Gahl. Das Risiko von Nährstoffdefiziten sei zu groß.

DGKJ-Ernährungsexperten sehen in einer ausgewogenen lakto-ovo-vegetarischen Ernährung für Kinder eine mögliche Alternative zur Mischkost mit Fleisch und Fisch, weisen jedoch auf mehrere Besonderheiten hin. „Das Risiko eines Nährstoffmangels ist umso größer, je restriktiver die Ernährung ist und je mehr Lebensmittelgruppen aus der Ernährung ausgeschlossen werden“, sagt Prof. Dr. Berthold Koletzko von der DGKJ- Ernährungskommission.

„Zu beachten ist auch, dass Kinder nicht immer alles mögen und z.B. Hülsenfrüchte als wichtige Nährstofflieferanten meiden.“ Dann stimme zwar das Essensangebot, aber die Nährstoffbilanz sei dennoch aus der Balance.

 
Die pesco-vegetarische Ernährung mit Fisch oder die ovo-lakto-vegetarische Kost mit Milchprodukten halten wir auch bei Kindern und Jugendlichen für geeignet. Antje Gahl
 

Laut DGKJ-Ernährungskommission führt vor allem vegane Ernährung über einen längeren Zeitraum regelmäßig zu einem Mangel an Vitamin B12. Kinderärzte sollten außerdem auf Eisen, Zink, Jod, DHA, Calcium, Protein und Energie achten, um das Risiko für ernste klinische Folgen zu minimieren. Die einzelnen Nährstoffe im Überblick:

Proteine

Verglichen mit omnivoren Ernährungsgewohnheiten sieht die DGKJ bei lakto-ovo-vegetarischer Kost keine Defizite, um dem Körper ausreichende Mengen an Proteinen zuzuführen. Rudloff: „Bei Restriktionen bezüglich der Proteinquellen durch den Verzicht auf tierische Produkte ist dies zumindest jenseits des Säuglingsalters durch eine Kombination von Vollgetreide und Hülsenfrüchten möglich.“ Eine sojabasierte Nahrung im Säuglingsalter und darüber hinaus könne als zusätzliche Nährstoffquelle dienen.

Eisen

Eisen zählt für Säuglinge im 2. Lebenshalbjahr, für Kleinkinder und für menstruierende Mädchen zu den kritischen Nährstoffen. Verglichen mit Hämeisen aus Fleisch ist die Bioverfügbarkeit des 3-wertigen Eisens aus pflanzlichen Lebensmitteln gering (Resorption 2-5% versus 20% aus Hämeisen).

„Die Datenlage bezüglich eines häufigeren Auftretens eines Eisenmangels oder einer Eisenmangelanämie bei vegetarisch ernährten Kindern ist nicht eindeutig“, fasst Rudloff im Paper zusammen. Manche Studien zeigten Defizite bei der Eisenversorgung, andere fanden keine Hinweise.

Jod

Für die Entwicklung von Kindern ist eine adäquate Jodzufuhr ebenfalls notwendig. Als wichtigste Quellen gelten neben jodiertem Kochsalz vor allem Milchprodukte. Nehmen sie weder Fisch noch Fleisch, Eier oder Milchprodukte zu sich, steigt auch hier das Risiko für eine Jodunterversorgung.

Die DGKJ rät alternativ zu angereicherten Lebensmitteln wie Brot bzw. jodiertem Speisesalz. Da Jod für die Bildung von Schilddrüsenhormonen notwendig ist, empfiehlt sich eine Überprüfung der Schilddrüsenparameter.

 
Die Datenlage bezüglich eines häufigeren Auftretens eines Eisenmangels oder einer Eisenmangelanämie bei vegetarisch ernährten Kindern ist nicht eindeutig. Dr. Silvia Rudloff
 

Vitamin B12

Rudloff weist zudem auf Vitamin B12-Defizite bei Veganern hin: „In den Studien waren vegan ernährte Kinder im Fall der Einnahme von Supplementen bzw. der Verwendung von mit Mikronährstoffen angereicherter Sojamilch gut versorgt.“

Sie warnt vor Vitamin-B12-Analoga wie fermentierten Sojaprodukten, Pilzen oder Meeresalgen. Diese seien aufgrund ihrer eingeschränkten Bioaktivität keine adäquaten Quellen zur Deckung des Vitamin-B12-Bedarfs. Deshalb sollten je nach Ernährungsform und Alter 5-25 μg/Tag oral supplementiert werden.

Kalzium und Vitamin D

Die DGKJ fand bei ihren Recherchen auch mehrere Studien zur Versorgung mit Calcium bzw. Vitamin D. Bei vegetarisch ernährten Kindern war die Calciumaufnahme im Vergleich zu Omnivoren auf etwa die Hälfte reduziert. Das liegt u.a. an sekundären Pflanzeninhaltsstoffen wie Phytaten und Oxalaten. Sie hemmen die Resorption.

Auch die Vitamin-D-Aufnahme erwies sich als zu niedrig. Bei einem labordiagnostisch nachgewiesenen Mangel sind Nahrungsergänzungsmittel erforderlich.

Mehrfach ungesättigte Fettsäuren

Nicht zuletzt warnen Experten davor, einen Mangel an mehrfach ungesättigten Fettsäuren („polyunsaturated fatty acids“, PUFA) zu übersehen. Pflanzenöle gehören zwar zur vegetarischen bzw. veganen Ernährung. Trotzdem liege die Zufuhr von langkettigen Omega-3-Fettsäuren (besonders Docosahexaensäure, DHA) oft unter der empfohlenen Menge.

„Die Datenlage für eine Notwendigkeit der Supplementierung von langkettigen Omega-3-Fettsäuren jenseits des Säuglingsalters ist allerdings umstritten, auch wenn einzelne Studien auf eine mögliche Bedeutung für neurologische Funktionen im Kindesalter hinweisen“, berichtet Rudloff.

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....