Die Auswirkungen von Omega-3-Fettsäuren auf die Gesundheit des Herz-Kreislauf-Systems ist umstritten. Nun hat sich eine Cochrane-Analyse der Fragestellung angenommen und kommt zu dem Fazit, dass die vermehrte Aufnahme von Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) „keinen oder nur einen geringen Effekt auf die Mortalität und die kardiovaskuläre Gesundheit hat“ [1].
EPA und DHA sind die langkettigen Omega-3-Fettsäuren, die man in fettreichem Fisch findet. Für die Omega-3-Fettsäure pflanzlichen Ursprungs – Alpha-Linolensäure (ALA) – ergibt die Analyse eine mögliche Assoziation mit einem leicht reduzierten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, KHK-Mortalität und Arrhythmien.
Große Datenmenge – Segen oder Fluch?
Seniorautor Dr. Lee Hooper von der University of East Anglia, Großbritannien, kommt zu einem ernüchternden Fazit: „Diese Ergebnisse widersprechen der verbreiteten Ansicht, dass Nahrungsergänzungsmittel mit langkettigen Omega-3-Fettsäuren, z. B. Fischölkapseln, das Herz schützen. Der große systematische Review enthält Informationen von vielen tausend Menschen. Und trotz dieser vielen Daten, sind keine protektiven Effekte erkennbar.“ Auf der anderen Seite reiche die kleine Zahl von verfügbaren Studien nicht aus, um zu sagen, ob es herzprotektiv wirke, mehr fettreichen Fisch zu verzehren.
Diese Ergebnisse widersprechen der verbreiteten Ansicht, dass Nahrungsergänzungsmittel mit langkettigen Omega-3-Fettsäuren, z. B. Fischölkapseln, das Herz schützen.

Dr. Johannes Scholl
Doch gerade die große Datenmenge, die die Autoren als positiven Aspekt ihrer Analyse hervorheben, könnte ein Problem darstellen: „Ob eine Erhöhung der Omega-3-Fettsäuren-Aufnahme über die Ernährung oder eine Supplementierung einen herzprotektiven Effekt hat, hängt vom kardiovaskulären Risiko und vor allem der Grundversorgung der untersuchten Gruppe ab“, erklärt der Präventionsmediziner Dr. Johannes Scholl, Rüdesheim am Rhein, im Gespräch mit Medscape. Studien aus verschiedenen Ländern und mit unterschiedlichen Ernährungskulturen in einen Topf zu werfen, könne zu keinem verlässlichen Ergebnis führen.
Insgesamt umfasst die Cochrane-Analyse 79 randomisiert-kontrollierte Studien. Die 112.058 Teilnehmer stammen aus Nordamerika, Europa, Asien und Australien. Die Studien hatten Nachbeobachtungszeiten von 12 bis 72 Monaten und nahmen Erwachsene mit unterschiedlichen kardiovaskulären Erkrankungsrisiken auf.
Meistens wurden Kapseln geschluckt
In den meisten Studien wurde eine Supplementierung mit den langkettigen Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA, wie sie in fettem Fisch vorkommen, untersucht. In einigen kamen aber auch mit EPA, DHA oder Alpha-Linolensäure (ALA) – eine Omega-3-Fettsäure pflanzlichen Ursprungs – angereicherte Lebensmittel (z. B. Margarine) oder Ernährungsempfehlungen zum vermehrten Verzehr von Omega-3-reichen Lebensmitteln zum Einsatz. Die Interventionen wurden entweder gegen Placebo oder die normale Ernährung der Studienteilnehmer verglichen.
Laut der Metaanalyse hatte es auf die Mortalität, die kardiovaskuläre Mortalität, kardiovaskuläre Ereignisse, KHK-Mortalität, Schlaganfall oder Arrhythmien keinen oder nur einen geringen Effekt, wenn die Aufnahme langkettiger Omega-3-Fettsäuren erhöht wurde.
Es gab zwar einen Hinweis, dass EPA und DHA das Auftreten von KHK-Ereignissen reduziert haben könnten, doch in Sensitivitätsanalysen – diese umfassten nur Studien mit geringem Bias-Risiko – verschwand dieser Effekt wieder. Die Autoren gehen davon aus, dass langkettige Omega-3-Fettsäuren auch im Hinblick auf das KHK-Risiko „keinen oder nur einen geringen Unterschied machen“.
Was die Omega-3-Fettsäure pflanzlichen Ursprungs – ALA – angeht, kommen die Autoren zu einem ähnlichen Schluss: Für Gesamtmortalität, kardiovaskuläre Mortalität und KHK-Ereignisse macht es keinen Unterschied, ob mehr davon aufgenommen wird oder nicht.
ALA doch mit Effekt?
Allerdings, so Hooper und seine Kollegen, könnte ALA das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse leicht reduzieren – von 4,8% Ereignisse in der Interventionsgruppe auf 4,7% in der Vergleichsgruppe in den 5 ausgewerteten randomisierten kontrollierten Studien (alle Studien kombiniert) mit knapp 20.000 Teilnehmern. Und möglicherweise reduziert diese Omega-3-Fettsäure das Risiko für KHK-Mortalität von 1,1% auf 1,0% und das Risiko für Arrhythmien von 3,3% auf 2,6%.
Der Effekt auf Schlaganfälle sei aber unklar. Dosiseffekte oder Auswirkungen der Einnahmedauer zeigten sich nicht.
Evidenz, dass EPA, DHA oder ALA schwere unerwünschte Nebenwirkungen haben, Adipositas oder die Lipide ungünstig beeinflussen, fanden die Cochrane-Autoren nicht. Allerdings reduzierten EPA und DHA leicht den Triglyzerid-Spiegel und ließen das HDL-Cholesterin ein wenig ansteigen. ALA senkt das HDL-Cholesterin dagegen wahrscheinlich, so die Autoren.
Bei diesem Review handelt es sich den Autoren zufolge um „die bis dato ausführlichste systematische Bewertung der Effekte von Omega-3-Fettsäuren auf die kardiovaskuläre Gesundheit“.
Von der Einnahme von Omega-3-Kapseln raten Hooper und seine Koautoren insgesamt ab, „sie reduzieren weder das Risiko für Herzerkrankungen, noch für Schlaganfälle oder Tod“, so ihr Resümee. Für die Effekte von Omega-3-Fettsäuren in Fisch gebe es nur wenig Evidenz. Mehr ALA aus pflanzlichen Quellen zu sich zu nehmen, könnte dagegen einen leichten kardiovaskulären Schutzeffekt haben.
Ungeeignete Methode
Präventivmediziner Scholl sieht derweil in einer Cochrane-Metaanalyse nicht die geeignete Methode, um herauszufinden, ob Omega-3-Fettsäuren vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen. Er rät, sich auf qualitativ hochwertige Studien zu verlassen, die in einer relevanten Patientenpopulation durchgeführt wurden. „Untersucht man Omega-3-Fettsäuren in Japan, wo viel Fisch gegessen wird, findet man keinen Effekt. Schaut man sich dagegen eine westliche Population nach Herzinfarkt an, findet man eine signifikante Mortalitätsreduktion, die über die experimentell gut gesicherte antiarrhythmische Wirkung der Omega-3-Fettsäuren zu erklären ist.“
Wenn man einem Patienten mit geringer Omega-3-Fettsäuren-Versorgung und hohem kardiovaskulären Risiko Omega-3-Fettsäuren gibt, dann hat er bessere Chancen, einen zweiten Infarkt zu überleben.
Für die Praxis empfiehlt Scholl, zunächst die Grundversorgung des Patienten mit Omega-3-Fettsäuren zu überprüfen, entweder über Ernährungsfragebögen oder Bluttests. Außerdem muss das kardiovaskuläre Erkrankungsrisiko berücksichtigt werden.
„Wenn man einem Patienten mit geringer Omega-3-Fettsäuren-Versorgung und hohem kardiovaskulären Risiko Omega-3-Fettsäuren gibt, dann hat er bessere Chancen, einen zweiten Infarkt zu überleben“, so Scholl. Für eine bessere Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren empfiehlt der Präventivmediziner, 3 Portionen (à 120 g) Fisch pro Woche zu essen. „Wenn jemand absolut keinen Fisch mag, sind auch Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll.“
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Diesen Artikel so zitieren: Cochrane-Analyse: Kein Herzschutz durch Omega-3-Fettsäuren? Oder ungeeignete Methodik? - Medscape - 8. Aug 2018.
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