Orlando – Neue Ergebnisse der ODYSSEY-Studie deuten darauf hin, dass der PCSK9-Inhibitor Alirocumab (Praluent®, Sanofi/Regeneron) das Risiko künftiger Herzereignisse bei Diabetespatienten, die bereits ein akutes Koronarsyndrom (ACS) überstanden haben, mehr als doppelt so stark reduziert wie bei ähnlichen Patienten mit Prädiabetes oder Normoglykämie.
Es wurde aber kein Unterschied in der relativen Risikoreduktion in Abhängigkeit vom glykämischem Status gesehen, sagte Dr. Kausik Ray vom Imperial College, London, UK, ein Ko-Prüfer der Studie, der die Ergebnisse bei einer Pressekonferenz auf den American Diabetes Association (ADA) 2018 Scientific Sessions präsentierte [1].
„In dieser Hochrisikopopulation (alle Teilnehmer hatten ausgangs LDL-C-Spiegel von über 70 mg/dl) schlagen die Richtlinien ein LDL-C-Ziel von etwa 55 mg/dl vor. Die Daten deuten darauf hin, dass eine Verschiebung des Ziels auf 25 bis 50 mg/dl bei diesen Diabetespatienten einen größeren absoluten Nutzen bringen würde", erklärte Ray. „Dieser absolute Nutzen ist statistisch signifikant und doppelt so groß bei Diabetespatienten im Vergleich zu Patienten ohne erhöhte Blutzuckerwerte", stellte er fest.
Die Kommentatoren sahen diese neue Klasse von injizierbaren lipidsenkenden Medikamenten gerade bei Diabetikern in einem positiven Licht. Die Number Needed to Treat (NNT), um ein Ereignis bei Patienten mit Diabetes zu verhindern, sei niedriger als in der Allgemeinbevölkerung, was den Einsatz in dieser Patientengruppe theoretisch kosteneffektiver machen würde.
Ein anderer Kommentator meinte allerdings, dass er nicht das Gefühl habe, die Daten würden wirklich etwas ändern. Auch nach der neuen Subgruppenanalyse seien die sehr hohen Kosten für PCSK9-Inhibitoren in Betracht zu ziehen. Für viele seien die neuen Wirkstoffe nach wie vor schlicht unbezahlbar.
Kosten pro verhindertem Ereignis „bleiben die Hauptbarriere"
Dr. John Mandrola, Kardiologe aus Baptist Health Louisville, USA, und Blogger für theheart.org und Medscape Cardiology , kommentiert, dass die Ergebnisse „weder schlechte noch gute Nachrichten für das Medikament sind, sondern nur darauf hinweisen, dass es keine heterogenen Behandlungseffekte gibt“.
Hier sieht er einen Gegensatz zu Ezetimib, „bei dem es so aussieht, als ob es bei Diabetikern eine größere Reduktion des Herz-Kreislauf-Ereignisses (MACE) gab“, bemerkte er, „doch das sehen wir hier nicht“. „Alirocumab reduziert Ereignisse bei Diabetespatienten in gleichem Maße wie bei anderen (Patienten) – nicht mehr und nicht weniger.“
Mandrola merkte an, dass die stärkere Reduktion des absoluten Risikos bei Diabetespatienten „zu erwarten ist. Das liegt daran, dass die Zahl der Ereignisse höher ist – Patienten mit Diabetes weisen ein höheres Risiko dafür auf.“ Und er resümiert: „Ich denke, diese Analyse ändert wenig an der Entscheidung, ob Sie diese Mittel einsetzen. Die Kosten pro verhindertem Ereignis bleiben die größte Hürde.“
Dr. Darren McGuire, ein Kardiologe vom UT SouthWestern Medical Center in Dallas, USA, der auf die Behandlung von Diabetes spezialisiert ist, glaubt, dass die neue Analyse das Pendel ein wenig zugunsten von Patienten mit Diabetes verschiebt.
„Während es keinen Unterschied in der relativen Risikoreduktion gibt, wenn die Kohorte durch den gluko-metabolischen Status stratifiziert ist, gibt es ein höheres absolutes Risiko bei den Diabetes-Patienten und dies führt zu einer größeren absoluten Risikoreduktion in dieser Gruppe", erläuterte auch er.
„Diese Daten stützen die Auffassung, dass die (Alirocumab-)Therapie [] bei Diabetikern im Vergleich zu Nicht-Diabetikern kosteneffektiver sein würde“, sagte McGuire Medscape Medical News.
Unter den Diabetikern müssten 43 Patienten über 2 Jahre behandelt werden um ein MACE zu verhindern, während nach den Studienergebnissen in den anderen Subgruppen die Zahl bei 83 liege, gab McGuire zu bedenken. Aber er bestreitet nicht, dass der aktuelle Preis dieser Wirkstoffe nach wie vor ein erhebliches Hindernis für ihren Einsatz darstellt:
„Nach Schätzungen liegen zumindest in den Vereinigten Staaten die Preise für das Mittel derzeit zwischen 10.000 und 14.000 US-Dollar pro Jahr und die Preisspanne reicht bis zu 200.000 und 300.000 US-Dollar, um ein Ereignis über 2 Jahre zu verhindern.“
Sanofi und Regeneron haben kürzlich angekündigt, dass sie den Nettopreis von Alirocumab in den USA senken werden. Seit dem 1. Juli gibt es für die exklusive PCSK9-Inhibitor-Therapie mit Alirocumab ein spezielles Formular, das „die Dokumentation zur Sicherung des Versicherungsschutzes erheblich vereinfacht und so dazu beitragen kann, die Kosten für berechtigte Patienten zu senken“, teilen die Unternehmen mit.
Auf die Frage, wie diese Daten die Entscheidungen in der Klinik beeinflussen könnten, antwortete der Moderator der Pressekonferenz, Dr. Robert Eckel von der University of Colorado, Aurora: „Wenn wir eine klinische Studie betrachten, sollten wir nicht auf die Ergebnisse einzelner Subgruppen fokussieren und daraus Schlussfolgerungen ziehen, denn die Studie war für die primären Studienziele in der Gesamtpopulation ausgerichtet.“
Doch er fügte hinzu: „Ich denke, dass diejenigen mit höheren LDL-Werten eher für die Therapie mit einem PCSK9-Inhibitor infrage kommen und diese bezahlt bekommen, zumindest in den Vereinigten Staaten, und ich werde jedes Medikament verordnen, wenn die Indikation stimmt.“
Ein Drittel der ODYSSEY-Patienten hatte einen Diabetes
Die Daten für die aktuelle Analyse stammen aus ODYSSEY Outcomes. In der Studie wurden 18.924 Personen, die innerhalb des letzten Jahres ein ACS hatten und unter maximaler Statintherapie standen, auf eine Alirocumab-Injektion von 75 mg alle 2 Wochen versus Placebo randomisiert. Die Alirocumab-Dosis erhöhte sich auf 150 mg, wenn das LDL-C-Ziel von 25 bis 50 mg/dl nicht erreicht wurde.
Zu Beginn hatten alle Patienten ein LDL-Cholesterin über 70 mg/dl und ein HDL-Cholesterin über 100 mg/dl. Der primäre Endpunkt war die Zeit bis zum ersten MACE (Major Adverse Cardiac Event).
Die Hauptergebnisse waren auf der American College of Cardiology (ACC) 2018 Annual Scientific Session im März berichtet worden und lieferten Hinweise auf einen Überlebensvorteil durch diese kostspieligen Medikamente in der getesteten Patientenpopulation. Die frühere FOURIER-Studie mit dem Konkurrenten Evolocumab (Repatha®, Amgen) hatte eine weniger risikobehaftete Patientenpopulation untersucht.
Ray präsentierte die ODYSSEY-Outcomes-Daten, aufgeteilt nach dem glykämischen Ausgangsstatus sowie den HbA1c-Werten während der Studie. Von den Studienteilnehmern wiesen 5.444 Probanden (28,8%) einen Diabetes auf, 8.246 (43,6%) einen Prädiabetes und 5.234 (27,7%) hatten normale Glukosewerte.
„Patienten mit Diabetes, die einen Herzinfarkt hatten, haben ein sehr hohes absolutes Risiko, und die Daten deuten darauf hin, dass eine intensive Statintherapie im Vergleich zu einer weniger intensiven zu einem größeren absoluten Nutzen führt.“ sagte Ray.
Größter Therapieeffekt bei Diabetes-Patienten
Die MACE-Raten stiegen mit den Blutglukose-Werten - von der Normoglykämie über den Prädiabetes bis hin zum Diabetes – und zwar von 7,3% über 8,0% und 14,1% bei den Patienten unter Alirocumab, und von 8,5% über 9,2% bis zu 16,4% bei Patienten unter Placebo.
„Der Behandlungseffekt bezüglich MACE über 30 Monate war eine relative Risikoreduktion um 15% - dabei war der Nutzen in den 3 Gruppen konstant“, sagte Ray. „Allerdings ... sehen Sie einen viel größeren absoluten Nutzen bei Menschen mit Diabetes, der doppelt so groß ist wie bei den anderen beiden Gruppen“, betonte er.
„Der Grund für den größeren absoluten Behandlungseffekt ist nicht ein höherer LDL-Cholesterin-Wert zu Studienbeginn, sondern die Tatsache, dass diese Patienten an Diabetes leiden und ein ACS aufweisen – und damit ein höheres Risiko.“
„In einer Gruppe mit Diabetes und ACS, in der das LDL-Cholesterin bei über 60 mg/dl liegt – und dies trotz intensiver maximaler Statintherapie – sind Ihre Behandlungsoptionen entweder Ezetimib hinzuzufügen oder – basierend auf den jetzt präsentierten Daten – Alirocumab zu verwenden, um einen größeren absoluten Nutzen zu erhalten," sagte er.
Die Sicherheitsdaten beruhigen, doch das Follow-up ist relativ kurz
Allerdings: Früherer Studien hätten Hinweise ergeben, dass eine starke LDL-Senkung dazu beitragen könne, dass ein Prädiabetes zum Diabetes fortschreite, sagte Ray. Doch habe es in der Studie keine Anzeichen gegeben, dass z-B. die Nüchternglukose- oder HbA1c-Werte unter Alirocumab angestiegen seien. Auch gab es keine Zunahme der Diabetesdiagnosen.
Mandrola sagte, die Ergebnisse in Bezug auf neu auftretenden Diabetes seien „etwas beruhigend“, doch die Nachbeobachtung von 34 Monaten sei auch relativ kurz gewesen. „Es gibt immer noch Bedenken hinsichtlich noch nicht entdeckter Nebenwirkungen dieser hochwirksamen Medikamente“, fügte er hinzu.
Dieser Artikel wurde von Ute Eppinger aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
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Diesen Artikel so zitieren: Eine Frage der Zielgruppe: Sind PCSK9-Hemmer bei Diabetes-Patienten kosteneffektiver? - Medscape - 2. Aug 2018.
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