Cool bleiben – Ratschläge, wie man mit der Hitze am besten klarkommt, aus dem aktuellen WHO-Guide

Sonja Boehm

Interessenkonflikte

31. Juli 2018

„36 Grad – und es wird noch heißer“ – der Song der Band 2Raumwohnung aus dem Jahr 2007 beschreibt zutreffend die Hitzewelle, die in diesen Tagen nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa im Griff hat. Die hohen Temperaturen sind für viele Menschen, aber vor allem für ältere und chronisch kranke, eine Herausforderung und Gefahr für die Gesundheit. Aber: „Negative gesundheitliche Auswirkungen von heißem Wetter und Hitzewellen sind im Großen und Ganzen vermeidbar.“ Mit diesem Satz beginnt eine Publikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Sektion Europa, in der diese Informationen für verschiedene Zielgruppen zusammengefasst hat und medizinische Ratschläge gibt. Passend zur europaweiten Hitzewelle hat die WHO nun eine aktualisierte Version veröffentlicht [1].

Wer ist besonders gefährdet?

Überarbeitet wurden darin unter anderem die Empfehlungen für Ärzte und Pflegepersonal. Diese Sektion enthält z.B. eine Auflistung der Risikogruppen von Patienten, die durch Hitze besonders gefährdet sind. Nicht überraschend gehören dazu etwa alte Menschen (vor allem wenn sie allein leben), Kinder, Menschen mit kardiovaskulären, respiratorischen oder anderen chronischen Erkrankungen und solche mit eingeschränkter Mobilität. Diese benötigen am ehesten ärztliche oder pflegerische Empfehlungen dazu, wie sie sich bei Hitze richtig verhalten und wie sie gesundheitliche Probleme vermeiden können.

Bei älteren Menschen und Kindern ist die Thermoregulation nicht so effektiv. Eine eingeschränkte Nierenfunktion, eine Herzinsuffizienz, zu geringe Flüssigkeitsaufnahme, aber auch eine Diarrhoe, können die Probleme durch Verschiebungen im Elektrolyt- und Wasserhaushalt verschärfen. Auch bei Diabetikern kann, etwa aufgrund einer eingeschränkten Mikrozirkulation und damit Hautdurchblutung, der Wärmeaustausch erschwert sein. Bei Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen ist zu beachten, dass sie oft nicht angepasst auf die Hitze reagieren.

Auch bei kardiovaskulären Erkrankungen ist häufig die Thermoregulation gestört, es besteht ein Risiko für eine veränderte Hämostase, akute vaskuläre Ereignisse und zerebrale Thrombosen. Beeinträchtigungen der Nierenfunktion können durch Elektrolytverschiebungen Herzrhythmusstörungen begünstigen. Dehydrierung und Schwindel erhöhen zudem das Risiko für Stürze bei Älteren.

Bei chronischen respiratorischen Erkrankungen leiden die Patienten zudem oft nicht nur unter der Hitze, sondern auch unter den begleitenden Luftveränderungen, etwa hohen Ozonwerten. Und: Auch eine COPD beeinträchtigt die Thermoregulation, etwa in Folge von Hypovolämie und peripherer Vasodilatation.

Medikamente und Hitze

Doch auch die Einnahme mancher Medikamente kann sich bei zu hohen Außentemperaturen negativ auswirken: So beeinflussen anticholinerge Wirkstoffe z.B. die zentrale Thermoregulation und bremsen die Schweiß-Absonderung; Antipsychotika können ebenfalls das Schwitzen hemmen und Vasodilatation und zentrale Thermoregulation beeinflussen.

Mit ähnlichen Effekten ist laut WHO-Liste auch bei Antihistaminika, Parkinson-Medikamenten, Antidepressiva, Anxiolytika und Muskelrelaxantien, Sympathomimetika, anti-adrenergen Substanzen und Betablockern zu rechnen. Antihypertensiva und Diuretika können Dehydrierung und Elektrolyt-Verschiebungen verstärken.

Andererseits kann aber auch die Hitze selbst die Spiegel und die Wirkung von Medikamenten verändern, etwa infolge einer Dehydrierung, aber auch weil – um via Vasodilatation für Abkühlung zu sorgen – der kardiale Output steigt und es zu Veränderungen im Blutvolumen sowie bei den Elektrolyten kommt. Dies ist vor allem bei Wirkstoffen mit engem therapeutischem Fenster wie Digoxin oder Lithium zu beachten.

Sinnvoll kann auch ein Tipp an die Patienten sein, auf den Produktinformationen zu ihren Arzneimitteln den Absatz zur richtigen Lagerung noch einmal gründlich zu lesen – viele Wirkstoff sollen nicht bei Temperaturen über 25 Grad Celsius gelagert werden. Ein Hinweis, der auch für Ärzte wichtig ist, etwa den Arztkoffer mit Notfall-Medikamenten nicht im Kofferraum eines in der Sonne geparkten Autos zu lassen.

Ausreichend Trinken – gewusst wie und was …

Überall zu lesen ist bei diesem Wetter natürlich die Empfehlung „ausreichend“ zu trinken. Aber wieviel und was? Die WHO-Ratschläge hierzu:

  • Die Trinkmenge sollte in etwa das eineinhalbfache (150%) des Flüssigkeitsverlustes über Urin und Schweiß betragen.

  • Die Patienten sollten auch dann trinken, wenn sie nicht durstig sind – das gilt vor allem für ältere Menschen, die oft ein vermindertes Durstgefühl haben.

  • Gewarnt wird jedoch vor exzessivem Trinken puren Wassers, da dies zu einer schweren Hyponatriämie mit all ihren Folgen bis hin zum Tod führen kann. Ein solcher tragischer Fall machte vor einigen Jahren Schlagzeilen, als ein Mann nach einem Ironman-Triathlon in Frankfurt an einem Hirnödem gestorben war, weil er während des Laufs zu viel reines Wasser getrunken hatte. Isotonische Getränke sind auf jeden Fall zu bevorzugen. Eventuell kann Wasser auch selbst mit etwas Kochsalz angereichert werden (z.B. mit 2 g/l).

  • Bedeutsam sind diese Empfehlungen und das Monitoring des Trinkverhaltens vor allem bei Patienten, die bereits einen Schlaganfall, Infarkt oder anderes thrombotischer Ereignis in der Anamnese haben, bei solchen mit Bluthochdruck, Herzinsuffizienz, Diabetes, Niereninsuffizienz oder Demenz.

16 Ratschläge, die Sie Ihren Patienten mit auf den Weg geben können

Und dann können Sie Ihren Patienten natürlich noch die ganz allgemeinen Empfehlungen zum Verhalten bei Hitzewellen – ebenfalls aus dem WHO-Guide – mit auf den Weg geben:

  • Halten Sie Ihre Wohnräume möglichst kühl! Die Raumtemperatur sollte tagsüber nicht über 32 Grad und nachts nicht über 24 Grad steigen.

  • Nutzen Sie die kühlere Nacht zum Lüften! Schließen Sie nach Möglichkeit tagsüber alle Fenster und Türen, nutzen Sie Beschattungen, Rolläden etc.

  • Das Aufhängen nasser Handtücher kann dazu beitragen, die Raumluft zu kühlen, allerdings erhöht sich dabei die Luftfeuchtigkeit.

  • Trinken Sie ausreichend, aber vermeiden Sie Alkohol und zu viel Koffein und Zucker!

  • Verbringen Sie, wenn möglich, 2 bis 3 Stunden täglich an einem gekühlten klimatisierten Ort (z.B. in einem Einkaufszentrum).

  • Gehen Sie über die heiße Mittagszeit nicht nach draußen!

  • Wenn Sie sich draußen sportlich betätigen wollen, nutzen Sie die kühlsten Stunden des Tages, morgens zwischen 4 und 7 Uhr.

  • Bleiben Sie wann immer möglich im Schatten!

  • Lassen Sie niemals Kinder oder Hunde in einem in der Sonne geparkten Auto (auch nicht für kurze Zeit)!

  • Duschen oder baden Sie mit kühlem oder lauwarmem Wasser

  • Tragen Sie leichte Kleidung aus natürlichen Materialien und setzen Sie, wenn Sie in die Sonne gehen, einen Hut oder eine Kappe auf!

  • Schlafen Sie nachts nur mit dünnen Laken und ohne Kissen, um Hitzestaus zu vermeiden

  • Essen Sie mehrere kleine leichte Mahlzeiten am Tag – und vermeiden Sie zu proteinreiche Kost!

  • Wenn Sie sich schummrig, schwach oder ängstlich fühlen, intensiven Durst haben oder Kopfschmerzen, begeben Sie sich an einen kühlen Ort und messen Sie Ihre Körpertemperatur. Trinken Sie etwas!

  • Bei schmerzhaften muskulären Spasmen in Armen, Beinen oder dem Abdomen – vor allem nach körperlicher Aktivität in der Hitze – trinken Sie zur Rehydrierung elektrolythaltige Getränke. Dauern die Hitzekrämpfe länger als 1 Stunde an, suchen Sie einen Arzt auf!

  • Trockene Haut, Delirium, Krampfanfälle oder Bewusstlosigkeit können Anzeichen eines eventuell lebensbedrohlichen Hitzschlags (Hyperthermie-Syndroms) sein. Rufen Sie in diesen Fällen den Rettungsdienst bzw. Notarzt und bringen Sie, während Sie warten, die betroffene Person ins Kühle, legen Sie sie hin mit den Beinen erhöht, öffnen Sie die Kleidung und versuchen Sie extern zu kühlen, etwa mit Cool-Packs im Nacken, in den Achseln oder in der Leiste, mittels Ventilatoren oder indem Sie die Haut mit Wasser besprühen. Messen Sie bei der Person, wenn möglich, die Körpertemperatur. Ist diese erhöht, geben Sie aber keine fiebersenkenden Medikamente wie ASS oder Paracetamol – diese wirken bei erhöhter Körpertemperatur infolge Hitze nicht, können sich aber aufgrund ihrer renalen und hepatischen Nebenwirkungen störend auf die Therapie des Hitzschlags auswirken.

All diese Empfehlungen – und noch einige mehr – sind nachzulesen im WHO-Guide Public health advice on preventing health effects of heat.

 

Kommentar

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